Lexikon des Agrarraums

Kurt G. Baldenhofer

Zuckerrohrplantage in Australien

Flurbereinigung

Häufig auch Flurneuordnung; die Umgestaltung von zersplitterter oder unwirtschaftlich gestalteter land- und z.T. forstwirtschaftlicher Nutzfläche nach betriebswirtschaftlichen, landschaftsplanerischen und ökologischen Gesichtspunkten.

Die Flurbereinigung, amtlich oft "Umlegung" genannt, ist als traditionsreiches Ordnungsinstrument des Staates eine klassische Maßnahme zur Verbesserung der Agrarstruktur und dies besonders in der Nachkriegszeit. Sie ist bis heute ein wirksames Verfahren zur rechtsverbindlichen Veränderung ländlicher Strukturen in der Zuständigkeit einer Behörde. Damit unterscheidet sie sich stark von der agrarstrukturellen Entwicklungsplanung.

Flurneuordnungsverfahren haben z. B. in Deutschland eine lange Tradition. Gemeinheitsteilung, Separation oder Verkoppelung waren seit dem 19. Jahrhundert Verfahren, deren Ziel die Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen in der Land- und Forstwirtschaft waren. Mittlerweile hat sich die Zielstellung der Flurneuordnung geändert.

Die reine Neuordnung ländlichen Grundbesitzes der traditionellen Flurbereinigung ist heute ergänzt durch Aufgaben zur Förderung der allgemeinen Landeskultur und der Landentwicklung.

Durch sie soll nicht nur die Gemarkung neu eingeteilt und durch Erbteilungen zersplitterter und unwirtschaftlich gewordener Grundbesitz nach neuzeitlichen betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten zusammengelegt (Arrondierung) werden, sondern auch Wege, Gräben und gemeinschaftliche Anlagen sollen neu geschaffen, Meliorationen vorgenommen und die Ortslagen (z.B. durch Aussiedlungen) aufgelockert werden. Hinzu treten nach dem Flurbereinigungsgesetz (FlurbG, Fassung vom 16.3.1976, zuletzt geändert durch Gesetz vom 23. 8.1994) auch alle sonstigen Maßnahmen, durch welche die Grundlagen der Wirtschaftsbetriebe verbessert werden, der Arbeitsaufwand vermindert und die Bewirtschaftung erleichtert wird.

Zunehmend sind im FlurbG die Interessen des Umweltschutzes und der Ökologie, aber auch der Erholung, des Denkmalschutzes oder der Landespflege beachtet, wobei die Flurbereinigung verstärkt Biotope schützen soll.

So ist die Flurbereinigung heute ein umfassendes Instrument zur Entwicklung und zur Verbesserung der strukturellen Bedingungen des ländlichen Raumes. Gleichzeitig bietet sie die Möglichkeit, die unterschiedlichen Interessen der Allgemeinheit an den ländlichen Räumen - unter Wahrung der Eigentümerbelange - auszugleichen und Konflikte zu lösen. Die vielfältigen Ansprüche der Gesellschaft an den ländlichen Raum verändern den Neuordnungsauftrag der Flurbereinigung. So gewinnt diese wegen der zunehmenden Inanspruchnahme ländlicher Gebiete und des Bedarfs an Mehrfachnutzungen von Grund und Boden im ökonomischen, ökologischen und sozialen Sinn neue Bedeutung.

Es wird auch die enge Verbindung von Flurbereinigung und Dorferneue­rung deutlich. Letztere wird insbesondere wegen des Verfalls der alten Bausubstanz, der fehlenden Attraktivität der Dorfkerne, eines hohen Auspendleranteils, einer selektiven Abwanderung von Bevölkerung, einer sozialen Segregation und eines Verlustes von zentralen Funktionen nötig.

Die in den Jahren 1991 bis 1994 in den alten Bundesländern bereinigte Fläche belief sich auf 555.759 ha. Für diesen Zweck wurden in dieser Zeitspanne insgesamt 883,4 Mio. DM an Bundesmitteln und 588,9 Mio. DM an Landesmitteln aufgewandt. Hinzu kamen 1,3 Mrd. DM an Eigenleistungen, Zuschüssen Dritter und Darlehen, so daß die Gesamtaufwendungen 2,7723 Mrd. DM betrugen.

