Lexikon des Agrarraums

Kurt G. Baldenhofer

Zuckerrohrplantage in Australien

Agrarökosystem

Auch Agroökosystem; durch die Tätigkeit des Landwirts geschaffenes Nutzökosystem, bei dem die funktionale Einheit der Biosphäre als Wirkungsgefüge aus wildwachsenden Pflanzen und Kulturpflanzen, wildlebenden Tieren und vielfach aus Nutztieren besteht. Als wesentliche ökologische Variable nimmt er entscheidend Einfluss auf die Zusammensetzung, das Funktionieren, die Stabilität und die energetischen, stofflichen und informatorischen Wechselbeziehungen des Systems.

Das Agrarökosystem dient vornehmlich der Erzeugung von Nahrungsmitteln und anderen biologischen Rohstoffen. Beispiele sind ein Getreide- oder Rübenfeld, eine Viehweide oder eine Mähwiese. Grundsätzlich kann aber auch ein landwirtschaftlicher Viehbestand mit Futterversorgung und Fäkalienabfuhr als Agrarökosystem aufgefasst werden, vor allem in Verbindung mit Weidewirtschaft.

Die Leistung eines Agrarökosystems ist primär eine Funktion von Boden, Klima und Organismenbestand. Inwieweit Agrarökosysteme in Form und Funktion von unbewirtschafteten Ökosystemen abweichen, hängt von der Art und Intensität der Bewirtschaftung sowie vom Umfang der Stoffzufuhr (Düngung) und Stoffentnahme (Ernte) ab.

Bei den Organismen der Agrarökosystemen handelt es sich um die Individuen verschiedener Arten bzw. Populationen von Kultur- und Wildpflanzen, Tieren und Mikroorganismen. Die Kulturpflanzen stammen von Wildpflanzen ab und sind durch die unbewusste oder gezielte Auslese bestimmter Merkmale durch den Menschen entstanden.

Die Umwelt besteht aus der Gesamtheit der Faktoren, die auf Organismen einwirken. Die verschiedenen physikalischen und chemischen Einflüsse, die von der unbelebten Umwelt ausgehen stellen die abiotischen Faktoren dar (z.B. Bodeneigenschaften, Relief, Höhenlage, Klima). Die Wirkungen der biotischen Faktoren gehen von Organismen aus und können auf die Individuen derselben Art, die Individuen einer anderen Art oder auf die abiotische Umwelt ausgeübt werden. Aus der Perspektive einer Art besteht die biotische Umwelt im Wesentlichen aus anderen Arten, zu denen sie in unterschiedlichen Beziehungen stehen kann, z.B. Nahrungsbeziehungen, Konkurrenz, Mutualismus. (Martin und Sauerborn 2006)

Historische nachhaltige Agrarökosysteme orientierten sich an der Nährstoffrückführung natürlicher Ökosysteme. Nährstoffentzüge wurden durch weitgehende Rückführung der Pflanzenrückstände und des organischen Düngers sowie durch Fixierung und Verwitterung ausgeglichen. Die moderne Landwirtschaft hat die Erträge durch Zufuhr mineralischer Dünger, durch Schädlings- und Unkrautbekämpfung stark gesteigert, dabei aber den Nährstoffkreislauf aufgebrochen und den Energieeinsatz pro erzeugter Nahrungseinheit stark erhöht.

Unterschiede von Agrarökosystemen gegenüber natürlichen Ökosystemen in einer ähnlichen abiotischen Umwelt:

Die Agrarökosysteme der Gegenwart sind das Ergebnis einer Entwicklung in mehreren Phasen, die sich als horizontale Expansion (Umwandlung bis dahin nicht landwirtschaftlich genutzter Flächen in Acker- und Grünland) und später als vertikale Expansion (rationelle Bodennutzung unter dem Einfluß von Marktmechanismen und Technikentwicklungen) beschreiben lassen. (Agrargeschichte)

Teilweise wird der Begriff Agrarökosystem, wohl in Anlehnung an die lateinische Herkunft (ager, Acker), enger gefasst und bezieht sich nur auf Ackerbausysteme. (Martin und Sauerborn 2006)

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