Viehhaltung
Betriebszweig, innerhalb landwirtschaftlicher oder gewerblicher Betriebe zur Produktion tierischer Nahrungsmittel, von Rohstoffen oder zur Bereitstellung von Arbeitsleistung. Dabei wird der Viehbestand durch eigene Nachzucht oder durch Zukauf ergänzt, die Viehzucht steht aber nicht im Vordergrund. Viehhaltung ist gewöhnlich synonym zu (Nutz)Tierhaltung, oft auch zu Viehwirtschaft.
Viehhaltung macht gut 1,4 % des globalen BSP aus und beschäftigt etwa 20 % der Weltbevölkerung. Sie erwirtschaftet mehr als 40 % des Wertes der globalen Agrarwirtschaft und ist ein wichtiger Bestandteil des Lebensunterhalts und der Ernährungssicherung von mehr als 1 Mrd. Menschen. Das tägliche Überleben von fast zwei Dritteln der sehr armen ländlichen Bevölkerung hängt zumindest teilweise von Vieh ab. (FAO nach Schmied 2018)
Nutzungen und Funktionen von Viehhaltung
- Erzeugung tierischer Nahrung zum direkten Verbrauch
- Verkauf von Tieren oder tierischer Produkte
- Vieh als Vermögensanlage (Kreditsicherheit, Krisenzeiten)
- Verwertung von Farmabfällen (auch hygienische Funktion)
- Beitrag zum Zurückdrängen von Insekten und Unkräutern
- Nutzung von Dung zur Bodenverbesserung
- Vieh als Zugtiere (Feldbestellung, Warentransport)
- Beitrag zur Landschaftspflege
- Nutzung der tierischen Gülle als Energiequelle
- Viehhaltung als integraler Bestandteil vieler Kulturen
In der Verbreitung der wichtigsten Nutztierarten gibt es große geographische Unterschiede, die vor allem klimatische Gegebenheiten und kulturell-religiöse Präferenzen widerspiegeln.
Die sehr verschiedenen Formen der Viehhaltung lassen sich auf drei Grundtypen reduzieren (Steinfeld et al. 2006):
- Weidesysteme (grazing systems): Sie nutzen nach Schätzungen ca. 26 % der eisfreien Landoberfläche. Bei ihnen stammen mehr als 90 % der Trockenmasse von natürlichen oder bewirtschafteten Weiden, von Grünfutter und nur relativ wenig von gekauftem Futter.
Eine meist mobile, extensive Haltung vor allem von Rindern, Schafen, Ziegen oder Kamelen erfolgt in Trockengebieten. Intensive Weidesysteme finden sich in den temperierten Zonen und in einigen Teilen der humiden Tropen. Im Gegensatz zur oft kollektiv betriebenen extensiven Weidewirtschaft dominiert bei der intensiven die individuelle Form mit klaren Eigentumsrechten. - Gemischte Systeme (mixed systems): Dabei ist die Produktion von Pflanzen und Tieren (Ackerbau und Viehhaltung) innerhalb eines Betriebes integriert. In diesen Betrieben müssen mehr als 10 % der Trockenmasse, die Tieren verfüttert wird, von Erntenebenprodukten oder Getreideresten stammen, alternativ muss der Produktionswert aus nicht-tierischen Farmaktivitäten mehr als 10 % ausmachen. Global gesehen sind diese Betriebe, zu denen u. a. die meisten Kleinbauern in den Entwicklungsländern gehören, für 54 % der Fleisch- und 90 % der Milchproduktion verantwortlich.
