Pestizide
Aus dem englischen Sprachgebrauch übernommene Bezeichnung für industriell gefertigte, nicht in der Natur vorkommende organische Verbindungen, die gegen schädliche oder unerwünschte Mikroorganismen, Pflanzen, Pflanzenteile oder Tiere angewendet werden und die das Keimen bzw. Wachstum von Pflanzen oder Pflanzenteilen regeln oder Pflanzen pflegen (ausgenommen Düngemittel). Damit umfasst der Begriff alle Pflanzenschutz- und Schädlingsbekämpfungsmittel sowie Wachstumsregler, einschließlich der Zusatzstoffe.
Vereinzelt wurde der Begriff auf Stoffe übertragen, die von Pflanzen erzeugt werden (z. B. Solanin als Fraßschutz).
Der Begriff „Pestizide“ wird häufig als Synonym für Pflanzenschutzmittel verwendet. Der Oberbegriff Pestizide umfasst jedoch auch Produkte wie Biozide, die nicht zur direkten Anwendung an Pflanzen, sondern zur Bekämpfung von Schädlingen und Krankheitsüberträgern wie Insekten, Ratten und Mäusen bestimmt sind. Die EU-Richtlinie 2009/128/EG enthält eine Begriffsbestimmung für „Pestizid“, nach der sowohl Pflanzenschutzmittel im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 als auch Biozid-Produkte im Sinne der Richtlinie 98/8/EG über das Inverkehrbringen von Biozid-Produkten darunter fallen.
Wenn in der öffentlichen Diskussion von „Pestizid-Rückständen“ die Rede ist, liegt der Schwerpunkt meist auf der Belastung von Lebensmitteln mit Pflanzenschutzmittel-Rückständen.
In den Gesetzestexten der deutschsprachigen Staaten und den deutschen Fassungen der einschlägigen EU-Bestimmungen wird der Begriff „Pestizid“ nur selten verwendet. Die Genehmigung von Wirkstoffen und deren Höchstmengen bei den Zulassungen von Pflanzenschutzmitteln und Bioziden sind in separaten Vorschriften geregelt. Ein bestimmter Wirkstoff kann sowohl in verschiedenen Pflanzenschutzmitteln als auch Bioziden vorhanden sein. Durch unterschiedliche Ausbringungsmethoden und auch Aufwandmengen kann sich die Wirkung auf die Umwelt oder eine mögliche Gefährdung des Menschen unterscheiden.
Bezeichnung | Zielorganismen |
---|---|
Akarizide | Milben |
Algizide | Algen |
Aphizide | Blattläuse |
Arborizide | Gehölze |
Avizide | Vögel |
Bakterizide | pflanzenparasitäre Bakterien |
Beizmittel | Krankheitserreger auf Saatgut |
Entlaubungsmittel | evident |
Fungizide | pflanzenparasitäre Pilze |
Graminizide | Gräser |
Herbizide | allg. unerwünschte Pflanzen |
Insektizide | Insekten |
Molluskizide | Schnecken |
Nematizide | Nematoden (Fadenwürmer) |
Rodentizide | Nagetiere |
Virizide | pflanzenparasitäre Viren |
Zur Beurteilung des Pestizid-Einsatzes:
- Etwa ein Drittel der Welternte wird durch biotische Einwirkungen vernichtet (ca. 14 % durch Schädlinge, ca. 12 % durch Krankheiten, ca. 9 % durch Unkräuter).
- Bei Zuckerrohr und -rüben erreicht die Verlustrate 45 %, bei Reis 46 %.
- Besonders in den tropischen Entwicklungsländern ist zusätzlich der Schadensbefall bei der Lagerung gravierend.
- Pestizide vernichten auch Nützlinge; werden diese nicht direkt vom Gift getroffen, so wird ihnen doch die Nahrung entzogen oder sie verhungern, weil notwendige Blütenpflanzen fehlen. Beispielsweise haben sogenannte Schwebfliegen, deren Larven sich von Blattläusen ernähren, durch die Ausmerzung der Blütenpflanzen in den Weizenfeldern keine Lebenschance mehr. Um so höher ist der Blattlausbefall auf dem Weizen, eine früher eher seltene Plage. Mindestens die Hälfte des Nützlingsbesatzes ist schon von den Feldern Europas verschwunden. Kritiker meinen, der chemische Pflanzenschutz schaffe sich so seinen eigenen Markt.
- Schadinsekten entwickeln zunehmend Resistenzen.
- Ungeklärt sind die Wechselwirkungen (Synergismen) einzelner Agrarchemikalien mit anderen Stoffen in Boden und Pflanze.
- Ungeklärt ist der Verbleib der Stoffe in Boden und Pflanze; das Prädikat "biologisch abbaubar" bedeutet nur, daß der Stoff nach einiger Zeit nicht mehr nachweisbar ist, Abbauprodukte können aber weiterhin ihre Wirkung entfalten oder gar giftiger sein als die Ausgangssubstanz.
- Ungeklärt sind die Gesundheitsrisiken der Bevölkerung bei der lebenslangen Aufnahme von kleinen und kleinsten Pestizidmengen. Entsprechend willkürlich sind die Rückstandsgrenzwerte in der sogenannten Höchstmengen-Verordnung.
- Bei der Pestizid-Applikation kommt es zur Abdrift eines Teils der Chemikalie, weitere Teile tropfen auf den Boden. Vorsichtige Schätzungen gehen von einem Bodeneintrag von 50 % der ausgebrachten Spritzmittel aus.
- Die Herstellung von Pestiziden trägt zum hohen Energieinput in das Agrarsystem wesentlich bei.
- Nach Angaben der WHO kommt es wegen der starken Toxizität vieler Pestizide weltweit zu 500.000 bis 2 Mio. Vergiftungsfällen und zwischen 3.000 und 40.000 Todesfällen pro Jahr. Dabei sind die Langzeitschäden nicht berücksichtigt. Die Entwicklungsländer weisen 50 % aller Vergiftungsfälle und 75 % aller Todesfälle auf, obwohl sie nur zu 20 bis 25 % am globalen Pestizidverbrauch beteiligt sind.
- Teilweise werden Pestizide in Entwicklungsländer exportiert, deren Anwendung in Industrieländern wegen ihrer hohen Toxizität untersagt ist.
- Pestizide fließen als "Pestizid-Bumerang" in Form von Rückständen in Nahrungsmitteln und in Textilien in die Industrieländer zurück.
In Deutschland befasst sich das BfR mit der gesundheitlichen Risikobewertung von Pflanzenschutzmitteln und Biozid-Produkten, die nach der Strukturanpassung unter dem Oberbegriff Pestizide zusammengefasst werden, entsprechend den Vorgaben der Richtlinie (EG) Nr. 2009/128/EG über einen Aktionsrahmen der Gemeinschaft für die nachhaltige Verwendung von Pestiziden.
(s. a. Pflanzenschutz, Pflanzenschutzmittel, Umweltwirkungen)
Weitere Informationen:
- Der Nutzen von Pflanzenschutz (iva)
- Die Schwarze Liste der Pestizide II (Greenpeace)
- Europas Abhängigkeit von Pestiziden (Greenpeace)
- Pestizide - Neue Ideen mit weniger Chemie (Agrar-Atlas 2019)
- Pestizidatlas (Heinrich-Böll-Stiftung 2022)
- Gefährliche Pestizide - Bayer und BASF betreiben ein Geschäft mit Doppelstandards (INKOTA)