Lexikon des Agrarraums

Kurt G. Baldenhofer

Zuckerrohrplantage in Australien

Betriebsgröße

Üblicherweise wird die Betriebsgröße nach dem Umfang der bewirtschafteten Fläche angegeben, weil sie ein quantitativ eindeutiges Maß darstellt und weltweit statistisch erfasst ist. Allerdings besteht in der landwirtschaftlichen Betriebslehre kein allgemeingültiger Begriffsinhalt für die Betriebsgröße. Es ist vielmehr erforderlich in Abhängigkeit von der Art des zu lösenden Problems einen geeigneten Maßstab zur Größenmessung festzulegen. Als optimale Größe eines Betriebes gilt aus betriebswirtschaftlichem Blickwinkel jene, bei der der Gewinn (bzw. die Gewinnkapazität) des betreffenden Betriebes den maximalen Umfang erlangt hat.

Mögliche quantitative Kriterien zur Messung der Betriebsgröße
  • Mengeneinsatz von Produktionsfaktoren wie z.B.
    - Umfang der landwirtschaftlich genutzten Fläche
    - Anzahl der gehaltenen Nutztiere
    - Anzahl der beschäftigten Arbeitskräfte
  • Werte der eingesetzten Produktionsfaktoren wie z.B.
    - Einheitswert des landwirtschaftlichen Betriebes
    - Aktivvermögen
    - Summe des Betriebsaufwandes
  • Ertragskennwerte und Erfolgskennwerte wie z.B.
    - Betriebsertrag
    - Bereinigter Betriebsertrag
    - Gewinn
 

Eine geringe Aussagekraft für die Größe eines landwirtschaftlichen Betriebes besitzt der jeweilige Arbeitskräftebesatz. Würde man die Betriebsgröße an der Zahl der eingesetzten Arbeitskräfte messen, so müssten beispielsweise die heute in den USA realisierten durchschnittlichen Betriebsgrößen als relativ klein bezeichnet werden.

Der Nutzflächenumfang als Maßstab des Mengeneinsatzes von Produktionsfaktoren in einem landwirtschaftlichen Betrieb ist ebenfalls problematisch geworden, seit sich die Abhängigkeit zwischen der Flächenausstattung und der Ausstattung mit anderen Produktionsfaktoren im Verlaufe des wirtschaftlichen Wachstums, der Spezialisierung und der technologischen Entwicklungen zunehmend gelockert hat.

Deutschland

Die Art des technischen Fortschrittes hat in Deutschland einen starken Einfluss auf die Entwicklung der Betriebsgrößen bzw. die Agrarstruktur gehabt. Da während der Industrialisierungsphase der landwirtschaftliche Fortschritt mit zunehmendem Arbeitseinsatz pro Flächeneinheit verbunden war, sanken bis kurz nach dem Ersten Weltkrieg tendenziell die durchschnittlichen Betriebsgrößen. Der schon hohe Anteil der Betriebe unter 20 Hektar an der gesamten Nutzfläche nahm zwischen 1882 und 1925 sogar noch zu, von 58,3 Prozent auf 65,7 Prozent (alte Bundesländer), während alle anderen Betriebsgrößen Anteile verloren. Zwischen 1925 und 1939 stagnierte der Agrarstrukturwandel bei minimalen Flächenzugewinnen der Betriebe zwischen 10 und 50 ha. Nach 1949 verstärkte sich diese Tendenz in der Bundesrepublik, während in der DDR die Zwangskollektivierung zu großbetrieblichen Agrarstrukturen führte. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg begann der technische Fortschritt spürbar Druck auf Klein- und später Mittelbetriebe auszuüben. Nach 1970 gewann der Strukturwandel in der Bundesrepublik deutlich an Fahrt und beschleunigte sich nach 1990 noch einmal vor allem zugunsten der Betriebe über 100 Hektar. In den alten Bundesländern bearbeiteten 2007 Betriebe über 50 Hektar fast 64 Prozent der Nutzfläche, während dies 1970 nur 12,5 Prozent gewesen waren. Der Anteil der Betriebe von unter 20 Hektar sank im gleichen Zeitraum von 51,4 Prozent auf 13,2 Prozent. In den neuen Bundesländern haben sich die großbetrieblichen Agrarstrukturen nach der Wende im Wettbewerb halten können und Betriebe über 100 Hektar kontrollieren gegenwärtig 93 Prozent der Nutzfläche. (Kopsidis 2015)