- Industrielle Viehhaltungssysteme (industrial systems): Bei diesen Systemen ist die Tierproduktion räumlich von der Produktion des Futters und der Entsorgung der tierischen Abfälle getrennt. Sie erfolgt unabhängig von den lokalen/regionalen Ressourcen und wird durch die Fütterung von Getreide, Kleie, Ölsaaten und Hülsenfrüchten, Ölkuchen, Wurzeln, Knollen und Fischmehl sowie durch auf diese Fütterung ausgerichtete Züchtungen ermöglicht. Die Produktion wird zwar oft als "landlos" bezeichnet, was sich aber nur auf die Tatsache bezieht, dass die Tiere (v. a. Schweine und Geflügel) sehr dicht in Stallungen gehalten werden und damit fast völlig aus der Landschaft verschwunden sind, und weil die Tiere physisch von dem Land getrennt sind, das sie ernährt. In Wirklichkeit ist der Landbedarf der industriellen Viehsysteme groß, sie benötigen global gesehen etwa ein Drittel des Ackerlandes zur Produktion von Futter.
Die extremste Form der intensiven Viehhaltung erfolgt in sogenannten Feedlots, das sind Endmastbetriebe, in denen Rinder, Schweine, Pferde, Schafe oder Geflügel auf das Schlachten vorbereitet werden.
In Deutschland ist die Landwirtschaft alleine nach Geld bemessen nur noch wenig bedeutend. Gemeinsam mit Fischerei und Forstwirtschaft macht sie weniger als ein Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung aus. Die Tierhaltung ist ihr wichtigster Produktionszweig. Von den über 50 Mrd. Euro, die die deutschen Landwirte erwirtschaften, entfallen etwa 11 Mrd. Euro auf die Milcherzeugung, 7,5 Mrd. Euro auf Schweinefleisch, 4 Mrd. Euro auf Rind- und Kalbfleisch und etwa 2,3 Mrd. Euro auf Geflügelfleisch.
Der Fleischverbrauch hat in den vergangenen zehn Jahren relativ konstant bei etwas mehr als 7 Millionen Tonnen gelegen. Dagegen hat sich die Fleischproduktion – gemessen an der Schlachtmenge – um fast 23 Prozent auf rund 9 Millionen Tonnen im Jahr 2016 erhöht.
Schweinefleisch ist in Deutschland nach wie vor die wichtigste Fleischart. Von 1996 bis 2016 ist der Pro-Kopf-Verbrauch allerdings von 55 auf 51 Kilogramm gesunken. Demgegenüber ist die Schlachtmenge in den letzten 20 Jahren von rund 3,6 Millionen auf rund 5,6 Millionen Tonnen stetig angestiegen. Seit 2005 ist Deutschland daher Nettoexporteur und mittlerweile der weltweit größte Exporteur von Schweinefleisch.
Eine besonders rasante Entwicklung von Produktion und Verbrauch ist beim Geflügelfleisch zu beobachten. Im Vergleich zum Schweinefleisch haben sich sowohl Produktion als auch Verbrauch nach oben entwickelt. Die Schlachtmenge bei Geflügel ist von etwas über eine halbe Million Tonnen im Jahr 1996 auf mehr als 1,5 Millionen Tonnen im Jahr 2016 gestiegen und hat damit in ihrer Bedeutung die Rindfleischproduktion überholt. 2016 haben die Deutschen 1,7 Millionen Tonnen Geflügelfleisch verbraucht, dies entspricht einem Pro-Kopf-Verbrauch von rund 21 kg je Einwohner.
Die Schlachtmenge von Rindfleisch ist von rund anderthalb Millionen Tonnen im Jahr 1996 auf gut eine Million Tonnen im Jahr 2016 zurückgegangen. Der Rindfleischverbrauch reduzierte sich – im Wesentlichen bedingt durch die Verbraucherverunsicherung im Zusammenhang mit BSE und der Maul- und Klauenseuche – zunächst auf unter eine Million Tonnen im Jahr 2006 und verzeichnete seitdem einen Wiederanstieg auf 1,2 Millionen Tonnen. 2016 wurden in Deutschland rund 14 kg Rind- und Kalbfleisch pro Kopf verbraucht.
Die Produktion und der Verbrauch von Schaf- und Ziegenfleisch haben in Deutschland im Vergleich zu den anderen Fleischarten eine deutlich geringere Bedeutung. Einer Schlachtmenge von 33.000 Tonnen steht (nach offizieller Statistik) ein Verbrauch von 75.000 Tonnen an Schaf- und Ziegenfleisch gegenüber.
