Lexikon des Agrarraums

Kurt G. Baldenhofer

Zuckerrohrplantage in Australien

Rinderhaltung

Bezeichnung für verschiedene Systeme zur Produktion von Rindern und deren Erzeugnissen. Die wichtigsten Erzeugnisse sind Milch und Rindfleisch, das wichtigste Nutztier ist das Hausrind.

Rinderhaltung hat eine lange Tradition: bereits vor etwa 10.000 Jahren wurden Auerochsen domestiziert. Seither liefern Rinder neben Milch, Fleisch, Leder oder Fellen auch Gülle oder Jauche und Mist, die in der Landwirtschaft als natürliche Düngemittel oder auch als Brenn- und Baumaterial eine wichtige Rolle spielen. Außerdem erfüllen besonders Ochsen in vielen Teilen der Welt noch heute als Zugtiere für Karren oder zum Pflügen eine wichtige Funktion. Ferner sind Robustrassen wie das Schottische Hochlandrind, Ungarisches Steppenrind, Heckrind, Galloway-Rind oder südeuropäische Primitivrassen wie Sayaguesa ein wichtiger Faktor in der Landschaftspflege und im Naturschutz (Almwirtschaft). Mit Beginn der Mechanisierung der Landwirtschaft im 20. Jahrhundert verlor das Rind als Zugtier besonders in Industrieländern an Bedeutung.

Der Zuchtfokus auf zwei wesentliche Nutzungsarten begann ab 1700 und dominiert bis heute: Rinder sind entweder auf Fleischproduktion oder auf hohe Milchproduktion spezialisiert. Nur wenige Rassen sind auf Doppelnutzung gezüchtet, zumal die Unterschiede auch genetisch verwurzelt sind.

Zu den Milchrassen gehört die in Deutschland am weitesten verbreitete Rasse, die Deutsche Holstein. Die Tiere können rot- oder schwarzbunt sein. Als reine Milchrasse bekannt sind auch die Jersey-Rinder und das Deutsche Braunvieh.

Fleischrassen liefern ausschließlich Fleisch. Ihre Milch wird lediglich für die Aufzucht der Kälber verwendet, zum Beispiel bei der Mutterkuhhaltung. Beispiele für Fleischrassen sind Charolais, Limousin, Aberdeen Angus, Hereford und Galloway.

Zweinutzungsrassen werden als Milch- und als Fleischlieferanten genutzt. Fleckvieh als Vertreter der Zweinutzungsrassen ist dabei die in Deutschland insgesamt am zweithäufigsten vorkommende Rasse.

Neben Fleisch und Milch liefert das Rind heute auch noch eine Vielzahl von anderen Produkten beziehungsweise Rohstoffen.

Etwa die Hälfte aller Landwirte in Deutschland hält Rinder, um Milch, Fleisch oder beides zu erzeugen. Damit sind Rinder ökonomisch gesehen die wichtigsten Nutztiere der deutschen Landwirtschaft. Während die Zahl der Rinderhalter sinkt, steigen die Herdengrößen: Über zwei Drittel der Rinder leben in Betrieben, die mindestens 100 Tiere halten.

In der Fleischproduktion der Rinder wird im Wesentlichen zwischen Kälbermast, Färsen- und Jungkuhmast, Ochsenmast und Jungbullenmast unterschieden. Die Jungbullenmast ist die bedeutendste Produktionsmethode in Deutschland.

Deutschland ist der größte Milcherzeuger der Europäischen Union und nach Frankreich der zweitgrößte Erzeuger von Rind- und Kalbfleisch.

Moderne Rinderhaltung

Moderne Rinderhaltung heißt, Tierschutz, Verbraucherwünsche und Ökonomie in Einklang zu bringen. Das Haltungssystem, das heißt die Art und Weise, wie das Umfeld der Rinder gestaltet ist, die Konstruktion des Stalls und die Fütterung sind von der Art der Erzeugung – Milch, Rind- oder Kalbfleisch – abhängig. Es gibt spezielle Haltungssysteme für Milchkühe, Bullen und Kälber.

In Deutschland leben drei von vier Rindern in Laufställen, in denen sie sich relativ frei bewegen können. Die Ausgestaltung dieser Ställe variiert erheblich. Die Spannbreite reicht von Ställen, deren Boden komplett aus Betonspalten besteht (meist Rindermastbetriebe), bis hin zu großzügig bemessenen Boxenlaufställen, in denen jeder Milchkuh eine mit Einstreu (zum Beispiel Stroh) gepolsterte Ruhezone zur Verfügung steht.

Daneben ist, insbesondere auf kleineren Höfen, noch die Anbindehaltung anzutreffen: Hier stehen die Tiere angebunden in Reihen nebeneinander und können lediglich aufstehen oder sich hinlegen. Etwa jedes fünfte Rind wird in Deutschland so gehalten.

Unabhängig von der Haltungsform im Stall hat etwas mehr als jedes dritte Rind im Sommer regelmäßigen Weidegang, im Durchschnitt etwa ein halbes Jahr lang. Das Weiden von Kühen leistet einen wichtigen Beitrag für die Pflege des Grünlands.

