Renaturierung
Überführung anthropogen veränderter Lebensräume in einen naturnäheren, ursprünglich vorhandenen Zustand mit der Möglichkeit einer natürlichen, ungestörten Weiterentwicklung. Mit Renaturierung ist keine Rückkehr zu einem wie auch immer gearteten Ur- oder Idealzustand gemeint. Vielmehr geht es darum, den Umgang mit terrestrischen Ökosystemen sinnvoll auszugestalten und in nachhaltigen Grenzen zu halten sowie gleichzeitig einen Beitrag zum Klimaschutz und Klimaanpassung zu leisten.
Der angestrebte natürliche oder quasinatürliche Zustand (Regeneration) betrifft nicht nur Formenelemente (z.B. Bachmäander), Flora und Fauna, sondern auch den Stoff-, Wasser- und Energiehaushalt der jeweiligen Landschaftsausschnitte. Dazu trägt auch eine geringere Nutzungs- bzw. Eingriffsintensität bei. Bei Aufhören der Nutzung ist dies verbunden mit dem Zulassen der natürlichen Sukzession. Der Begriff "Nutzung" ist dabei weit gefasst und beinhaltet menschliche Einwirkungen aller Art (einschließlich Naturschutzmanagement), nicht nur Landnutzung im konventionellen Sinne. Dies erlaubt eine schrittweise Annäherung an ein vorher bestimmtes Umweltziel (z.B. Renaturierung von Fließgewässern mit entsprechendes Entwicklungszielen, naturnaher Waldumbau, Wiedervernässung von Mooren und Rehabilitation von Graslandökosystemen).
Passive Renaturierung | Belastungen und Eingriffe werden reduziert, Ökosysteme regenerieren sich von selbst durch natürliche Prozesse wie zum Beispiel Sukzession. |
Aktive Renaturierung | Wiederherstellung von Ökosystemstrukturen und -funktionen wird aktiv initiiert oder unterstützt. |
Rekultivierung | Anderweitig genutzte Flächen (z. B. Bergbau) werden für Landwirtschaft, Waldbewirtschaftung oder Freizeitnutzung wieder nutzbar gemacht. |
Revitalisierung | Bestimmte abiotische Standortfaktoren und Ökosystemfunktionen werden wiederhergestellt. |
Ökologische Sanierung | Starke Umweltbelastungen werden zur Verbesserung der abiotischen Bedingungen aktiv beseitigt. |
Die Dringlichkeit zur Renaturierung
Die Degradierung von Ökosystemen ist das Ergebnis der Nutzungsformen, Landnutzungsänderungen bzw. Intensivierung in Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Fischerei sowie der Zunahme der Siedlungs- und Verkehrsfläche. Diese direkt landnutzungsbedingten Faktoren werden verstärkt durch Eutrophierung, Schadstoffeinträge, invasive Arten und Klimawandel. Die Folgen sind gravierend – auch für uns Menschen. Geschädigte Ökosysteme können viele ihrer Leistungen nur noch eingeschränkt oder gar nicht mehr erbringen, beispielsweise die Lebensmittelproduktion, die Kohlenstoffspeicherung oder die Regulierung des Wasserhaushalts.