Ein deutlicher Zuwachs der Erzeugung seit den letzten zehn Jahren ging mit einem drastischen Strukturwandel einher. Mithilfe neuer Produktionsmethoden wie Melkmaschinen, automatisierter Fütterung oder Ställen mit Spaltenböden, die das Ausmisten unnötig machen, können mehr Tiere mit weniger Arbeitskräften versorgt werden. Gleichzeitig steigt die Fleischmenge pro Tier durch Züchtung und intensivere Fütterung. Nur so sehen viele Familienbetriebe, die immer noch den größten Teil der deutschen Landwirte stellen, eine Möglichkeit, ihre Produktion fortzuführen. Die neuen Methoden erfordern in der Regel beträchtliche Investitionen in Maschinen und Gebäude. Dies führt einerseits dazu, dass Betriebe, die sich das nicht leisten können, ausscheiden. Andererseits fördert es die Spezialisierung in der Landwirtschaft, da große Investitionen meist nicht in mehreren Betriebszweigen gleichzeitig möglich sind. Bauernhöfe, auf denen mehrere Tierarten gehalten werden, werden damit immer mehr zur Ausnahme.
Während die Erzeugung von Geflügelfleisch in Deutschland seit 1994 um mehr als drei Viertel gestiegen ist, ging nach Angaben des Statistischen Bundesamtes die Zahl der Betriebe, die Masthühner halten, um 95 Prozent von knapp 70.000 auf 4.500 zurück. Bei der Schweinefleischerzeugung ergibt sich ein ähnliches Bild: Nahm die Produktion in den letzten zwanzig Jahren um fast die Hälfte zu, sank die Zahl der Betriebe um fast 90 Prozent auf etwa 27.000. 1994 gab es noch mehr Schweinehalter als Milchviehbetriebe in Deutschland. Heute sind es fast dreimal mehr Milchbetriebe als Schweineerzeuger, obwohl auch fast zwei Drittel die Milcherzeugung aufgegeben haben. Die Milcherzeugung nahm wegen der bis April 2015 geltenden Quotenregelung nur um etwa 15 Prozent zu.
Während die Erzeugung von Fleisch und Milch in den letzten zehn Jahren deutlich zugenommen hat, blieb der Verbrauch relativ konstant oder wuchs deutlich langsamer als zuvor. 1994 importierte Deutschland noch mehr Schweine- und Geflügelfleisch als es exportierte. Durch den Produktionsanstieg ist mittlerweile ein Exportüberschuss bei allen Fleischarten entstanden. Die Importe legten ebenfalls zu, allerdings langsamer als die Exporte.
Die Exporte in Länder außerhalb der EU finden überwiegend in Form von standardisierten Produkten wie Milchpulver, Schweinehälften und gefrorenen Hühnerteilen (Keulen oder Flügel) statt. Damit diese Waren wettbewerbsfähig sind, müssen die Erzeugerpreise auf dem Niveau des Weltmarktes liegen. Um dies zu erreichen, setzen die meisten Betriebe auf Größenwachstum, um durch Rationalisierung die Kosten zu senken. Dies ist ein weiterer Treiber des Strukturwandels und lässt den Betrieben kaum Spielraum, um in Tier- und Umweltschutz zu investieren.
(s. a. Animal feeding operation, bodenunabhängige Viehhaltung, Concentrated animal feeding operation, Feedlot, Massentierhaltung)
Weitere Informationen:
- Der große Strukturwandel (Fleischatlas, Heinrich Böll Stiftung u. a. 2021)
- Nutztierhaltung und Fleischproduktion in Deutschland (BLE, Thünen-Institut)
- Steckbriefe zur Tierhaltung in Deutschland: Ein Überblick (BLE, Thünen-Institut 2019)
- Livestock and the environment (FAO)