Der Platzbedarf für die Tiere in der Intensivtierhaltung soll zwar möglichst minimiert werden, jedoch sind mit der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung teilweise Grenzwerte festgelegt. Über acht Wochen alte Kälber dürfen so nur in Gruppen bis zu drei Tieren pro Bucht bei einer Mindestbodenfläche von 6 Quadratmeter gehalten werden um sich ohne Behinderung umdrehen zu können.

Extensive Haltungsformen

Bei extensiven Mastverfahren wachsen die Tiere langsamer und erreichen das Schlachtgewicht später als bei der intensiven Mast. Die Unterbringung der Rinder erfolgt überwiegend in eingestreuten Ställen. Vor allem frühreife Rassen wie Angus, aber auch Färsen und Ochsen ( männliche, kastrierte Rinder) werden überwiegend extensiv gemästet. Einerseits nehmen sie nicht so schnell zu wie die intensiv gemästeten Tiere. Andererseits neigen sie zum Verfetten und dürfen deshalb auch nicht so energiereich gefüttert werden.

Färsen werden je nach Rasse und Anzahl der Weideperioden mit etwa 13-22 Monaten geschlachtet. Ochsen werden bis zum Alter von 32 Monaten gemästet. Bei ihnen ist die Weidehaltung einfacher als bei den Jungbullen, da die Tiere nicht so aggressiv sind. Wie bei den Ochsen ist bei den Färsen der Fettgehalt des Fleisches höher, was die Fleischqualität verbessert.

Die Mutterkuhhaltung ist die extensivste Form der Rindfleischerzeugung. Dabei können die Tiere ganzjährig draußen bleiben oder sie werden nur im Winter in den Stall geholt. Das Kalb bleibt von der Geburt bis zum Absetzen (= Trennen) im Alter von etwa 6-10 Monaten bei der Mutter. Dann wird das Kalb entweder mit einem Gewicht von 300 kg als Milchmastrind geschlachtet oder es wird anschließend noch wie oben beschrieben intensiv gemästet. (BZfE)

Bei der pastoralen Extensivhaltung auf Naturweiden (Ranching, Mobile Tierhaltung) werden wenige Tiere auf sehr großen Flächen gehalten.

Futtermittel

Das Haupt- oder Grundfutter für die Rinder erzeugt der Landwirt überwiegend selbst auf den Flächen seines Betriebs. Wenn Grundfutter zugekauft werden muss, ist eine rentable Rindermast nur noch schwer möglich, weil die Erzeugungskosten zu hoch werden. Zum Grundfutter zählen Gräser, Kräuter, Pflanzen des Feldfutterbaus wie Mais. Es wird frisch, siliert oder getrocknet angeboten.

Meistens wird das Futter durch Silieren haltbar gemacht. Dafür schüttet man es auf einer ebenen Fläche, dem Fahrsilo, auf und verdichtet es. Wichtig ist ein luftdichter Abschluss mit einer Plane, damit die Milchsäuregärung ablaufen und das Futter haltbar gemacht werden kann. Dies ist vergleichbar mit den Vorgängen bei der Sauerkrautherstellung.

Wasser muss den Tieren immer in ausreichender Menge zur freien Verfügung stehen. Dies wird über automatische Tränkeeinrichtungen gewährleistet.

Das Grundfutter alleine wird den Bedürfnissen des Mastviehs, vor allem in der Intensivmast, nicht gerecht. Deshalb fügt man Kraftfutter bzw. Ergänzungsfutter hinzu. Meistens fehlt es an Eiweiß, Energie und Mineralien. Kraftfutter kann zum Beispiel sein: Soja, Ackerbohnen, Erbsen, Getreide, Biertreber oder Zuckerrübenschnitzel. An Mineralien fügt man je nach Gehalt im Grundfutter Calcium, Phosphor, Kalium, Magnesium, Spurenelemente und Vitamine hinzu.

Seit 2006 dürfen Antibiotika nicht mehr als Leistungsförderer in der Mast eingesetzt werden. Bereits seit 1988 ist die Verwendung von Hormonen als Wachstumsförderer in der Tierzucht in der EU verboten. Nur wenn ein Tier erkrankt ist, darf es nach tierärztlicher Anweisung mit Antibiotika und Hormonen behandelt werden.

Ökonomische Bedeutung

Deutschland ist der größte Milcherzeuger der Europäischen Union und nach Frankreich der zweitgrößte Erzeuger von Rind- und Kalbfleisch. Etwa jeden vierten Euro erwirtschaften die deutschen Landwirte mit der Milch und dem Fleisch der Rinder - 2019 summierte sich der Produktionswert auf 14,5 Milliarden Euro.  Über drei Viertel davon, mehr als elf Milliarden Euro, entfallen auf die Milch. Diese wird fast vollständig in heimischen Molkereien zu Trinkmilch, Butter, Joghurt, Käse und anderen Milchprodukten weiterverarbeitet.  Knapp die Hälfte dieser Milchprodukte wird exportiert, davon 84 Prozent in Länder der EU. Wichtige Drittlandmärkte sind Russland, USA und China.

