Lexikon des Agrarraums

Kurt G. Baldenhofer

Zuckerrohrplantage in Australien

Heilpflanzen

Nutzpflanzen, die die aufgrund ihrer Inhaltsstoffe zu Heilzwecken oder als Arzneipflanze zur Linderung von Krankheiten innerlich oder äußerlich verwendet werden. Sie können als Rohstoff für Phytopharmaka in unterschiedlichen Formen, aber auch für Teezubereitungen, Badezusätze und Kosmetika eingesetzt werden.

Insbesondere bei krautigen Heilpflanzen ist auch die Bezeichnung Heilkraut üblich. Manche Heilpflanzen sind zugleich Giftpflanzen.
Heilpflanzen werden meist in getrockneter und zerkleinerter Form (als sog. Droge) verwendet, wobei entweder die ganze Pflanze oder nur bestimmte Teile verarbeitet werden: Blätter, Blüten, Frucht, Rinde, Samen, Wurzel, Wurzelstock. Wirkstoffe der Heilpflanzen sind in erster Linie Alkaloide, Glykoside, etherische Öle und die heterogene Gruppe der Gerbstoffe und Bitterstoffe (Pflanzenstoffe).

Der je nach Entwicklungszustand, Herkunft und Sammeljahr wechselnde Gehalt an Wirkstoffen hat dazu geführt, dass heute die meisten stark wirksamen Inhaltsstoffe chemisch isoliert oder dass die Drogen durch Mischung auf einen bestimmten Wirkstoffgehalt eingestellt werden. Auch heute noch sind Heilpflanzen (wegen der hohen Komplexität der Wirkstoffe) der Ausgangspunkt zur Herstellung von ca. 55% aller Arzneimittel. Der noch bei weitem nicht vollständig erfasste Bestand an Pflanzen mit pharmakologisch wirksamen Inhaltsstoffen in den tropischen Wäldern ist einer der wahren Schätze der Menschheit. Neben gesicherten Erfahrungen spielten dabei psychologische Effekte und magisch-religiöse Vorstellungen eine bedeutende Rolle.

Neben vielen Pflanzen, die in der pharmazeutischen Industrie als Lieferanten bestimmter Wirk- und Ausgangsstoffe dienen, gelten derzeit nach dem Deutschen Arzneibuch (DAB) bzw. den Europäischen Arzneibüchern etwa 80 Arten als offizinelle Heilpflanzen. Es handelt sich dabei fast ausschließlich um Pflanzen aus feldmäßigem, kontrolliertem Anbau. Heilpflanzen (Arzneipflanzen, Heilkräuter) werden dabei nach wissenschaftlichen Methoden zu standardisierten Fertigprodukten (Phytotherapeutika) aufbereitet und dann auch in der Schulmedizin genutzt (sogenannte Moderne oder Rationale Phytotherapie).

Heilpflanzen sind zudem eine wichtige Komponente in vielen alternativen Heilverfahren wie der Homöopathie, Bach-Blütentherapie, Aromatherapie oder Ayurvedischen Medizin.

Begrifflichkeiten

In der Heilpflanzenkunde (Phytopharmakognosie) unterscheidet man folgende Begriffe:

„Heilpflanze“ ist dabei ein funktioneller Begriff, der nur nach dem Zweck verwendet wird, ungeachtet der botanischen Zugehörigkeit oder der Wuchsform. Jede Pflanze, für die der pharmazeutischen Biologie eine entsprechende Anwendung als Medikament bekannt ist, kann als Heilpflanze bezeichnet werden. Gelegentlich werden auch Pilze, Flechten und Algen zu den Heilpflanzen gezählt.

Manche Pflanzen, die ursprünglich wichtige Heilkräuter waren, werden heute als Genussmittel verwendet (etwa Tee, Kaffee oder Tabak) oder als Küchenkräuter (Gewürzkräuter, z. B. Pfeffer, Zimt, Basilikum) oder als schlichte Nahrungsmittel (Apfel, Zitrusfrüchte).

Wirtschaftliche Bedeutung

Auch Heilpflanzen werden zu den nachwachsenden Rohstoffen gezählt, da ihre Verwendung außerhalb des Nahrungs- und Futtermittelbereichs stattfindet. Zusammen mit Färberpflanzen beträgt die Anbaufläche in Deutschland rund 12.000 ha (ca. 0,5 % der Gesamtanbaufläche für nachwachsende Rohstoffe). Etwa 90 % der in Deutschland verwendeten Heilpflanzen werden importiert. Heilpflanzen stammen allerdings nur zu 30 % aus Anbau und zu etwa 70 % aus Wildsammlungen. Von den etwa 440 heimischen Heilpflanzen werden in Deutschland ca. 75 Arten angebaut, wobei allein 24 Arten 92 % des Angebots ausmachen. Hauptanbaugebiete in Deutschland sind Thüringen (Erfurter Becken), Bayern (Oberbayern, Erdinger Moos, Mittelfranken), Sachsen (Lößgebiete Mittelsachsens), Sachsen-Anhalt (Mitteldeutsches Trockengebiet) und Ostfriesland.

Weitere Informationen:

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