Landwirtschaftliche Nutzfläche nach Betriebsgrößen
Landwirtschaftliche Nutzfläche nach Betriebsgrößen

Quelle: Kopsidis, ECONSTOR 2015

1995 lag die Durchschnittsgröße der landwirtschaftlichen Betriebe auf der Fläche des früheren Bundesgebietes bei 22,3 ha. Dies entspricht einer Aufstockung um 34,7 % gegenüber 1985. Die mittlere Betriebsgröße variiert regional stark, bedingt durch Unterschiede im Erbrecht, in der Topographie und Geschichte. So liegt sie im Süden und Südwesten zwischen 13 und 18 ha, im Nordwesten zwischen 20 und 40 ha und in den neuen Bundesländern zwischen 190 und 360 ha. Im unteren Bereich gibt es zwischen Ost und West kaum Unterschiede. Generell wirtschaften rd. 45 % der Agrarbetriebe mit einer Flächenausstattung unter 10 ha LF. Hingegen gibt es in der Größenklasse über 100 ha LF im früheren Bundesgebiet rd. 9.800 Betriebe, die insgesamt jedoch nur über 12,5 % der LF verfügen. In den neuen Ländern dagegen werden über 90 % der LF von den rd. 6.500 Betrieben dieser Größenklasse genutzt.

Während sich in den alten Bundesländern ein stabiler Trend zur allmählichen Vergrößerung der Betriebseinheiten durchsetzt (1949: 8,1 ha; 1970 11,7 ha; 1990: 18,7 ha; 1995: 22,3 ha), nimmt die Durchschnittsgröße je Betrieb in den neuen Bundesländern noch von Jahr zu Jahr ab (1989: 2.000, 1991: 284,5 ha; 1993: 208,7 ha; 1995: 182,1 ha).

2018 erreichte die durchschnittliche Flächenausstattung der landwirtschaftlichen Betriebe in Gesamtdeutschland 62,4 ha LF. 

Betriebsgrößenstruktur landwirtschaftlicher Betriebe nach Bundesländern
Landwirtschaftliche Betriebe in Deutschland und ihre Flächen nach Größenklassen

Quelle: Destatis (1.9.2019)

Die Bestimmung einer optimalen Betriebsgröße für Mitteleuropa ist angesichts der Vielgestaltigkeit des Agrarraums und in Ermangelung eines eindeutigen ökonomischen und ökologischen Optimums zumindest bislang nicht möglich. Noch weniger macht sie Sinn in einem globalen Bezug. Ein Optimum ist nur dann zu definieren, wenn man eine Zielhierarchie unter bestimmten Bedingungen und für einen bestimmten Raum vorgibt. So ist die Aussagekraft einer universellen Betriebsgrößen-Klassifizierung in mehrfacher Hinsicht eingeschränkt:

In den Ländern der EU schwankt die durchschnittliche Betriebsgröße zwischen 4 ha in Griechenland und 64 ha in Großbritannien. Zieht man den Kuhbesatz als Kriterium heran, so reicht die Spannbreite von 4 Kühen je Betrieb in Griechenland über 200 Kühe in den neuen Bundesländern zu 865 Kühen im Vereinigten Königreich.
In den USA wird eine Betriebsgrößenklassifizierung nicht nach der Flächenausstattung sondern nach dem Verkaufserlös (annual sales) für Agrarprodukte vorgenommen. Die wesentlich früher und in stärkerem Maße einsetzende Marktorientierung der amerikanischen Farmer und die bessere Vergleichbarkeit der Daten legte eine solche Klassifizierung nahe.

Größenklassen US-amerikanischer Farmen (Studie des U.S. Department of Agriculture)
Größenklassen US-amerikanischer Farmen

Quelle: Windhorst, 1987

Mega-Farmen

Außerhalb der für unsere mitteleuropäischen Maßstäbe fassbaren Dimensionen liegen die seit einigen Jahren aufgekommenen Mega-Farmen. Bei diesen Farmen handelt es sich meist um größere Einzelfarmen, die aber unter einem gemeinsamen Dach operieren. Die Zeitschrift agrarheute (2020) listet einige der größten Farmkomplexe und ihre Besitzer auf:

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