Eckdaten zur Rinderhaltung in Deutschland (Stand 25.2.2021)

Bestand:
ca. 11,7 Millionen,
davon 4 Millionen Milchkühe

Jährliche Produktion:
ca. 1 Million Tonnen Fleisch
ca. 33 Millionen Tonnen Milch

Jährlich geschlachtete Tiere:
3,2 Millionen

Betriebe mit Rinderhaltung:
ca. 133.000

davon aus ökologischer Erzeugung:
Fleisch: ca. 5,5 Prozent
Milch: ca. 3,7 Prozent

Rinder in Deutschland

Die Rinderhaltung und speziell die Milcherzeugung nehmen einen sehr hohen Stellenwert in der deutschen Landwirtschaft ein. Rund ein Viertel des Produktionswerts der deutschen Landwirtschaft geht auf die Rinderhaltung zurück. Gut jeder zweite rinderhaltende Betrieb hat im Jahr 2020 Milchkühe, die mit einem Bestand von rund 3,9 Mio. Milchkühen einen Anteil von rund 35 Prozent der Rinderbestände insgesamt ausmachen. Der restliche Anteil verteilt sich auf weitere Produktionsrichtungen wie die Jungviehaufzucht, Bullenmast und die Mutterkuhhaltung.

Mit rund drei Mio. Tieren leben die meisten Rinder in Bayern. Das entspricht bei einer Betriebszahl von gut 38 800 Betrieben durchschnittlich 76 Rindern pro Betrieb. Danach folgt Niedersachsen mit etwa 2,4 Mio. Tieren. Beide Bundesländer halten zusammen bereits fast die Hälfte (47 Prozent) aller Rinder in Deutschland. Weitere hohe Bestandszahlen gibt es in Nordrhein-Westfalen (1,3 Mio. Tiere) und Schleswig-Holstein (gut 980 000 Tiere).

Deutschlandweit werden rund 11,3 Mio. Rinder in gut 108 000 Betrieben gehalten. Seit 2010 ist die Anzahl der rinderhaltenden Betriebe um 25 Prozent gesunken. Die Anzahl der gehaltenen Rinder hat sich gegenüber der Landwirtschaftszählung 2010 hingegen nicht so stark verändert (minus zehn Prozent).

Eine stärkere Veränderung ist bei den milchkuhhaltenden Betrieben zu erkennen. Hier ist die Anzahl der Betriebe seit 2010 um fast 40 Prozent gesunken, während die Zahl der Milchkühe um lediglich 5,6 Prozent sank.

Sowohl für die rinderhaltenden Betriebe im Allgemeinen als auch für die Milchviehbetriebe im Speziellen zeigt sich, dass sich die – vergleichsweise konstante – Zahl der Tiere im Laufe der vergangenen zehn Jahre auf immer weniger Betriebe verteilt hat. Mit anderen Worten: Die Betriebe sind gewachsen.

Entwicklung der rinderhaltenden Betriebe und Rinderbestände
in Deutschland 2010 bis 2020 (ohne Stadtstaaten)
Entwicklung der rinderhaltenden Betriebe und Rinderbestände in Deutschland 2010 bis 2020

Quelle: Destatis 2021

Rinderbesatz in den Kreisen

Neben den absoluten Zahlen lässt sich mit den Ergebnissen der Landwirtschaftszählung der sogenannte Rinderbesatz errechnen. Hierbei wird die Anzahl der Rinder in Abhängigkeit zur landwirtschaftlich genutzten Fläche gesetzt, um die Dichte an Tieren genauer beschreiben und regionale Schwerpunkte identifizieren zu können.

Eine intensive Rinderhaltung ist in der Regel an Standorten mit guten Bedingungen zur Grundfuttererzeugung sowie in Gegenden, die aufgrund weniger ertragreicher Böden, extremer Hanglagen oder klimatischer Nachteile einen hohen Dauergrünlandanteil haben, verstärkt zu finden.

In Deutschland sind die höchsten Rinderbesatzzahlen (140 und mehr Rinder je 100 Hektar landwirtschaftlich genutzter Fläche) in Bayern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg zu finden. Von den zehn Kreisen mit dem höchsten Rinderbesatz befinden sich fünf in Niedersachsen (Wesermarsch, Leer, Ammerland, Cuxhaven, Friesland), vier in Bayern (Landkreis Rosenheim, Unterallgäu, Berchtesgadener Land, Mühldorf a. Inn) und einer in Nordrhein-Westfalen (Borken). In den Kreisen Schaumburg (Niedersachsen) und Ilm-Kreis (Thüringen) fallen die Besatzdichten dagegen verhältnismäßig gering aus (knapp unter 30 Rinder je 100 Hektar landwirtschaftlich genutzter Fläche).

Rinderbesatz in den Kreisen 2020

Rinderbesatz in den Kreisen 2020


Legende: Rinder je 100 ha LF

Legende: Rinder je 100 ha LF

Quelle: Destatis 2021

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