Lexikon des Agrarraums

Kurt G. Baldenhofer

Zuckerrohrplantage in Australien

Gemeinheitsteilung

Die Teilung von vormals, im altrechtlichen Sinne gemeinschaftlich genutzten land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken (Gemeinheiten), sowie die Ablösung land- und forstwirtschaftlicher Nutzungsrechte nach altem Herkommen.

Sie erfolgte zunächst auf freiwilliger, später auf gesetzlicher Grundlage (Gemeinheitsteilungsordnung 1821 in Preußen, 1832 in Sachsen, nach 1848 in Thüringen, Bayern und Baden). Die Gemeinheitsteilung ist eine Form der Bodenordnung nach Landesrecht, die den modernen Verfahren der Flurbereinigung ähnelt.

Die sogenannten offenen, stark parzellierten Felder (open-field-System) aus der Zeit vor den Gemeinheitsteilungen wurden sowohl individuell als auch genossenschaftlich genutzt. Das gemeinschaftliche Eigentum und die unterschiedlichen Nutzungsberechtigungen erschwerten eine intensivere Bewirtschaftung. Die teilweise extrem schmalen Flurstücke setzten Absprachen zwischen den Bauern voraus. Triftrechte und Weiderechte verhinderten ebenfalls eine weitgehend individuelle Nutzung des Landes.

Gemeinheitsteilungen und damit häufig einhergehende Verkoppelungen standen in Europa am Ende eines langen Prozesses, in dessen Verlauf zuvor gemeinschaftlich bewirtschafteter Boden einer individuellen Nutzung zugeführt wurde. Vom Spätmittelalter bis ins 18. Jahrhundert hinein erfolgten solche Privatisierungen überwiegend in kleinen Schritten, indem Kolonisten, altansässige Bauern oder Gutsherren sich einzelne Parzellen aus den Gemeindeländereien aneigneten. Dieser Prozess erfolgte aber nicht linear, sondern unterlag oft auch gegenläufigen Entwicklungen.

Neben dieser langsamen, die Frühneuzeit durchziehenden Entwicklung hin zu einer individualisierten Landwirtschaft lassen sich für einzelne Räume auch radikale Brüche mit den gemeinschaftlichen Bewirtschaftungsformen feststellen. Einige dieser regionalen Sonderentwicklungen ragen heraus, so vor allem die frühen enclosures in Teilen Englands im 17. und 18. Jahrhundert, aber auch die Vereinödungen im Allgäu oder die Einschlagsbewegung in Teilen der Schweiz. Vor allem die englischen Erfahrungen dienten zum Vorbild, als seit den 1760er Jahren staatliche Behörden überall in Europa die durchgreifende und endgültige Aufteilung aller Gemeinheiten anordneten.

Die fehlenden individuellen Nutzungsmöglichkeiten, die dadurch eingeschränkte Verfügungsfreiheit über das Land und die durch die starke Parzellierung weiten Wege bei der Feldbestellung führten nunmehr zu verstärkten Versuchen, die Parzellen durch Zusammenlegungen zu verringern und eine individuelle Nutzung zu ermöglichen.

Individuelle Nutzungen waren bei den Gemeinheitsflächen (engl. commons) dagegen von vornherein weitgehend ausgeschlossen; alle Gemeindebewohner nutzten die gemeinsamen Flächen, wobei die Nutzungsrechte nach Hofklassen meist differenziert waren. Kennzeichnend für die Gemeinheiten war das Auseinanderklaffen von Nutzungsrechten und tatsächlicher Nutzung: viele landlose Dorfbewohner waren auf die Gemeinweiden angewiesen. Übernutzung in Folge der Bevölkerungszunahme im 18. Jahrhundert und Konflikte um die Nutzungsrechte (auch zwischen mehreren, an den Gemeinheiten beteiligten Gemeinden) prägten in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts zunehmend das Bild und förderten Bestrebungen zur Aufhebung der individuellen Nutzung. (Schneider 2002)

In Deutschland gab es noch Anfang des 19. Jahrhunderts vielfältigen Allgemeinbesitz und Nutzungsberechtigungen an landwirtschaftlichen Flächen. Allgemeinbesitz war die Mark (Feldmark) oder auch Allmende (ahdt. algimeinida). Gewöhnlich wurde die Mark als Wald oder Weide, auch Waldweide genutzt, viele Flächen waren Ödland oder Moor. Nutzungsberechtigt waren die ansässigen Bauern als Markgenossen, aber auch adelige Betriebe der Gemarkung. Das gemeinschaftliche Eigentum und die unterschiedlichen Nutzungsberechtigungen erschwerten eine intensivere Bewirtschaftung. Mit der Privatisierung wurden Produktivitätssteigerungen erzielt, die entsprechende Aufteilungsmaßnahmen in den deutschen Ländern gegen Ende des 18. Jahrhunderts auslösten. Eine umfassende Aufteilung begann jedoch erst im 19. Jahrhundert nach der Zeit Napoleons.
Neben diesem gemeinschaftlichen Eigentum gab es auch Nutzungsberechtigungen, die auf dem Grundeigentum lasteten.

Hierzu zählten Nutzungsberechtigungen

Die Gemeinheitsteilung, unerlässliche Ergänzung der Bauernbefreiung, führte notwendigerweise auch zur Flurbereinigung, zur Aufhebung der Gemengelage und zur Auflösung der mittelalterlichen Feldgemeinschaft. Das gemeinschaftliche Eigentum wurde bei der Gemeinheitsteilung auf die Berechtigten aufgeteilt oder die Berechtigten wurden mit Geld entschädigt. Dadurch entstanden auch kleine Splittergrundstücke, die nach Möglichkeit zusammengelegt wurden. In Hannover, Schleswig-Holstein und Oldenburg wurde diese Zusammenlegung Verkopp(e)lung genannt, in Bayern wurde sie zuerst Flurbereinigung genannt. Bei Reallasten (Nutzungsberechtigungen am Grundstück) musste der Grundstückseigentümer den Berechtigten für die Ablösung entschädigen.

Bei diesen Verfahren wurden die von den Bauern individuell genutzten, aber stark parzellierten Flächen neu verteilt, so dass größere Parzellen und ein neues Wegesystem geschaffen wurde. Durch die Arrondierung wurde die Produktivität der Betriebe gefördert, da sich Wege verkürzten, weniger Zugvieh nötig wurde und die eigenen Flächen besser in Aufsicht standen. Allerdings unterblieben in Deutschland weitgehend Aussiedlungen von Höfen, so dass die alten Dorfstrukturen erhalten blieben.

Die Gemeinheitsteilung veränderte entscheidend das dörfliche Gefüge in sozialer, rechtlicher und wirtschaftlicher Hinsicht und trug auch wesentlich zur Bildung eines ländlichen Proletariats bei, indem viele landarme und landlose Bauern ohne Entschädigung Nutzungsrechte verloren und dadurch der Grundlage für eine bescheidene Viehhaltung beraubt wurden.

Mit der Gemeinheitsteilung wurde die Voraussetzung einer raschen kapitalistischen Entwicklung der Landwirtschaft geschaffen. Ende des 19. Jh. war die Gemeinheitsteilung im Wesentlichen abgeschlossen.

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