Auch können sie Störungen, etwa durch Waldbrände oder die Einwanderung gebietsfremder Arten, weniger gut abpuffern. Klimawandelbedingte Extremereignisse, beispielsweise Dürren oder Starkregen, erhöhen diese Risiken. Renaturierungsmaßnahmen sind daher dringend notwendig, um die Widerstands- und Anpassungsfähigkeit von Ökosystemen zu fördern und Synergien mit Klimaschutz und -anpassung zu schaffen. Dies gilt innerhalb und außerhalb von Schutzgebieten und sogar auch für naturferne Ökosysteme wie Ackerflächen oder Stadtparks. In der Regel müssen sich dafür die Praktiken der Flächennutzung verändern. Nicht immer erfordert Renaturierung allerdings, den menschlichen Einfluss zu reduzieren oder sogar zu minimieren, oftmals sichert gerade eine bestimmte, naturverträgliche Art von Bewirtschaftung vielfältige Ökosysteme. (SRU 2024)
Heimische Renaturierung vs. Druck auf Ökosysteme andernorts
Eine Renaturierungspolitik, die einen erhöhten Import von nicht nachhaltig erzeugten land- und forstwirtschaftlichen Produkten nach sich zieht, würde den ökologischen Fußabdruck Deutschlands in der Welt erhöhen. Renaturierungserfolge im Inland würden somit durch größere Umweltschäden im Ausland erkauft. Dies erfordert, parallel zur Verbesserung heimischer Ökosysteme generell den Nutzungsdruck auf Flächen zu verringern. Hierfür sind Maßnahmen in verschiedenen Sektoren erforderlich: Im Ernährungssektor muss die tierbasierte Ernährung und in der Folge die Nutztierhaltung schrittweise, aber im Ergebnis erheblich, verringert werden, da die dafür erforderliche Produktion von Futtermitteln sehr flächenintensiv ist.
Akzeptanz von Renaturierung
Renaturierung kann im erforderlichen Maßstab nur gelingen, wenn Maßnahmen in Zusammenarbeit mit relevanten Akteuren vor Ort und der Öffentlichkeit partnerschaftlich entwickelt und umgesetzt werden. Es gilt, regionalökonomische Chancen einer Renaturierungswirtschaft zu nutzen und zu kommunizieren. Landwirtschaft und Forstwirtschaft sollten beim Umstieg auf veränderte Landnutzungsformen unterstützt werden.
Mögliche Missverständnisse
Zwei Missverständnisse gilt es hinsichtlich der Renaturierung von Ökosystemen auszuräumen. Erstens ist das Ziel von Renaturierungsmaßnahmen nicht, einen Naturzustand frei von menschlichem Einfluss wiederherzustellen, der in Mitteleuropa ohnehin seit langem praktisch nicht mehr anzutreffen ist. Zwar ist die intensive Landnutzung eine der Hauptursachen für den Verlust von Biodiversität, allerdings kann extensive Nutzung durch den Menschen vielfach auch die Biodiversität fördern: So wurden in Europa viele artenreiche Kulturlandschaften wie Wiesen, Weiden und Heiden vom Menschen geschaffen und genutzt. Zahlreiche der in ihnen lebenden Tiere und Pflanzen profitieren von einer extensiven Bewirtschaftung und Pflege dieser Flächen oder sind sogar davon abhängig. Zweitens bedeutet Renaturierung nicht, dass ein statisch definierter Zielzustand erreicht werden soll. Menschliche Aktivitäten und Umweltveränderungen werden auch zukünftig erhebliche Auswirkungen auf Ökosysteme haben.
EU-Verordnung zur Wiederherstellung der Natur
Weil die Natur vielfach bereits in einem schlechten Zustand ist, gewinnt das Anliegen der Renaturierung immer mehr an Relevanz. So haben die Vereinten Nationen die Jahre 2021 bis 2030 zur „UN-Dekade zur Wiederherstellung von Ökosystemen“ ausgerufen. Mit Blick darauf hat die Europäische Union eine Verordnung zur Wiederherstellung der Natur erarbeitet.
Mit der EU-Verordnung zur Wiederherstellung degradierter Ökosysteme sollen die Leistungen, die eine intakte Natur für die Menschen erbringt, erhalten werden – fruchtbare Böden, Trinkwasserversorgung, Bestäubung, Schutz vor Naturgefahren sowie Freizeit und Erholung. Letztendlich geht es darum, die vom Menschen versursachten Schäden an der Natur zu reparieren und damit unsere Lebensgrundlage zu bewahren. Die Verordnung sieht vor, dass die Mitgliedstaaten hierzu Wiederherstellungspläne erstellen.
(s. a. Rekultivierung)
Weitere Informationen:
- Renaturierung: Biodiversität stärken, Flächen zukunftsfähig bewirtschaften (SRU 2024)
- Verordnung zur Wiederherstellung der Natur (Wikipedia)
- Verordnung zur Wiederherstellung geschädigter Ökosysteme (umweltbundesamt.at)