Lexikon des Agrarraums

Kurt G. Baldenhofer

Zuckerrohrplantage in Australien

Boden

1. In den Geowissenschaften synonym mit Pedosphäre. Danach ist Boden die an der Erdoberfläche entstandene, von Luft, Wasser und Lebewesen durchdrungene Verwitterungsschicht der Lithosphäre aus mineralischen und organischen Substanzen, welche sich unter Einwirkung aller Umweltfaktoren gebildet hat und die den Pflanzen als Standort und zur Ernährung dient. Boden existiert also im Durchdringungsbereich aller übrigen Sphären. Die Grenze zwischen Boden und Gestein ist meist unscharf. In Abhängigkeit vom jeweiligen Gestein, Relief, Klima und Alter der Landschaft bilden sich bestimmte Horizontkombinationen (Bodenprofile) aus. Boden ist als komplexes kybernetisches System mit ständig ablaufenden dynamischen Prozessen zu verstehen, die ihrerseits den Boden verändern.

Die Böden Mitteleuropas haben sich in den letzten 10.000 Jahren nach dem Ende der letzten Kaltzeit entwickelt. Sie haben eine mittlere Mächtigkeit von 80 cm, d.h. das Bodenprofil hat sich im Durchschnitt um 0,08 mm pro Jahr vertieft.

Lebensraum Boden

Lebensraum Boden

Der braune obere Horizont eines Bodens der gemäßigten Breiten wimmelt von Leben: Neben Regenwürmern, Asseln, Spinnen, Milben und Springschwänzen leben in einer Hand voll Boden mehr Mikroorganismen (etwa Bakterien, Pilze oder Amöben) als Menschen auf der Erde. Diese Lebewesen zersetzen abgestorbene Pflanzenteile, bauen sie in Humus um und verteilen diese fruchtbare Substanz im Boden. Humus speichert Nährstoffe und Wasser und sorgt dafür, dass der Boden eine stabile Struktur mit vielen Poren erhält. Zudem enthält er viel Kohlenstoff, der ursprünglich von Pflanzen im Form des Klimagases CO2 aus der Luft aufgenommen wurde. Der Boden ist einer der bedeutendsten Kohlenstoffspeicher überhaupt: Er bindet mit etwa 1.500 Milliarden Tonnen allein im Humus fast dreimal mehr Kohlenstoff als die gesamte lebende Biomasse, also alle Lebewesen inklusive Bäumen, Sträuchern und Gräsern.

Quelle: Bodenatlas 2015

2. In den Wirtschaftswissenschaften ein Produktionsfaktor neben Arbeit und Kapital. Er ist Standort für wirtschaftliche Aktivitäten und Nutzungen der Landfläche sowie Träger von Rohstoffen. Hinsichtlich der optimalen Allokation seiner Nutzung (Welche Flächen sind für welche Funktionen am besten geeignet?) und hinsichtlich der Preisbildung nimmt Boden eine Sonderstellung unter den Produktionsfaktoren ein, die sich aus seiner Immobilität, seiner limitierten Vermehrbarkeit (Landgewinnung, Meliorationen, Baulanderschließung), seiner steuerlichen Sonderstellung gegenüber anderen Vermögenswerten sowie seiner qualitativen Eigenschaften und geographischen Lagemerkmale ergibt.
Der Boden ist nach G. Flemming wie die Arbeit ein originärer oder ursprünglicher Produktionsfaktor, im Gegensatz zu dem abgeleiteten Produktionsfaktor Kapital.

3. In der Landwirtschaft umfasst der Produktionsfaktor Boden die Betriebsfläche des landwirtschaftlichen Betriebes. Dazu gehören die Hof- oder Gehöftflächen, die landwirtschaftlichen Nutzflächen, die Gewässer, der Wald und gegebenenfalls Anteile an der Allmende. Gleichzeitig ist Boden für die Landwirtschaft Produktionsstandort.

Die Landwirtschaft nimmt bei der Bodennutzung eine geteilte Rolle ein: Sie ist der mit Abstand größte Flächennutzer Deutschlands und weltweit. Etwa die Hälfte unseres Landes wird landwirtschaftlich genutzt. Weltweit sind es 38 Prozent. Dadurch trägt die Landwirtschaft ein hohes Maß an Verantwortung für den Schutz von Boden, Wasser und Luft sowie Pflanzen und Tieren. Die Landwirtschaft ist abhängig von intakten Umweltbedingungen, gleichzeitig aber auch Verursacher von Umweltbelastungen und somit Täter und Opfer gleichzeitig. Wichtiges Steuerungselement ist die Gemeinsame Europäische Agrarpolitik (GAP).

