Lexikon des Agrarraums

Kurt G. Baldenhofer

Zuckerrohrplantage in Australien

Zuckerrübe

Die Zuckerrübe (Beta vulgaris) gehört zur Familie der Fuchsschwanzgewächse (Amaranthaceae). Die Zuckerrübe ist eine zweijährige, fremdbefruchtete Langtagpflanze. Die Wuchshöhe beträgt 0,5 bis 2 Meter. Im ersten Jahr entwickelt sie im vegetativen Entwicklungsstadium oberirdisch eine Blattrosette und eine zu einem weißen Rübenkörper verdickten Wurzel (bis zu 20 Prozent Saccharose). Im zweiten Jahr bildet die Rübe einen Blütenstand und Samen.

Herkunft und Ansprüche

Die Kulturformen Zuckerrübe, Mangold, Futter- / Runkelrübe und Rote Bete gehen alle aus der wahrscheinlich an der Mittelmeer- und Nordseeküste beheimateten Gemeinen Rübe oder Wild-Bete (B. vulgaris L. ssp. maritima (L.) THELL.) hervor.

Die Zuckerrübe entstand gegen Mitte des 18. Jahrhunderts durch Züchtung aus der Futterrübe (Runkelrübe), weist jedoch im Gegensatz zu dieser einen viel kleineren Fruchtkörper auf. Primäres Selektionsziel war die Erhöhung des Zuckergehalts. Dieser konnte von 8 % auf 20 % bei heutigen modernen Zuckerrüben gesteigert werden. 

Erstmals wies der Chemiker Andreas Sigismund Marggraf 1747 den Zuckergehalt der Runkelrübe nach. Nach der erfolgreichen Selektion der weißen schlesischen Rübe, schuf Franz Carl Achard 1801 die Grundlagen der industriellen Zuckerproduktion. Die erste Rübenzuckerfabrik der Welt entstand in Cunern in Schlesien. Aber erst ab 1830 blühte der Zuckerrübenanbau in Europa wirklich auf und der Rübenzucker konnte mit dem importierten Rohrzucker konkurrieren. Ende des 19. Jahrhunderts begann die Mechanisierung des Zuckerrübenanbaus durch die Einführung des Wanzleber Pflugs und der Drillmaschine.

Zuckerrüben sind besonders im Jugenstadium frostempfindlich und bevorzugen gemäßigte Temperaturen, viel Licht und gemäßigte Niederschlagsmengen. Sie mag tiefgründige nährstoffreiche Böden mit guter Wasserführung. Am besten eignen sich humose Lehm- und Lössböden, ungeeignet sind arme, trockene Sandböden, zähe Tonböden und alle flachgründigen, nassen Bodenarten. Der Wasserbedarf der Zuckerrübe ist besonders im Juli und August hoch. Die Zuckerrübe bevorzugt deutlich kühlere Temperaturen als das Zuckerrohr und wird daher vor allem in den gemäßigten Breiten von 40 bis 60° der nördlichen Hemisphäre kultiviert, speziell in Europa und im europäischen Teil Russlands. Kleinere Anbaugebiete entwickelten sich auch im amerikanischen Mittleren Westen und im NO Chinas sowie in weiteren Ländern.

Anbau und Ernte

In Mittel- bzw. Nordeuropa wird die Zuckerrübe im Frühjahr ausgesät, in den Mittelmeerländern in den Monaten Oktober bzw. November. Die Ernte erfolgt dann im nachfolgenden Sommer.

Geerntet wird im ersten Vegetationsjahr. In diesem Zeitraum erfolgt die Speicherung von Reservestoffen. Der Zuckergehalt ist zum Ende der ersten Vegetationszeit am höchsten. Die Rübenernte erfolgt in Mitteleuropa zwischen September und Dezember mit Bunkerköpf-Roder (Köpfung und Rodung in einem Arbeitsgang).. Bei der Ernte werden die Rüben zunächst geköpft. Die Rübenköpfe mit den Blättern werden zu Futter verarbeitet. Die Rübenkörper gelangen in die Zuckerproduktion. Dazu werden die Rüben gereinigt, zerkleinert und eingemaischt. Der Zucker wird durch Auslaugung (Diffusion) gewonnen. Der Rohzuckersaft wird gereinigt, eingedampft und durch Abkühlung zur Kristallisation gebracht. Ein Nebenprodukt des Verfahrens ist die eiweiß- und noch zuckerreiche Melasse, die als Futter oder zur Hefezüchtung verwendet wird. Weißer Zucker unterscheidet sich von braunem Zucker durch einen zusätzlichen Reinigungsschritt (Raffination).

