Lexikon des Agrarraums

Kurt G. Baldenhofer

Zuckerrohrplantage in Australien

Intensivlandwirtschaft

Moderne Landwirtschaft mit dem Ziel, einen möglichst hohen Ertrag pro Flächeneinheit und/oder Tier zu erreichen. Sie ist vor allem durch die Anwendung hochentwickelter, anspruchsvoller Agrartechnik gekennzeichnet. Zu dem Anlagekapital und den Investitionen für Land, Gebäude, Tierbestand und Maschinenpark kommen hohe jährliche Produktionskosten hinzu. Es sind dies einerseits Ausgaben für direkte Energie in Form von menschlicher und tierischer Arbeitskraft, fossiler Brennstoffe und Elektrizität, andererseits Ausgaben für indirekte Energie, wie Dünger, Wasser, Saatgut, Herbizide, Insektizide und andere chemische Erzeugnisse.
Eine Möglichkeit um die relative Intensität der Landwirtschaft auszudrücken ist die Energiedichte, beziehungsweise die Summe der aufgewendeten (direkten und indirekten) Energieäquivalente pro Hektar Land.

Energiedichten und Proteinerträge verschiedener Agrargesellschaften
Energiedichten und Proteinerträge verschiedener Agrargesellschaften

Quelle: Tivy 1993

Im Vergleich des nordamerikanischen Maisanbaus um 1700 (keine Agrarchemikalien, keine Zugtiere oder Maschinen) mit dem von 1983 ergibt sich eine Reduktion des Arbeitsbedarfs von 1.200 auf 10 h/ha. Gleichzeitig erhöht sich der Ertrag von 1,9 t auf 6,5 t/ha. Um dies zu erreichen, müssen jedoch Maschinen (mit fossilem Brennstoff), Dünger und Pestizide eingesetzt werden, teilweise wird künstlich bewässert, das Erntegut wird in großen Anlagen elektrisch getrocknet und für alle Hilfsmittel und Produkte fallen z.T. beträchtliche Transportwege an. Energetisch stehen dem Aufwand um 1700 von 3 GJ/ha (überwiegend in Form menschlicher Arbeit) ein Gewinn von 32 GJ/ha gegenüber, d.h. das Verhältnis von Aufwand zu Ertrag beträgt 10,7. Der moderne Maisanbau benötigt 15mal mehr Energie (44 GJ/ha überwiegend in Form fossiler Energie, u.a. 38 % für Dünger, 21 % für Bewässerung, 12 % für Treibstoff, 10 % für Maschinen, 6 % für Pestizide), um das 3,5fache zu erwirtschaften, d.h. das Verhältnis von Aufwand zu Ertrag beträgt nur noch 2,5.
Zum Teil noch drastischere Differenzen ergeben sich, wenn man den traditionellen Reisbau auf den Philippinen mit dem hochtechnisierten in den USA vergleicht.

Der Reisanbau auf den Philippinen und in den USA
im Hinblick auf die Energiebilanz und den Ertrag
Der Reisanbau auf den Philippinen und in den USA im Hinblick auf die Energiebilanz und den Ertrag

Quelle: Nentwig 1995

Nach einer Modellberechnung wurden (innerhalb der Intensivlandwirtschaft) 80 GJ pflanzliche Biomasse erzeugt, um 3,6 GJ Nahrung für den Menschen herzustellen (Wirkungsgrad 3 %). Da hierfür 35,5 GJ an fossiler Energie benötigt wurden, ergibt sich eine Negativbilanz, bei der gerade der Gegenwert von 10 % der eingesetzten fossilen Energie als Nahrung gewonnen werden konnte.
Im Durchschnitt der US-amerikanischen Landwirtschaft wird seit 1975 mehr Energie verbraucht als erzeugt.

Spuren der Intensivierung

Noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts erzeugte ein Landwirt Lebensmittel für die Versorgung von vier Personen, 1950 konnten bereits zehn Menschen und 2010 sogar 131 Personen von den Erträgen versorgt werden. Grund für diese Produktivitätssteigerung sind technische Fortschritte und der Einsatz von hochleistungsstarken Maschinen, Präzisionstechniken, Dünge- und Pflanzenschutzmitteln sowie Fortschritte in der Züchtung. Dabei geht diese Intensivierung nicht spurlos an der Umwelt vorbei.

Die Landwirtschaft arbeitet in offenen Systemen. Der Einsatz von Maschinen zur Bodenbearbeitung und Ernte sowie die Ausbringung von Pflanzenschutz- oder Düngemitteln findet in der Landschaft statt und beeinflusst den Boden, das Wasser, die Luft und die in der Agrarlandschaft lebenden Tiere und Pflanzen. Die auf Ertragssteigerung ausgerichtete Intensivlandwirtschaft hinterlässt nicht nur eintönige, ausgeräumte Agrarlandschaften. Der Einsatz von schweren Maschinen und die intensive Bodenbearbeitung kann Bodenverdichtungen, eine steigende Gefahr für Wasser- und Winderosionen und einen Verlust der Bodenfruchtbarkeit verursachen. Für Nitratbelastungen des Grundwassers und die Nährstoffüberversorgung (Eutrophierung) von Flüssen, Seen und Meeren ist vor allem die intensive Stickstoffdüngung (organisch und mineralisch) verantwortlich.

Ausgebrachte Pflanzenschutzmittel und in den Düngemitteln enthaltene Schwermetalle, Schadstoffe und Rückstände von Arzneimitteln aus der Intensivtierhaltung stellen weitere potenzielle Gefahren für terrestrische und aquatische Ökosysteme dar. Weitere Folgen sind der Verlust der Artenvielfalt und der mit Landnutzungsänderungen (vor allem Grünlandumbruch, Moornutzung und Rodung von Wäldern), der Ausbringung von Düngemitteln, der Bodenbearbeitung und Tierhaltung verbundene Ausstoß klimawirksamer Treibhausgase. Im Jahr 2016 betrug der Anteil der Landwirtschaft an den gesamten Treibhausgasemissionen Deutschlands 7,3 Prozent (ohne landwirtschaftliche Landnutzung und Landnutzungsänderungen). Sie steht damit noch vor der Industrie auf Platz zwei der Hauptemittenten (Platz eins: Energiebereich 86,3 Prozent).

Die Intensivierung der Landnutzung ist laut Weltbiodiversitätsrat IPBES die Ursache Nr. 1 für den Rückgang der biologischen Vielfalt. Von dieser Vielfalt hängt maßgeblich das Wohlergehen der Menschen abhängt.

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