In den letzten Jahren sind die Kauf- und Pachtpreise für landwirtschaftliche Flächen in Deutschland stark gestiegen, insbesondere in den neuen Bundesländern. Diese Preissteigerungen werden in der öffentlichen Diskussion vielfach mit nichtlandwirtschaftlichen und überregional aktiven Investoren in Zusammenhang gebracht. Im internationalen Bereich gibt es zahlreiche Meldungen über groß angelegte Flächenkäufe (sog. „land grabbing“) durch private Firmen, Investmentgesellschaften und (halb-)staatliche Organisationen in fremden, oftmals wirtschaftlich schwachen Regionen. Auch in Deutschland wurde mit Schlagzeilen wie „Bauernland in Bonzenhand“ darauf hingewiesen, dass „millionenschwere Fondsgesellschaften“, „branchenfremde Konzerne und vermögende Privatleute“ den landwirtschaftlichen Boden und die landwirtschaftliche Produktion als attraktive Anlage- und Einkommensmöglichkeit entdeckt haben. Auffällig war das Entstehen von teilweise sehr großen Agrarunternehmen, die mithilfe von branchenfremdem Kapital zahlreiche Betriebe mit umfangreichen Flächen in den neuen Bundesländern übernommen haben und weiterhin am Bodenmarkt aktiv sind. Dies brachte letztlich auch den Berufsstand dazu, Änderungen der Rechtslage zur Erhaltung des Bodens in Händen der bestehenden landwirtschaftlichen Betriebe zu fordern. (Forstner, B. et al. 2012)

In Deutschland wird der Boden im Verhältnis von 39,6 % Eigentumsflächen zu 58,5 % Pachtflächen genutzt. Die übrigen 1,9 % Flächen haben die Landwirte nach den zuletzt aus der Agrarstrukturerhebung 2016 vorliegenden Ergebnissen unentgeltlich zur Bewirtschaftung erhalten. Aufgrund der historischen Entwicklung gibt es regionale Unterschiede, insbesondere zwischen den neuen und alten Bundesländern. Im früheren Bundesgebiet befanden sich 2016 54 % der landwirtschaftlich genutzten Fläche in Pacht und 44 % in Eigentum. In den neuen Bundesländern sind dagegen 67 % in Pacht und 31 % in Eigentum. 

Kaufpreise für landwirtschaftliche Nutzflächen nach Kreisen

Kaufpreise für landwirtschaftliche Nutzflächen nach Kreisen

Der durchschnittliche Kaufwert je Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche liegt deutschlandweit derzeit (2015) bei knapp 20.000 €, mit regional großen Abweichungen nach oben und unten. Mehr als 50.000 € je Hektar werden vor allem im Nordwesten und Südosten Deutschlands erzielt. In Brandenburg, Sachsen, Sachsen‐Anhalt und Thüringen sind es nur 10.000 bis 15.000 € je Hektar.

Die regional unterschiedliche Preisentwicklung wird insbesondere durch die volkswirtschaftlichen Rahmenbedingungen, politische Einflüsse sowie Agrarstruktur und Flächenverbrauch bestimmt. Die inneren Einflussfaktoren, wie zum Beispiel Flächengröße, Bodeneigenschaften, Wasserversorgung, spielen eine untergeordnete Rolle. Nach einer langen Phase relativ konstanter Bodenpreise sind in den letzten Jahren die Kaufwerte deutschlandweit sehr stark angestiegen. So hat sich der durchschnittlich Preis je Hektar zwischen 2007 und 2015 mehr als verdoppelt (rund 110 Prozent: von rund 9.200 auf knapp 20.000 €).

Quelle: IfL

4. Multifunktionalität ist das wesentliche Charakteristikum von Boden im weiteren Sinne. Diese Aufgaben lassen sich in drei Gruppen einteilen:

  1. Ökologische Funktionen. Der Boden ist der Lebensraum für eine Vielzahl von Organismen, die Lebensgrundlage für Pflanzen, Tiere und Menschen, ein effizientes Filter-, Puffer- und Speichersystem sowie ein biologisch-chemischer Reaktor (Abbau und Umsetzung von Streu- und Abfallsubstanzen, Transformation von Schmutz- und Schadstoffen, von organischen Bioziden, Freisetzung und Bindung von Nährstoffen und Bioelementen).
  2. Sozioökonomische Funktionen. Der Boden dient dem Menschen als Produktionsgrundlage für Nahrungs- und Futtermittel sowie pflanzliche Rohstoffe (Fasern, Öle, Heilmittel, Bau- und Brennstoffe). Im weiteren ist er eine Fläche für Siedlung, Produktion, Verkehr, eine Lagerstätte für Bodenschätze und Energiequellen, aber auch für Abfälle; er stellt zudem eine Sachwertanlage dar.
  3. Immaterielle Funktionen. Der Boden ist ein prägendes Landschaftselement und trägt als solches zum Erlebnis- und Erholungswert der Landschaft bei. Er stellt ferner ein Archiv der Natur- und Kulturgeschichte dar, wobei er z.B. frühere Bewirtschaftungspraktiken und Siedlungsreste konserviert, sowie Alltags- und Kultobjekte.
    Flächennutzung Deutschland - Bodenfläche nach Nutzungsarten
    Flächennutzung Deutschland - Bodenfläche nach Nutzungsarten

    1 Summe aus den Nutzungsarten: Gebäude- und Freifläche, Betriebsfläche (ohne Abbauland), Erholungsfläche, Verkehrsfläche und Friedhof.

    Quelle: DESTATIS

    Der Erdboden hat die Fähigkeit, langfristig große Mengen Kohlenstoff zu binden. Dieses Potenzial kann nach einer jüngeren Studie effektiv genutzt werden, um die Zunahme des Treibhausgases Kohlendioxid in der Atmosphäre um ein Drittel zu senken. Gleichzeitig würden auch die Agrarerträge in vielen Regionen deutlich steigen.

    Es gibt eine Reihe einfacher Maßnahmen, die Kohlenstoff-Menge im Boden zu erhöhen, etwa das Mulchen (also das Bedecken des Bodens mit Ernteresten) oder auch die Zugabe von Pflanzenkohle. Die wichtigste Methode ist es aber, den Pflanzenbewuchs (und damit die Ernteerträge) zu steigern: durch Kalkung saurer Böden, durch eine bedarfsgerechte Düngung, durch geschickte Bewässerung. Je mehr auf den Böden wächst, desto besser ist ihre Durchwurzelung, und Wurzeln mit ihren weit verzweigten Geflechten aus organischem Material speichern jede Menge Kohlenstoff. Umgekehrt enthält die organische Substanz essenzielle Nährstoffe für das Pflanzenwachstum und fördert damit den Ernteertrag. Letztlich adressiert eine solche Strategie zwei wichtige Ziele: den Klimaschutz und die Sicherung der Ernährung.
    Die globale Umsetzung des ehrgeizigen Plans ist aber nicht ganz so simpel: zu unterschiedlich sind Qualität und Eigenschaften der Böden an verschiedenen Standorten, zu unähnlich die verfügbaren Bewirtschaftungstechnologien. Um den Kohlenstoff-Eintrag zu erhöhen, sind daher lokal angepasste Maßnahmen erforderlich – man benötigt in den Reisanbaugebieten Asiens komplett andere Strategien als etwa auf einem Getreidefeld in Mecklenburg-Vorpommern. Zudem wirken viele Maßnahmen zur Kohlenstoffspeicherung besonders dann gut, wenn Böden durch langjährige Übernutzung teilweise degradiert sind und viel Kohlenstoff verloren haben. Aus Kosten-Nutzen-Perspektive ist es sicher am sinnvollsten, auf solchen Flächen anzufangen – auch weil die Ernte-Zuwächse dort am größten sein dürften. (IDW 2020)

    Konzeptualisierung der C-Sequestrierungspotenziale in Ackerland

    Konzeptualisierung der C-Sequestrierungspotenziale in Ackerland

    Gewöhnlich geht C nach der Landnutzungsumwandlung von ursprünglichen Ökosystemen (z.B. Moore, Wälder, Grasland) in Ackerland verloren. Die zukünftige C-Speicherung auf landwirtschaftlichen Feldern hängt dann von den landwirtschaftlichen Bewirtschaftungspraktiken ab. Es besteht einerseits die Möglichkeit zur Wiedergewinnung von C durch die Erhöhung des organischen Stoffeintrags im Verhältnis zur laufenden CO2-Freisetzung bei Anwendung der besten Bewirtschaftungspraxis, zur Aufrechterhaltung der C-Bestände durch fortgesetzte gute landwirtschaftliche Praxis oder andererseits zum Verlust von zusätzlichem C durch Intensivierung der Landwirtschaft ohne zusätzlichen C-Eintrag, in der Regel gefolgt von einer Bodendegradation.

    Quelle: Amelung, W. et al. 2020

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