Die Zuckerrübe hat eine geringe Selbstverträglichkeit (Rübenmüdigkeit), daher ist eine weitgestellte Fruchtfolge sinnvoll.

Nutzung

Die Zuckerrübe ist die wirtschaftlich bedeutendste Unterart aus der Gruppe der Beta-Rüben und der Hauptzuckerlieferant der gemäßigten Breiten. Durch selektive Züchtungsverfahren liegt der Zuckergehalt der Zuckerrübe heute bei bis zu 20 %.

Zuckerrüben sind Basis für verschiedene Lebensmittel und Zutaten, sie liefern vor allem Zucker in verschiedenen Angebotsformen (Haushalts-, Kristall-, Puder-, Kandis-, Gelierzucker). Aus Zucker werden Kunsthonig (Invertzucker), Karamell und der als Lebensmittelfarbstoff verwendete Zuckerkulör gewonnen. Zuckerrübensirup, auch Rübenkraut genannt, ist ein aus gesäuberten und gekochten Rüben gewonnener, eingedickter Saft, der zu 60 Prozent aus Zucker besteht.

Nebenprodukte der Zuckerherstellung dienen als Futtermittel (Rübenköpfe, ausgelaugte Rübenschnitzel, Blätter) oder zur Herstellung von Melasse. Melasse wird ebenfalls als Futtermittel sowie als Nährlösung bei der biotechnischen Herstellung von Alkohol und Zitronensäure verwendet. Rübenblätter werden das zum größten Teil als Gründüngung wieder in den Boden eingearbeitet wird.

Für die Produktion von Bioethanol und Biogas gewinnt die Zuckerrübe als energiereiches Substrat zunehmend an Bedeutung.

Auch ihre Bedeutung als nachwachsender Rohstoff nimmt zu, etwa bei der Erzeugung abbaubarer Werkstoffe (Plastik, Verpackungen) oder kosmetischer Produkte.

Zuckerrübensirup („Rübenkraut“), teilweise auch Melasse, wird als Brotaufstrich gegessen, vor allem in den Anbaugebieten. Rübenkraut ist aber auch deutschlandweit im Handel erhältlich.

Heute stammt etwa ein Drittel des Zuckers weltweit aus Zuckerrüben. 2016 wurden weltweit auf etwa 4,5 Millionen Hektar Zuckerrüben angebaut. Haupanbauländer waren 2017 Russland, Frankreich, Deutschland, USA und die Türkei.

Im Jahr 2015 wurden in den USA auf 471.000 Hektar und somit nahezu ausschließlich gentechnisch veränderte, herbizidresistente Zuckerrüben angebaut. Mit 15.000 ha GVO-Zuckerrübenanbaufläche in Kanada (auch fast die gesamte kanadische Zuckerrübenanbaufläche) zusammen umfassen die Anbauflächen der beiden Länder nahezu die gesamte weltweite GVO-Zuckerrübenanbaufläche von 486.000 ha, was wiederum ca. 11 % der weltweiten Anbaufläche entspricht.

In Deutschland wurden im Wirtschaftsjahr 2016/17 in 28.509 landwirtschaftlichen Betrieben Zuckerrüben angebaut, die in 20 Zuckerfabriken zu Zucker verarbeitet wurden. Bei einer Anbaufläche von 299.692 ha – eine Steigerung von etwa 18 Prozent im Vergleich zu 2015/16 – wurden insgesamt 22,5 Millionen Tonnen Rüben verarbeitet. Dies entspricht im Vergleich zum Vorjahr einem Anstieg von ca. 24 Prozent. Die Zuckererzeugung 2016/17 betrug insgesamt 3,566 Millionen Tonnen – ein Anstieg von 21,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Der durchschnittliche Zuckerertrag lag bei 11,9 Tonnen pro Hektar und war somit 2,9 Prozent höher als im Vorjahr. 

In der EU bestand seit 1968 die Europäische Zuckermarktordnung, ein Regelwerk aus Quoten, Zöllen und Subventionen zum Schutz der heimischen Produktion von Zucker in Form des Anbaus von Zuckerrüben. Dadurch entwickelte sich die Europäische Union, die bis dahin ein Nettoimporteur von Zucker gewesen ist, zu einem Exporteur von Zucker. Im Jahr 2005 setzte die Welthandelsorganisation (WTO) durch, dass der Export von Zucker aus der EU auf 1,4 Millionen Tonnen jährlich begrenzt wurde. Gleichzeitig wurde eine Importfreigabe für die ärmsten Exportländer von Zucker bestimmt, um diese bei ihrer Entwicklung zu unterstützen. Die Europäische Zuckermarktordnung lief am 30. September 2017 aus.

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