Lexikon des Agrarraums

Kurt G. Baldenhofer

Zuckerrohrplantage in Australien

Intensivtierhaltung

Oft auch als intensive Tierhaltung, Intensivtierhaltung, industrielle Tierhaltung, landlose Tierproduktion oder Massentierhaltung bezeichnete Tierhaltung meist nur einer einzigen Tierart in ländlichen Großbetrieben mit nicht ausreichend verfügbaren landwirtschaftlichen Nutzflächen, um die benötigten Futtermittel selbst zu erzeugen. Das primäre Ziel ist dabei die größtmögliche Maximierung des zu erwirtschaftenden Ertrags. Die wichtigsten Produkte dieser Haltungsform sind Fleisch, Milch und Eier.

Die Tierprodukte sind fast ausschließlich für den städtischen Konsum bestimmt und zum effizienten Transport, Verarbeitung und Vermarktung standardisiert. Zu unterscheiden ist die Haltung von Monogastriern (Schweine und Geflügel) und Wiederkäuern (Rinder und Schafe).

Im weiteren Sinne kann auch ein Großteil der seit den 1970er Jahren stark zunehmenden Aquakulturen zur Intensivtierhaltung gerechnet werden.

Die Intensivtierhaltung unterscheidet sich von der extensiven und der artgerechten Haltung durch geringeren Flächenbedarf und stärkere Nutzung anderer Produktionsfaktoren. Systeme der Intensivtierhaltung sind insbesondere in Industrieländern verbreitet, verzeichnen jedoch hohe Wachstumsraten in einigen Entwicklungsländern. Mit der Intensivierung geht häufig eine Vergrößerung der durchschnittlichen Betriebsgröße einher.

Herausforderungen bei der intensiven Haltung bestehen insbesondere im Bereich von Tiergesundheit, Wasser- und Energieverbrauch und bei der Entsorgung der Tierausscheidungen. Durch die Ausbringung von Gülle besteht die Gefahr der Überdüngung und der Belastung des Grundwassers durch Nitrate sowie auch eine Geruchsbelästigung. Gleichzeitig werden Treibhausgase freigesetzt. Der Tierschutz und damit verbunden Fragen der Ethik, die Problematik der Tiergesundheit, die Bildung von Antibiotikaresistenzen und deren Einfluss auf die Humanmedizin sind seit langem Gegenstand von Diskussionen. Insgesamt wird die Nachhaltigkeit dieser Produktionsform häufig in Frage gestellt.

Geschichte

Die Intensivtierhaltung ist eine relativ junge Entwicklung in der Geschichte der Landwirtschaft und ist als Ergebnis von wissenschaftlichen Entdeckungen und technologischem Fortschritt zu sehen. Innovationen in der Landwirtschaft, die im späten 19. Jh. aufkamen, liefen etwa zeitgleich ab wie die Entwicklungen hin zur Massenproduktion in der Industrie. Die Entdeckung der Vitamine und ihrer Rolle bei der Tierernährung in den ersten beiden Jahrzehnten des 20. Jh. führte zu Vitaminzusätzen in den Futtermitteln, was die Stallaufzucht von Hühnern ermöglichte. Die Entwicklung von Antibiotika und Impfstoffen erleichterte die Haltung von größeren Tierbeständen durch die Reduzierung von Krankheiten. Chemikalien die für den Einsatz im Zweiten Weltkrieg entwickelt wurden, legten die Grundlage für synthetische Pestizide. Entwicklungen bei den Schiffsverbindungen und der marinen Technologie machten den Transport von Agrarprodukten über weite Entfernungen möglich.

Die weltweite Agrarproduktion verdoppelte sich vier Mal im Zeitraum zwischen 1820 und 1975 (1820 bis 1920; 1920 bis 1950; 1950 bis 1965; 1965 bis 1975) um die Weltbevölkerung, die im Jahr 1800 eine Milliarde betrug und bis 2002 auf 6.5 Mrd. anstieg, mit Nahrung zu versorgen. Während der gleichen Zeit sank die Zahl der in der Landwirtschaft beschäftigten Menschen, da die Arbeitsabläufe immer stärker automatisiert wurden. Noch in den 30er Jahren des 20. Jh. arbeiteten 24 % der US-amerikanischen Bevölkerung in der Landwirtschaft gegenüber 1,5 % im Jahr 2002. 1940 versorgte jeder Farmarbeiter 11 Konsumenten, im Jahr 2002 waren es bereits 90.

Im Vereinigten Königreich begann die Intensivtierhaltung im Jahr 1947, als ein neues Agriculture Act den Bauern Subventionen zusicherte, um sie durch den Einsatz neuer Technologien zu erhöhter Produktion anzureizen und um damit die Abhängigkeit des Landes von Importfleisch zu reduzieren.