In den neuen Ländern sind Verfahren zur Feststellung und Neuordnung der Eigentumsverhältnisse nach dem Landwirtschaftsanpassungsgesetz von großer Bedeutung. Trotz enormer Anstrengungen auf diesem Gebiet ist das getrennte Eigentum von Boden und Gebäuden weiterhin ein großes Investitionshemmnis. Als Lösungsinstrumente werden freiwillige Landtausche und Bodenordnungsverfahren zur Zusammenführung von Boden- und Gebäudeeigentum eingesetzt. Ungeklärte Eigentumsverhältnisse sind auch für weitere Aspekte der Agrarraumgestaltung hemmend. So besteht dringender Handlungsbedarf hinsichtlich der Verdichtung des landwirtschaftlichen Wegenetzes, der Bereitstellung landwirtschaftlicher Nutzfläche für Belange des Natur- und Landschaftsschutzes, der Sanierung und des Neuaufbaus von biotischen Landschaftselementen, landschaftsarchitektonischer Aspekte sowie der Sanierung bzw. Renaturierung des Grünlandes und der Gewässer.

Wenn auch die Ziele der Flurbereinigung untereinander gleichrangig sind, bildet die Hilfe für die Land- und Forstwirte und ihre Familien einen Aufgabenschwerpunkt. Die sinnvolle Neuordnung ländlichen Grundbesitzes soll heute die Erfordernisse des Umweltschutzes zur Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen berücksichtigen und damit der Erhaltung und Stärkung einer funktions- und wettbewerbsfähigen bäuerlichen Land- und Forstwirtschaft dienen. Grundsätzlich bleibt es ein wichtiges Anliegen der Flurbereinigung, mit ihren Maßnahmen zur Senkung der Maschinen- und Betriebskosten sowie zur Verminderung des Arbeitszeitaufwandes zur Existenzsicherung von bäuerlichen Betrieben beizutragen.

Die Geschichte der Flurbereinigung ist mehrere hundert Jahre zurückzuverfolgen. Die ältesten Beispiele von Gemarkungsregulierungen findet man in Deutschland im 16. Jh. durch die sogenannte Vereinödung im Raum Allgäu/Oberschwaben. Eine weitere, flächenhafte Verbreitung und Wirkung erlangte die Flurneuordnung in Deutschland erst mit den Agrarreformen des 19. Jahrhunderts. In deren Gefolge kam es zunächst zur Aufhebung bzw. Ablösung der alten Grundherrschaftsrechte und zur Aufteilung des Gemeindelandes (Allmende). Zur Überwindung des Flurzwanges stand in den ersten Jahrzehnten der Feldwegebau im Vordergrund. Erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts konzentrierten sich die Maßnahmen der Flurbereinigung auf eine Zusammenlegung der in der Flur zerstreuten Feldstücke. Dies geschah auf Länderbasis. Die erste reichseinheitliche Regelung erfolgte durch das Reichsumlegungsgesetz von 1936 und die Reichsumlegungsordnung von 1937.

Zusammenfassung der weiteren Entwicklung:

Die Flurbereinigung wird in einem behördlich geleiteten Verfahren innerhalb eines bestimmten Gebietes - dem Flurbereinigungsgebiet - unter Mitwirkung der Gesamtheit der beteiligten Grundeigentümer, der Träger öffentlicher Belange und der landwirtschaftlichen Berufsvertretung durchgeführt. Die Flurbereinigungsbehörde ist planerisch, technisch und hinsichtlich der Verwaltung verantwortlich für die Durchführung des Verfahrens.

Die bei der Durchführung eines Flurbereinigungsverfahrens anfallenden Kosten werden unterteilt in Verfahrenskosten und Ausführungskosten. Verfahrenskosten sind die persönlichen und sächlichen Kosten der Behördenorganisation und werden vom Land getragen. Ausführungskosten sind die der Teilnehmergemeinschaft zur Last fallenden Aufwendungen. Für die Finanzierung von Vorhaben des Naturschutzes und der Landschaftspflege können sowohl die Teilnehmergemeinschaft wie auch öffentliche Stellen herangezogen werden.

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