Lexikon des Agrarraums

Kurt G. Baldenhofer

Zuckerrohrplantage in Australien

Bewässerung

Die Bewässerung dient zum Ausgleich der für die Bodennutzung jahreszeitlich oder ganzjährig fehlenden Niederschläge, häufig auch zur Düngung durch mitgeführte Nährstoffe. Sie ermöglicht den Anbau jenseits der Grenze des Regenfeldbaus, die je nach Temperatur bzw. Verdunstung, Kulturart und Bodenstruktur zwischen 250 und 1.000 mm/a liegt. Zudem wird durch die reichlichere und gleichmäßigere Verfügbarkeit von Wasser eine höhere Flächenproduktivität erzielt, eventuell mit mehreren Ernten pro Jahr. Auch bei geringen Besitzgrößen kann durch Bewässerung die Existenz einer Familie gesichert werden (Ackernahrung).

Die Profiltiefe eines bewässerungswürdigen Bodens soll etwa 120 bis 200 cm betragen. Damit ist eine genügende Durchwurzelung und eine normale Feuchtigkeitsreserve gewährleistet. Die Wasserdurchlässigkeit und die Infiltrationsgeschwindigkeit sollten in der Größenordnung von 10-3 cm/s sein.

Der Salzgehalt des Bewässerungswassers kann den Pflanzen schaden. Daher darf die elektrische Leitfähigkeit des Wassers 250 Mikrosiemens nicht überschreiten (ca. 1,5 g Salz pro Liter). Gutes Bewässerungswasser enthält möglichst wenig Natrium, weil dieses das Bodengefüge zerstört.

Dauerhaft funktionierende Bewässerung setzt voraus:

Weniger als zehn Prozent der Weltanbaufläche sind vollständig auf Bewässerung angewiesen, insgesamt könnte man schätzungsweise nicht mehr als 20 Prozent bewässern.
Vom International Irrigation Management Institute wird geschätzt, daß die Verluste an Bewässerungsflächen (Absinken des Grundwasserspiegels, Umleitung des Wassers in Städte) die Flächengewinne durch neue Projekte z. Z. übersteigen.
Bewässerung war bei den antiken Hochkulturen schon vor über 5.000 Jahren verbreitet. Mit Hilfe der aus feuchteren Gebirgen stammenden Flüsse Indus, Euphrat, Tigris und Nil wurden die umgebenden Trockengebiete in Wert gesetzt. Um die Zeitenwende wurden in China mehrere 100.000 ha Ackerland bewässert. In Europa, vornehmlich in Spanien, erfuhren die Bewässerungskulturen einen starken Aufschwung, als die Mauren ihre Wasserbautechnik einführten. Auch im vorkolumbianischen Amerika gab es Bewässerung, z.B. in der peruanischen Küstenwüste. Diese Gebiete liegen in den wechselfeuchten Subtropen und Tropen, auf die auch heute der größte Teil der bewässerten Flächen entfällt.

Bewässerungskulturen waren wegen erheblicher technischer und organisatorischer Schwierigkeiten nur in straff organisierten Gemeinwesen möglich. Der Zerfall solcher gefestigten Strukturen führte meist auch zum Verfall der Bewässerungskulturen.

Eine effizientere Nutzung von Bewässerungswasser setzt bei den Verlustgrößen an, zunächst bei der Reduzierung der Bodenverdunstung (Evaporation), der Versickerungsrate und des oberflächlichen Abflusses durch geeignete Verfahren und schließlich bei der Transpiration der Pflanzen (Entwicklung neuer Sorten, Einsatz von Transpirationshemmern).

(s. a. Bewässerungswirtschaft)

Erschlossene Bewässerungsfläche (Mio. ha) pro Weltregion in den Jahren 2005 bis 2009
Region Fläche Mio. ha Region Fläche Mio. ha
Nordafrika 6,4 Osteuropa 4,9
Afrika südlich der Sahara 7,2 Mittlerer Osten 23,6
Nordamerika 35,5 Zentralasien 14,7
Mittelamerika und Karibik 1,9 Süd- und Ostasien 173,6
Südamerika 11,6 Australien und Neuseeland 4,0
West- und Mitteleuropa 17,8 Andere pazifische Inseln 0,0
Welt 300,9    

Quelle: Rickmann / Sourell (2014)

Bewässerung in Deutschland

Deutschlandweit waren 2015 691.300 ha landwirtschaftliche Fläche mit Bewässerungsanlagen ausgestattet; davon wurden etwas mehr
als die Hälfte (365.600 ha) tatsächlich bewässert – überwiegend durch Beregnungsanlagen. Dies entspricht 2,2 % der landwirtschaftlichen Fläche.

