Lexikon des Agrarraums

Kurt G. Baldenhofer

Zuckerrohrplantage in Australien

Ren

Das Ren oder Rentier (Rangifer tarandus) ist eine Säugetierart aus der Familie der Hirsche (Cervidae). Es lebt zirkumpolar im Sommer in den Tundren und im Winter in der Taiga Nordeurasiens und Nordamerikas sowie auf Grönland und anderen arktischen Inseln. Es ist die einzige Hirschart, die domestiziert wurde.

Die nordamerikanischen Vertreter der Rentiere werden als caribou (dt. Karibu) bezeichnet, ein Wort aus der Sprache der Mi’kmaq-Indianer.

Merkmale

Die Größe schwankt sehr mit dem Verbreitungsgebiet. Die Kopfrumpflänge kann 120 bis 220 Zentimeter betragen, die Schulterhöhe 90 bis 140 Zentimeter und das Gewicht 60 bis 300 Kilogramm. Das Fell ist dicht und lang, dunkel-graubraun oder, besonders bei domestizierten Tieren, auch hell; im Winter ist es generell viel heller als im Sommer.

Die Geweihe sind stangenförmig und weit verzweigt; nur die tiefste Sprosse bildet am Ende eine kleine Verbreiterung.

Die Hufe der Rentiere sind sehr breit und durch eine Spannhaut weit spreizbar. Außerdem sind lange Afterklauen ausgebildet. Dies ermöglicht den Tieren im oft steinigen oder schlammigen Gelände sicheren Tritt.

Verbreitung

Rentiere zählen zu den am weitesten nördlich lebenden Großsäugern. Sie bewohnen in etwa 20 Unterarten die Tundren und nördlichen Waldgebiete (Taiga) von Europa, Asien und Amerika. Selbst auf hocharktischen Inseln wie Spitzbergen, der Ellesmere-Insel und Grönland kommen Rentiere vor. Um dem arktischen Winter zu entgehen, unternehmen die Renherden große Wanderungen, um ausreichend Nahrung (Gräser, Sträucher, Flechten) zu finden, manche bis zu 5000 Kilometern – die längste regelmäßige Wanderung von Landsäugern überhaupt.

Auf dem europäischen Festland gibt es nur noch in der norwegischen Hardangervidda eine kleine Population des Wildrens. Bei den großen Rentierherden Lapplands und Nordostrusslands handelt es sich ausschließlich um (geringfügig) domestizierte, „halbwilde“ Rentiere, die unter der Obhut z. B. der Samen stehen (die Zuchtwahl bei Rentieren fand und findet im Gegensatz zu anderen Nutztieren nur sehr eingeschränkt statt).

In Nordkanada reicht das Verbreitungsgebiet der Rentiere (Karibus genannt) weiter in den Süden, also in die boreale Zone.

Nutzung

Schon auf Höhlenzeichnungen der Steinzeit findet man häufig Rener dargestellt. Sie waren schon für die Neandertaler eine begehrte Jagdbeute. Bis heute werden Rentiere in vielen Teilen der Welt gehalten und gejagt, da man ihr meist sehr mageres Wildbret und ihr Fell schätzt. In den Regionen, in denen Großwild, Faserpflanzen und Baustoffe spärlich sind oder fehlen, haben Menschen beinahe jeden Körperteil des Rentiers genutzt: ihre Haut für Pelze und Leder, ihr Blut als Heilmittel („Saina tjalem“), ihr Geweih und ihre Knochen zur Werkzeugherstellung.

Der Beginn der Nutzbarmachung der Rentierherden für die Naturweidewirtschaft liegt etwa 5000 Jahre zurück und fand zuerst in Sibirien statt.

Heutzutage sind es vor allem indigene Völker, deren Lebensweise stark durch das Zusammenleben mit Rentieren geprägt ist. Für die Nenzen in Sibirien beispielsweise ist das Rentier ein bedeutender Bestandteil ihres Lebens und Teil ihrer Lebensgrundlage. Das gilt auch noch für einen kleinen Teil der nordeuropäischen Samen.

Noch heute wird in Lappland und Nordrussland Rentierzucht betrieben (vielfach halbnomadisch). In Norwegen und Schweden ist sie ein Privileg der Samen, in Finnland wird sie hauptsächlich von Finnen ausgeübt. Die Herden können frei umherwandern, die Menschen folgen ihnen. Die Rentiere werden zu festgelegten Zeiten zusammengetrieben, um die Kälber zu markieren oder ausgewählte Tiere zu schlachten. Das Zusammentreiben großer Herden wird heute teilweise mittels Hubschraubern und/oder Motorschlitten erledigt.

In verschiedenen Teilen der Welt ist das Ren durch die Bejagung zwischenzeitlich sehr selten geworden. Heute gibt es weltweit etwa 4 Millionen wilde und 3 Millionen domestizierte Rentiere. Die Art gilt damit nicht als gefährdet. Drei Viertel der wilden Rentiere leben in Nordamerika, und mehr als drei Viertel der domestizierten Rentiere sind in Sibirien beheimatet.

Wildlebende Rentiere gibt es in Europa nur noch im norwegischen Dovrefjell.

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