Lexikon des Agrarraums

Kurt G. Baldenhofer

Zuckerrohrplantage in Australien

Desertifikation

Bezeichnung für die Gefahr und den Vorgang der Wüstenausbreitung, bzw. -bildung, d.h. der Prozess der Zerstörung von (potentiellen) Nutzflächen in ariden, semiariden und trockeneren subhumiden Zonen durch vermutlich irreversible Reduktion des ökologischen Potentials.
Desertifikation bewirkt eine Degradation von Steppen oder Savannen hin zu wüstenähnlichen Landschaften. Meist ist dieser Vorgang nicht ein ständiges Voranschreiten der Wüstenfront, sondern eine Degradation von einzelnen oft unzusammenhängenden Savannen- oder Steppenflächen.

Seuffert (2001) und Mensching & Seuffert (2001) verstehen die Desertifikation als Extremform bzw. Endstufe von "Landschaftsdegradation", "die durch unangepasste, vor allem landwirtschaftliche Nutzungen (Viehhaltung, Ackerbau) lokal (kleinräumig), regional (großräumig) und langfristig möglicherweise sogar zonal wüstenartige Umweltbedingungen in Landschaften entstehen lässt, die vordem keine Wüsten waren", und die in vollem Umfang ausschließlich in den Trockengebieten mit ihrer naturgegebenen Prädisposition ablaufen kann.

Im Unterschied dazu wird Desertifikation im Rahmen der Agenda 21 recht allgemein als Schädigung des Bodens (Degradation) in ariden, semiariden und trockenen subhumiden Regionen beschrieben, die durch verschiedenartige Ursachen einschließlich Klimaschwankungen und Einfluss des Menschen, hervorgerufen wird.

Die UNCCD (United Nations Convention to Combat Desertification) und andere UN-Organisationen definieren Desertifikation als "Landdegradierung in ariden, semiariden und trockenen subhumiden Gebieten aufgrund von vielen Faktoren, einschließlich Klimaänderungen und menschlicher Aktivitäten".

Aufgrund der uneinheitlichen Definition ist auch die räumliche Verbreitung von Desertifikation schwer zu erfassen. Die UNCCD konstatiert in einem Bericht 2013, dass insgesamt 11,8 Mio. km² der als Trockengebiete klassifizierten Flächen (ohne hyperaride Gebiete) von Desertifikationsprozessen betroffen sind (insgesamt 70 % aller Trockengebiete). In Afrika sind die Regionen am nördlichen und südlichen Rand der Sahara, in Ost und Nordost-Afrika insbesondere Kenia, Äthiopien und die Somali-Halbinsel sowie im südlichen Afrika die Randbereiche von Kalahari und Namib am stärksten betroffen oder zumindest stark bedroht. Diese Landschaften umfassen eine Fläche von etwa 5,3 Mio. km² und damit rund 30 % der Fläche Afrikas außerhalb der natürlichen Wüsten mit etwa 65% der gesamten Bevölkerung Afrikas. In Zentralasien sind über 50 % der Landesflächen von Kasachstan, Kirgisistan, Usbekistan, Tadschikistan und Turkmenistan akut von Desertifikation und Landschaftsdegradation bedroht. Auch in Lateinamerika und der Karibik leiden knapp 30 % der Trockengebietsfläche (rd. 1,2 Mio. km²), die 26,5 % der Gesamtfläche Lateinamerikas und der Karibik ausmachen, unter Desertifikationsprozessen. Auch in den Industrie- und Schwellenländern ist Desertifikation ein Problem. Zu den betroffenen Ländern gehören beispielsweise China, Argentinien, Brasilien, und Mexiko sowie die USA und einige Mittelmeeranrainerstaaten. Weltweit sind über 2,5 Milliarden Menschen in 110 Ländern von Desertifikation betroffen oder bedroht.

Globale Karte der Desertifikationsanfälligkeit
Globale Karte der Desertifikationsanfälligkeit

Die Karte der Desertifikationsanfälligkeit basiert auf einer Neuklassifizierung der globalen Bodenklimakarte und der globalen Bodenkarte. Auf der Grundlage des Bodenklimas und der Bodenklassifizierung werden vier Gefährdungsklassen (Vulnerability) definiert.

Quelle: USDA

Indikatoren der Desertifikation

Desertifikationsindikatoren sind Veränderungen im Landschaftsbild, die - nach uneinheitlicher Definition - ganz oder überwiegend aus anthropogenen Einflüssen resultieren und anzeigen, wo entsprechende Prozesse beginnen oder bereits stattgefunden haben. Dadurch kann im Gelände der jeweilige Desertifikationsgrad festgestellt werden.
Man unterscheidet:

Die Ursachen und Verbreitung sind von Kontinent zu Kontinent verschieden. Anthropogene und natürliche Faktoren überlagern und verstärken sich dabei. Beispielsweise werden die Tropfen der im Sahel sehr intensiven Regen bei abnehmender Vegetationsbedeckung nicht mehr gebremst, zerstören die Bodenaggregate, und nachfolgend werden Bodenporen mit Feinmaterial aufgefüllt. Verstärkt durch Krustenbildung bei anschließender Austrocknung wird damit die Bodenoberfläche zunehmend versiegelt, die Infiltration vermindert. Der so verstärkte Oberflächenabfluss besitzt eine höhere erosive Wirkung.

Anthropogene Faktoren:

Natürliche Faktoren:

Mehr als ein Drittel (ca. 5,2 Mrd. ha) der eisfreien Landoberflächen gelten als Trockenräume. Zwei Drittel (ca. 3,6 Mrd. ha) dieser Trockengebiete sind bereits durch Desertifikation in Mitleidenschaft gezogen oder verwüstet. Auf 2,6 Mrd. ha ist die Vegetation degradiert (ohne bisher nachweisbare Bodendegradation) und auf etwa 1 Mrd. ha sind auch die Böden degradiert. Jahr für Jahr werden weitere 6 Mio. ha landwirtschaftliche Nutzfläche vollständig und irreversibel verwüstet. 21 Mio. ha LN/Jahr werden zumindest so stark geschädigt, dass eine weitere ökonomische Landbewirtschaftung nicht mehr möglich ist. Mehr als 850 Mio. Menschen leben in Trockengebieten, 250 Mio. Menschen davon gelten als von der Wüstenausdehnung direkt oder indirekt betroffen.

(s. a. Aralsee-Syndrom)

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