In der Mitte der 1960er Jahre begannen die USA, das UK und andere Industrienationen mit der intensiven Haltung von Milchvieh, Fleischrindern und Hausschweinen. Von diesen Ausgangsländern breitet sich die industrialisierte Tierhaltung seit den späten Jahren des 20. Jh. über die ganze Welt aus. 1990 produzierte die intensive Tierhaltung 30 % der weltweiten Fleischproduktion, 2005 war der Anteil auf 40 % gestiegen.

Aktuelle Tierproduktion in Intensivhaltung

In Betrieben mit Intensivtierhaltung werden Tiere in großer Zahl, hoher Standdichte und häufig in Ställen gehalten, typischerweise Kühe, Schweine, Hühner, Truthähne und Puten. Das Betriebsziel ist die Produktion großer Mengen an Fleisch, Eiern oder Milch zu geringstmöglichen Kosten. Heute werden fast ausschließlich hybride Tiere (Kreuzung mehrerer Rassen) genutzt. Molekularbiologie und Gentechnik spielen dabei eine zunehmend wichtigere Rolle, etwa in der Verbesserung der Ferkelvitalität, Krankheitsresistenz und Nutzungsdauer. Zuchtprogramme dienen der Entwicklung von Tieren, die an die eingeschränkten Bedingungen der Haltung angepasst und in der Lage sind, ein konsistentes Nahrungsmittel zu liefern.

Künstliche Besamung, Embryotransfer, Klonen, In-vitro-Fertilisation und Präimplantationsdiagnostik sind Reproduktionstechniken, die in der professionellen Tierhaltung - zumindest was die künstliche Besamung angeht - unabhängig von der Landbauform (Bio, Konventionell) genutzt werden.

Zur Wahrung der Tiergesundheit sowie zur Ertragssteigerung wird eine Kombination von Desinfektionsmitteln, antibakteriellen Wirkstoffe, Wurmmittenl (Anthelminthika), Hormonen,und Impfstoffen eingesetzt. Auch kommen in außereuropäischen Staaten anabole Steroide und Somatropine als Wachstumsbeschleuniger zum Einsatz. Dazu kommen Proteine, Mineralien und Vitamine als Futterzusätze.

Zur Automatisierung der Anlagen gehören das elektronische Monitoring der Tierleistung sowie der Einsatz von Computern bei der Futterzubereitung und -rationierung und der Regulation des Stallklimas. Stallbaudesign, Impfmanagement und regelmäßige Bestandskontrollen durch vorgeschriebene Hoftierärzte und Tiergesundheitsdienste sind Bestandteile eines Tiergesundheitsmanagements, mit dem Ziel den Arzneimitteleinsatz zu reduzieren. Geeignete Maßnahmen und Installationen sollen ferner die Biosicherheit gewährleisten.

In Industriestaaten ist die landlose Intensivhaltung weit verbreitet. Für die Jahre 2002-2003 schätzt die FAO deren Anteil an der jeweiligen Gesamtproduktion auf 7 % bei Rind- und Kalbfleisch, auf 0,8 % bei Schaf- und Ziegenfleisch, 42 % bei Schweinefleisch und 67 % bei Geflügelfleisch. Summarisch kommt man dabei auf 39 % der gesamten Produktion dieser Fleischsorten und auf 50 % der gesamten Eierproduktion.

In der Kategorie der Entwicklungsländer werden 8 % der Rinder und Büffel und 0,6 % der Schafe und Ziegen intensiv gehalten. 0,6 % des produzierten Rindfleischs, 1 % des Schaffleischs, 47 % des Schweinefleischs, 64 % des Geflügelfleischs und 54 % der Eier kommen aus landlosen Produktionssystemen.

Verbreitung

Intensive Systeme sind für viele klimatische Verhältnisse geeignet. Sie sind besonders in den OECD-Staaten, aber auch mit steigender Tendenz in Asien verbreitet. Intensive Wiederkäuerproduktionssysteme sind vorrangig ein nordamerikanisches Phänomen, aber sie treten auch in Teilen Europas und des Nahen Ostens auf.

In Getreideimportregionen wie den Niederlanden oder Norddeutschland befinden sich intensive Tierhaltungsbetriebe meist in der Nähe von Seehäfen. In Getreideexportländern wie den USA wird die intensive Viehhaltung häufig in den Getreideanbauregionen betrieben (z. B. Schweine in Iowa, Rinder in Texas). In Entwicklungsländern mit schlecht entwickelter Infrastruktur befinden sich die Betriebe in der Nähe urbaner Zentren, da tierische Produkte hohen Anforderungen beim Transport unterliegen (Kühlung). Intensive Haltungssysteme finden sich auch in den GUS-Staaten (Milchvieh) und Nordafrika (Schafe).

Umweltwirkungen

Der Aufstieg der Intensivlandwirtschaft und damit auch der intensiven Tierhaltung machte sie weltweit zur größten Bedrohung für die Umwelt durch den Verlust von Ökosystemdienstleistungen und durch ihre Beiträge zur globalen Erwärmung.

Umweltauswirkungen der Intensivtierhaltung:

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