Lexikon des Agrarraums

Kurt G. Baldenhofer

Zuckerrohrplantage in Australien

Antibiotika

Von Organismen gebildete niedermolekulare Stoffe, die bei anderen Organismen das Zellwachstum und die Zellvermehrung blockieren, indem biochemische Prozesse gestört werden.

Antibiotika werden nicht nur in der Humanmedizin sondern auch In der Nutztierhaltung zur Behandlung von bakteriellen Erkrankungen verwendet. Allerdings haben Antibiotika in der Viehhaltung auch als Futtermittelzusatzstoffe mit wachstumsfördernder Wirkung Bedeutung erlangt, da sie Infektionen der Masttiere bekämpfen bzw. nicht erst aufkommen lassen und damit auch eine Leistungssteigerung bewirken, eine vor allem in China noch immer geübte Praxis. Der in 34 Ländern erlaubte Einsatz von Antibiotika als Wachstumsbeschleuniger ist EU-weit und damit auch in Deutschland seit 2006 verboten, nachdem sie bereits 1995 in Dänemark, seit 1997 in Vorarlberg und 1999 in der Schweiz aufgrund einzelstaatlicher Selbstbeschränkungen nicht mehr eingesetzt werden dürfen.

Prophylaktische Therapie ist verboten, erlaubt ist dagegen die Metaphylaxe. Um die ganze Tiergruppe zu behandeln, müssen wenigstens einzelne Individuen Krankheitssymptome aufweisen.

Anders als im Humanbereich, wo Medikamente nur über Apotheken verkauft werden dürfen, dürfen Veterinärmediziner*innen Arzneimittel direkt beim Hersteller beziehen und an die Halter der zu behandelten Tiere direkt weiterverkaufen. Für viele Tierärzte ist dies eine zusätzliche, wichtige Einnahmequelle.

Ein großer Teil der Wirkstoffe (circa 60 bis 80 Prozent) wird von den Tieren unverändert wieder ausgeschieden. Diese Arzneimittelwirkstoffe können mit der Ausbringung von Wirtschaftsdüngern oder bei der Weidehaltung auf die landwirtschaftlichen Flächen gelangen.

Mengen

Weltweit werden jährlich derzeit (2017) 131.000 Tonnen Antibiotika bei Tieren eingesetzt, die als Speisen auf den Tisch kommen – etwa doppelt so viel wie bei den Menschen selbst. Diese Menge wird sich bei fortschreitendem Trend bis zum Jahr 2030 weltweit um 53 Prozent erhöhen. Rund zwei Drittel der global steigenden Mengen an Antibiotika gehen auf das schiere Wachstum der Fleisch- und Milchproduktion und rund ein Drittel auf die zunehmende Industrialisierung der Haltungssysteme zurück.

Von 2011 bis 2016 hat sich in Deutschland die jährliche Abgabemenge von Antibiotika an Tierärztinnen und Tierärzte mehr als halbiert. Wurden 2011 noch 1.706 Tonnen an Veterinäre abgegeben, waren es 2016 nur noch 742 Tonnen. Allerdings ist die Menge der abgegebenen Antibiotika aus der Wirkstoffklasse der Fluorchinolone im selben Zeitraum um 13 Prozent gestiegen. Diese Antibiotikaklasse ist für die Therapie beim Menschen von besonderer Bedeutung.

Gesetzliche Regelungen

Im April 2014 trat mit der 16. Novellierung des Arzneimittelgesetzes auch das Antibiotikaminimierungskonzept in Kraft. Betriebe ab einer gewissen Größe, die Rinder, Schweine, Hühner oder Puten mästen, müssen halbjährlich ihren Antibiotikaverbrauch an die zuständige Länderbehörde melden. Die Daten werden in einer Datenbank gesammelt. In halbjährlichem Rhythmus werden die entsprechenden bundesweiten Kennzahlen veröffentlicht, die mit den betriebsindividuellen Zahlen verglichen werden. Gehören die Tierhalterin oder der Tierhalter zu den 25 Prozent der Betriebe, die am meisten Antibiotika verbrauchen, müssen sie mit der Hoftierärztin oder dem Hoftierarzt einen schriftlichen Reduktionsplan erstellen.

Die deutsche Verordnung über tierärztliche Hausapotheken wurde neu gefasst (28.02.2018), sie enthält unter anderem folgende Regelungen:

Die Überwachung der Einhaltung der einschlägigen Vorschriften ist grundsätzlich Aufgabe der Länderbehörden. Die Bundesländer sind dafür zuständig, Tierarztpraxen und Tierhaltungsbetriebe risikoorientiert zu kontrollieren.

Folgen

Ein unsachgemäßer bzw. ständiger Einsatz kann zur Bildung von resistenten Bakterienstämmen führen, die z. B. beim Verzehr von Rohfleischprodukten auf Menschen übertragen werden können. Bei einer eventuell nötigen Antibiotika-Behandlung eines Menschen bleibt das eingesetzte Mittel dann möglicherweise ohne Wirkung. Mehrfach resistente Magen-Darm-Bakterien haben z.B. in Nordeuropa wie auch in Deutschland beträchtlich zugenommen. Diese Entwicklung verläuft parallel zum Einsatz von Antibiotika in der Tiermast.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat an Landwirte und die Lebensmittelindustrie appelliert, keine Antibiotika an gesunde Tiere zu verabreichen. Am 7. November legte die WHO neue Richtlinien vor, die auf die Bewahrung der Wirksamkeit von für die Humanmedizin wichtigen Antibiotika abzielen. Der in vielen Ländern immer noch praktizierte Einsatz von Antibiotika in der Landwirtschaft zur Wachstumsförderung oder Krankheitsprävention trage zur wachsenden Bedrohung durch antibiotikaresistente Keime bei.

Im deutschen Obstbau kommt seit 1994 zur Bekämpfung des Feuerbranderregers das Antibiotikum Streptomycin zum Einsatz, welches in der Medizin zur Behandlung von Tuberkulose verwendet wird, und das für rasche Mutations- und Resistenzbildung bekannt ist. Das Mittel wurde zudem im Honig nachgewiesen.

Ökologische vs. konventionelle Landwirtschaft

In den Jahren 2014 und 2016 wurde die Resistenz von Zoonoseerregern und kommensalen Keimen aus konventionellen und ökologisch wirtschaftenden Milchviehbetrieben (Proben von Tankmilch, 2014) und Masthähnchenbetrieben (Kotproben, 2016) verglichen. In beiden Jahren zeigte sich, dass die Resistenzraten in E. coli aus den ökologisch wirtschaftenden Herden deutlich niedriger waren als in den konventionellen Beständen. Allerdings bestanden auch zwischen den Produktionsbereichen erhebliche Unterschiede. E. coli aus Tankmilchproben wiesen signifikant geringere Resistenzraten auf als E. coli aus Masthähnchenherden. (BMEL)

Was sind Reserveantibiotika?

Die meisten heute eingesetzten Antibiotika wurden in den 1980- und 1990er Jahren zugelassen. Es werden aber auch neue antibiotische Wirkstoffe entwickelt, gegen die Bakterien noch nicht resistent sind. Diese neueren Antibiotika werden gerne bei Infektionen eingesetzt, die von resistenten Bakterien verursacht werden. Sie werden deshalb auch Reserveantibiotika genannt. Um Resistenzen zu vermeiden, sollen sie bei der normalen Therapie von Infektionskrankheiten nicht genutzt werden. Zurzeit wird an einer Liste von Reserveantibiotika gearbeitet, die nur für den Menschen und nicht für Tiere vorgesehen sind.

Weitere Informationen:

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