Lexikon des Agrarraums

Kurt G. Baldenhofer

Zuckerrohrplantage in Australien

Berglandwirtschaft

Die Berglandwirtschaft umfasst die landwirtschaftliche Nutzung und Bewirtschaftung von Gebirgsregionen und Hochebenen, beispielsweise in den Alpen.

Die Funktionen der Berglandwirtschaft beinhalten die Produktion von hochqualitativen Lebensmitteln, die Erzeugung von erneuerbarer Energie, die Gefahrenabwehr (Schutz vor Lawinen, Muren, Steinschlag, Hochwasser), die Aufrechterhaltung der Biodiversität durch nachhaltige Bewirtschaftungsformen, das Management von Wasserressourcen, die Erhaltung und Gestaltung der Kulturlandschaft, den Schutz des Waldes, die Bewirtschaftung der Almflächen sowie die Aufrechterhaltung einer Mindestbesiedelung und regionaler Kultur. Ein großer Teil dieser Funktionen hat aber den Charakter öffentlicher Güter und wird durch den Produkterlös nicht oder nur ungenügend abgegolten.

In der Berglandwirtschaft werden häufig traditionelle Anbaumethoden und Tierhaltung praktiziert, die an die steilen Hänge und das raue Klima angepasst sind. Typische Produkte der Berglandwirtschaft sind beispielsweise spezielle Sorten von Obst und Gemüse, die in höheren Lagen gedeihen können, sowie Milchprodukte von Tieren, die in den Bergen gehalten werden.

Aufgrund der oft schlechten Erreichbarkeit der Höfe werden landwirtschaftliche Seilwege (Seilbahnen) dort eingesetzt, wo einfache Fahrwege aus verschiedenen Gründen (Gelände, Naturschutzgebiet) nicht angelegt werden können. Sie dienen zum Transport von Heu, Dünger, Materialien und dem Transport der erzeugten Produkte. Zur Erschließung von extrem gelegenen Bergbauernhöfen und abgelegenen Almen ohne Fahrweg werden auch Materialseilbahnen mit Personenbeförderungen (mit eingeschränktem Benutzerkreis) eingesetzt, wo die Errichtung einer Zufahrt einen unverhältnismäßigen Aufwand bedeuten würde.

Hauptmerkmale der Berglandwirtschaft
Bewirtschaftung von Kulturlandschaften

Die Bergbauern gestalten und erhalten die Landschaften, die sowohl Lebensraum für seltene Tier- und Pflanzenarten als auch Erholungsraum für Menschen sind. Die Berglandwirtschaft bewahrt traditionelle Produktionsweisen und ist oft tief in der lokalen Kultur und Tradition verwurzelt.

Identitätsstiftende Funktion

Der eigene Hof ist die Quelle der Widerständigkeit und Resilienz der Berglandwirtschaft, die oft genug nur ein geringes Einkommen bringt. Brauchtum und Traditionen der Berglandwirtschaft sind sowohl sozialer Kitt als auch Kulturgut für Dörfer und Gemeinden.

Vielfalt der Produktionsformen und Produkte

In den Alpen umfasst die Berglandwirtschaft Tätigkeiten wie Grünlandbewirtschaftung, Milch- und Fleischproduktion, Ackerbau sowie Obst- und Weinbau. Bergregionen bringen oft Spezialitäten und Produkte mit besonderer Qualität hervor.

Ökosystemdienstleistungen Sie trägt zur Biodiversität bei und unterstützt natürliche Stoffkreisläufe. Dadurch wird sie zu einem wichtigen Bestandteil des Umweltschutzes.
Multifunktionale Rolle Neben der Produktion von Lebensmitteln erfüllt sie Aufgaben im Bereich Naturschutz, Landschaftspflege und Tourismus (Gemeinwohlleistungen).
Einkünfte aus dem Tourismus werden nicht selten in den Hof investiert zum Beispiel in einen neuen Stall. Diese Form der „Quersubventionierung“ betrifft nicht nur Betriebe, die „Urlaub am Bauernhof“ anbieten und damit ihre Landwirtschaft zusätzlich touristisch vermarkten, sondern auch andere Höfe.
Oft kleinere Betriebsstrukturen Familienbetriebe sind in der Berglandwirtschaft häufiger anzutreffen.

Formen der Berglandwirtschaft

Die Haltung von Rindern, Schafen und Ziegen zur Milch-, Fleisch- und Wollproduktion ist weit verbreitet, oft in Form von Weidewirtschaft auf Almen und Bergwiesen. Der Anbau von Futterpflanzen für die Tierhaltung dominiert oft die Ackerflächen. So ist die Almwirtschaft eng mit der Berglandwirtschaft verbunden. Es sind die Betriebe im Berggebiet, welche die meisten Sömmerungstiere stellen und Betrieb, Unterhalt und Pflege der alpinen Sömmerungsbetriebe sicherstellen. 

In tieferen Lagen oder an besonders geschützten und südexponierten Hängen können auch spezielle Kulturen wie Obst, Wein oder Gewürz- und Heilpflanzen angebaut werden. Die Bewirtschaftung von Bergwäldern spielt ebenfalls eine wichtige Rolle. Auch die Kombination von Baum- und Landwirtschaftssystemen kann in Bergregionen sinnvoll sein (Agroforstwirtschaft).

Herausforderungen
Abwanderung und Überalterung

Viele Menschen ziehen aus den Gebirgsregionen in Städte oder flachere Gebiete, was die Bewirtschaftung wg. Arbeitskräftemangel erschwert. Dies kann zur Aufgabe von Betrieben führen.

Wirtschaftliche Belastungen

Höhere Produktionskosten, geringere Erträge und der Wettbewerb mit der Flachlandwirtschaft können die Rentabilität beeinträchtigen (Einkommensrückstand). So sind die Betriebe sind oft auf staatliche Unterstützung angewiesen.

Klimatische und geographische Einschränkungen

Steile Hänge machen die Arbeit besonders arbeitsintensiv. Der Einsatz großer Maschinen ist eingeschränkt. Die kühleren Temperaturen und die längere Schneedecke in höheren Lagen begrenzen die Anbauzeit.

Veränderungen in Temperatur und Niederschlag, häufigere Extremwetterereignisse und die Verschiebung von Vegetationszonen stellen neue Herausforderungen dar (Klimawandel).

Bodenqualität Bergregionen weisen oft weniger fruchtbare Böden auf.
Isolierung und schwierige Infrastruktur Der Zugang zu Märkten und Dienstleistungen kann schwierig sein.
Naturschutzkonflikte Nutzungsansprüche der Landwirtschaft können mit den Zielen des Naturschutzes in Konflikt geraten (z. B. bei der Beweidung in Schutzgebieten).

Bedeutung

Die Berglandwirtschaft ist nicht nur eine wirtschaftliche Tätigkeit, sondern auch ein kulturelles und ökologisches Erbe. Die traditionelle Bewirtschaftung prägt das charakteristische Aussehen vieler Bergregionen und trägt zur Erhaltung von Kulturwerten bei.

Sie sichert Lebensräume, unterstützt den Tourismus und trägt zur regionalen Wirtschaft bei. Zudem ist sie ein unverzichtbarer Garant für den Erhalt der alpinen Biodiversität. Extensiv genutzte Bergwiesen und Almen können wertvolle Lebensräume für seltene Pflanzen und Tiere sein.

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