Lexikon des Agrarraums

Kurt G. Baldenhofer

Zuckerrohrplantage in Australien

Nitrate

NO3, Salze der Salpetersäure. Nitrate gehören zu den Hauptnährstoffen im Boden (Bildung durch Mikroorganismen aus dem Luftstickstoff oder aus stickstoffhaltigen organischen Stoffen). Das von den Pflanzen aufgenommene Nitrat wird überwiegend zu Eiweiß und anderen organischen Stickstoffverbindungen umgewandelt. Ein mehr oder weniger großer Teil des Nitrats wird aber auch in Pflanzen gespeichert.

Nitrate kommen u.a. in Grünpflanzen vor. Nitrate finden sich auch in stickstoffhaltigen Düngemitteln. Bei unsachgemäßer Anwendung in der Landwirtschaft können Nitrate mit dem Niederschlagswasser in das Grundwasser bzw. in Oberflächengewässer gelangen und dessen Nitratbelastung erhöhen. In Deutschland verursacht die Landwirtschaft zu 82 % (1994) die flächenhaften Einträge von Nitrat ins Grundwasser. Sehr hohe Nitratkonzentrationen sind oft in Gebieten mit Sonderkulturen (Wein, Gemüse, Obst) nachzuweisen. Punktuelle Einträge von Nitrat aus der Landwirtschaft und anderen Verursacherbereichen sind bei lokaler Relevanz insgesamt von untergeordneter Bedeutung.

Problematisch können hohe Nitratgehalte in pflanzlichen Nahrungsmitteln (z.B. Spinat) aus überdüngten Kulturen oder aus belastetem Grundwasser für den menschlichen Organismus sein, da sich diese im Verdauungsbereich zu Nitriten umwandeln können und letztere mit den Aminen aus eiweißhaltigen Lebensmitteln die krebsverdächtigen Nitrosamine und Nitrosamide bilden. Zuviel Nitrat im Trinkwasser kann in seltenen Fällen für Säuglinge wegen der teilweisen Umwandlung des Nitrats in Nitrit im Körper gefährlich werden. Diese direkte toxische Wirkung des Nitrits beruht auf seiner Eigenschaft, den roten Blutfarbstoff, Hämoglobin, in Methämoglobin umzuwandeln. In dieser Form ist der Blutfarbstoff nicht mehr in der Lage, Sauerstoff zu transportieren. So kann Nitrit bei Babies bis zu einem Alter von 3 Monaten zur "Blausucht" (Methämoglobinämie) führen.

Der Grenzwert für Nitrat im Trinkwasser beträgt in der Trinkwasserverordnung 50 mg/l. Doch trotz der EU-rechtlichen Obergrenze für Wirtschaftsdünger von 170 Kilogramm Stickstoff pro Hektar und Jahr wird in Deutschland an vielen Messstellen der 50-Milligramm-Grenzwert seit Jahren überschritten. Da Nitrat mit den üblichen Trinkwasseraufbereitungsmethoden kaum entfernt werden kann, ist Rohwasser mit einem höheren Gehalt an Nitrat für die Trinkwasserversorgung ungeeignet.

Im Hinblick auf die Nitratauswaschung sind die Wirtschaftsdünger Gülle, Jauche und Stallmist kritischer zu betrachten als die Mineraldünger, da sie sich nicht so gezielt zum optimalen Bedarfszeitpunkt der Pflanzen einsetzen lassen.

Stickstoffeintrag ins Grundwasser in Abhängigkeit von der Kulturart
Kulturart Stickstoffeintrag
[kg/ha]
Weizen 37
Wintergerste 27
Sommergerste 20
Roggen 42
Hafer 23
Mais 131
Rüben, Kartoffeln 83
Raps 61
Erbsen, Ackerbohnen 39
Klee-, Luzernegras 25
Weidegras 40
Grünland 30
Streuobst mit Grünland 30
Reben 30
Obst 28
Spargel 413
Tabak 99
Gemüse 107
Beeren 93
Kleingärten 37
Ödland, Hecken, Feldgehölze 0
Wald 4-67

Quelle: Ministerium für Umwelt Baden-Württemberg (Hrsg.):
Nitrat im Grundwasser, 1991

Die Auffassung, daß es auf Grünland kein, zumindest aber eine viel geringeres Risiko der Nitratauswaschung gäbe als auf Ackerland, ist überholt. Sie ist lediglich für Wiesen zutreffend, nicht aber für Weiden (Weidetierexkremente). Wenn Grünland großflächig umgebrochen wird, kann sich im Grundwasserraum eine Welle hoher Nitratbelastung ausbilden. Nach einigen Jahren fallen die Nitratwerte wieder, bleiben aber als Folge der neuen Nutzung über dem ursprünglichen Niveau.

Nach dem Umbruch von Leguminosen vor der Winterruhe wird der organisch gebundene Stickstoff mineralisiert und kann dann in das Grundwasser ausgewaschen werden.
Bei der Drainierung und Ackernutzung von Moorböden wird die organische Torfsubstanz zunehmend abgebaut, was mit der Freisetzung des organisch gebundenen Stickstoffs und Phosphats verbunden ist.

Werden Sonderkulturen angelegt, so kann die Nitratbelastung selbst bei geringen Flächenanteilen dieser Kulturen auf ein erheblich höheres Niveau als zuvor ansteigen. Der Grund ist meist Überdüngung.