77 Prozent des Beregnungswassers kamen 2015 aus dem Grundwasser, wozu auch Quellwasser und Uferfiltrat zählen. Jeweils rund 11 Prozent stammen von Oberflächengewässern (Flüsse, Seen, Teiche) bzw. von öffentlichen und privaten Versorgungsnetzen. Das Bundesland mit der größten bewässerten Fläche (206.900 ha in 2012) ist Niedersachsen. Neben Standorten im Osten Niedersachsens (z. B. Lüneburger Heide), befinden sich Beregnungsgebiete im westlichen Nordrhein-Westfalen, in Sachsen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern. Die bewässerten Flächen werden vorwiegend intensiv bewirtschaftet bei vergleichsweise geringem Niederschlag (< 600 mm Niederschlag) und meist leichten Böden. Bewässerte Kulturen sind u. A. Getreide, Kartoffeln, Zuckerrüben und Sonderkulturen wie Zierpflanzen, Obst und Gemüse.

Im Vergleich zum europäischen Jahresdurchschnitt von 36 % und bis zu 60 % in den Sommermonaten verursacht die landwirtschaftliche Bewässerung in Deutschland nur einen geringen Anteil von 1,5 % (0,3 Mrd. m³) der Gesamtwasserentnahmen.

Durch den Import landwirtschaftlicher Erzeugnisse nach Deutschland wird auch ein Teil des im Ausland zur Bewässerung eingesetzten Wassers importiert (Wasserfußabdruck). 2010 wurden 65,7 Millionen Tonnen an landwirtschaftlichen Erzeugnissen und Ernährungsgütern nach Deutschland eingeführt. Das dafür aufgewandte Bewässerungswasser (auch „blaues Wasser“ genannt) entfiel zu etwa 77 % auf Importe pflanzlicher Erzeugnisse und zu 23 % auf Importe tierischer Erzeugnisse. Die wesentlichen Länder, in denen die Produkte für Deutschland angebaut und bewässert werden, sind Spanien, Frankreich, die Vereinigten Staaten und Italien. Zum Beispiel importierte Deutschland 2013 etwa 180.000 Tonnen Tomaten allein aus Spanien. Das entspricht einer virtuellen Wassermenge von knapp 15 Mm³ pro Jahr.

Traditionelle Bewässerung in Europa

Die historische Bewässerung in Europa ist nicht vergleichbar mit den großen Bewässerungs-Zivilisationen. Aber auch sie war eine Grundlage erfolgreicher Landbewirtschaftung, und zwar seit dem Neolithikum. Bewässerung war und ist unverzichtbarer Teil landwirtschaftlicher Bodennutzung in Europa. Sie prägte über viele Jahrhunderte ländliche Arbeitsweisen, Sozialgefüge und Alltagskultur.

Die Bedeutung traditioneller Bewässerung in Europa wird heute häufig unterschätzt. Leibundgut/Vonderstrass (2016) belegen dies mit zwei Beispielen: In Frankreich betrugen die bewässerungsfähigen Flächen 1966 ca. 560.000 ha. Erstaunlich ist dabei, dass 365.000 ha über traditionelle Bewässerung betrieben wurden und 195.000 ha über Sprinklerbewässerung. Da anfangs des 20. Jahrhunderts 1.000.000 ha bewässert waren, muss der Anteil der traditionellen Bewässerung noch höher gewesen sein. Die französischen Hauptverbreitungsgebiete lagen in den Alpen, den Pyrenäen, den Vogesen und dem Zentralmassiv. Ein zweites Beispiel liefert Russland. Dort sollen in der europäischen Bewässerungszone mit Schwerpunkt zwischen Wolga und Ural einst fast 5 Mio. ha Land bewässert worden sein.

Im Mittelmeerraum war und ist die Bewässerung Voraussetzung für eine ertragreiche Landwirtschaft. Partiell ist dort Land ohne Bewässerung überhaupt nicht kultivierbar. Bewässerung ist in diesen semiariden und subhumiden Trockengebieten, wie auch in den intramontanen Trockeninseln, vorwiegend Feldbewässerung. In den feuchteren Gebieten Europas, meist nördlich der Alpen, dient die Bewässerung der Intensivierung der Landwirtschaft. Sie ist eine Zusatzbewässerung und war früher meist Wiesenbewässerung. Sie hat besonders in Mitteleuropa über Jahrhunderte des Charakter ganzer Regionen geprägt. Ertragssicherung, Ertragssteigerung und Verbesserung der Futterqualität standen im Vordergrund. Die Funktionen Anfeuchtung, Düngung und Kolmatierung waren die Pfeiler der traditionellen Bewässerung. Seit der Antike ist sie schriftlich belegt, dann folgte das politische Chaos des großen Umbruchs im Frühmittelalter, und ab dem beginnenenden Hochmittelalter liegen wieder Schriftdokumente in zunehmend größerem Umfang vor.

Weitere Informationen:

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