Die Düngermenge wird um so entscheidender, je mehr der Anbau einer Schwarzbrache ähnelt. Das gilt für viele Sonderkulturen, aber auch für die erste Wachstumsperiode von Mais und Hackfrüchten. Dort entscheidet auch der Düngezeitpunkt: je weniger die Pflanzen entwickelt sind und Nährstoffe aufnehmen können, desto größer ist die Gefahr der Auswaschung. Diese Gefahr verschärft sich, wenn der Anbau auf leichten Böden stattfindet. Sie vermögen nur wenig Wasser zu speichern, entsprechend schnell kommt es zur Versicherung.

Durch Anbau von Zwischenfrüchten im Winter, also in der Hauptsickerungsperiode, kann die Nitratauswaschung stark gesenkt werden. Bis zur Grundwasseroberfläche wird Nitrat in nennenswertem Maße nur dann abgebaut, wenn die Böden schwer und sauerstoffarm sind und der Sickerwasserbereich genügend mächtig ist. Die Denitrifikation im Aquifer hängt vor allem davon ab, ob das Wasser sauerstoffarm ist und den Bakterien genügend organische Substanz zur Verfügung steht.

Zivilisatorisch unbeeinflusstes Wasser enthält nur bis zu 8 mg/l Nitrat. Die beispielsweise in Baden-Württemberg gewonnenen Durchschnittswerte einzelner Trinkwasserquellen und des Grundwassers größerer Einzugsgebiete liegen mit 20-30 mg/l Nitrat weit über dem Bereich natürlicher Schwankungen. Als Folge davon wurden im Zeitraum 1980-1989 etwa 20 % der Trinkwassergewinnungsanlagen in Baden-Württemberg stillgelegt.

Der Schwellenwert der Grundwasserverordnung von 50 mg/l wurde im Jahr 2015 an jeder zehnten Messstelle überschritten. Nach wie vor sind die höchsten Nitratkonzentrationen in der nördlichen und südlichen Oberrheinebene, in Teilen des Kraichgaus, im Neckarraum zwischen Stuttgart und Heilbronn sowie in der Region Oberschwaben zu finden. Dort sind die Gründe vor allem in einem hohen Anteil an Ackerflächen sowie in den dort gängigen Sonderkulturen wie Reben oder Gemüse zu suchen.

Zum Schutz der Gewässer vor Verunreinigungen durch Nitrat aus landwirtschaftlichen Quellen wurde im Dezember 1991 eine Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaft erlassen. Nach Artikel 1 hat diese Richtlinie zum Ziel,

Die Richtlinie schreibt u.a. Höchstmengen an Dung pro Hektar vor, und zwar bezogen auf die darin enthaltene Stickstoffmenge.

Bei Berücksichtigung der häufigsten Untersuchungsergebnisse lassen sich die Pflanzenarten hinsichtlich ihres Nitratgehaltes einteilen. Dabei spielen die zum Verzehr bestimmten Pflanzenteile eine besondere Rolle. Hohe Gehalte sind zu erwarten, wenn Blätter, Blattstiele und Hypokotylknollen verwendet werden. Im Gegensatz dazu sind alle Früchte (einschließlich Obst) und Samen nitratarm. Genetisch bedingte Unterschiede sind vorhanden. Die Züchter sind daher bemüht, nitratarme Sorten zu schaffen.

Messnetze für die Nitratüberwachung im Grundwasser

Grundwassermessstellen dienen der Einstufung des Grundwassers in den chemischen Zustand und dienen der Überwachung der Ziele der EU-Nitratrichtlinie. Ziel der EU-Nitratrichtlinie ist der flächendeckend gute Grundwasserzustand mit Nitratkonzentrationen unter 50 mg/l. Zur Überprüfung existieren verschiedene Messnetze.

Das größte Messnetz mit den meisten Messstellen ist das Messnetz zur Berichterstattung nach der Wasserrahmenrichtlinie, das von den Bundesländern betrieben wird. Es umfasst knapp 7.200 Messstellen zur Erfassung des chemischen Zustandes, von denen rund 4.900 so genannte Überblicksmessstellen (kein Handlungsbedarf) und rund 2.300 operative Messstellen (mit Handlungsbedarf) sind. Zudem existieren noch knapp 6.000 Messstellen zur Überwachung des mengenmäßigen Zustandes des Grundwassers.

Für die jährliche Berichterstattung Deutschlands an die Europäische Umweltagentur zum Grundwasserzustand werden rund 1.200 Messstellen verwendet, die repräsentativ für die Flächenaufteilung Deutschlands sein sollen. Daraus ergibt sich eine Messstellendichte von ca. 3,5 Messstellen je 1.000 km². Die Messstellendichte ist aber immer noch deutlich unter dem EU-Durchschnitt. Für die Ausweisung der nitratsensiblen Gebiete nach der Düngeverordnung soll über eine Verwaltungsvorschrift des Bundes bis Ende 2020 sichergestellt werden, dass mindestens eine Messstelle je 50 km² vorhanden ist.

Ein Teil dieses Messnetzes wiederum wird für den alle vier Jahre zu erstellenden Nitratbericht verwendet und soll den landwirtschaftlichen Einfluss auf das Grundwasser abbilden. Dafür wurden im Nitratbericht 2020 692 Messstellen verwendet. Dabei liegen nicht alle Messstellen im Grundwasser selbst, sondern mehr als 100 davon sind Messstellen an Quellen.

Die für die Nitratberichte Deutschlands verwendeten Messstellen der Jahre 2012, 2014, 2016 und 2018 sowie die zugehörigen die Nitratwerte über und unter 50 mg Nitrat / l und die Filtertiefen der Messstellen (sofern vorhanden) finden Sie in dieser Google-Karte.

Weitere Informationen:

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