Plantage
Großbetriebliche, arbeitsteilig organisierte Pflanzung von Baum- und Strauchkulturen mit Lohnarbeitsverfassung, die häufig auch über eigene Aufbereitungsanlagen für ihre Ernteprodukte verfügt (Rohrzucker-, Sisal-, Teefabrik usw.). Die erzeugten pflanzlichen Produkte sind für den Binnen- und den Weltmarkt bestimmt. Eine Plantage wird mit hohem Kapitaleinsatz und zahlreichen Arbeitskräften betrieben und hebt sich von bäuerlichen Betrieben ab durch starke Rationalisierung, Technisierung und Spezialisierung. Die Zielsetzung ist in der Regel die Maximierung der Kapitalrendite und des Unternehmergewinns. Die Flexibilität der Entscheidungen über die Produktionsrichtung ist ein wichtiges Merkmal von Plantagen. Von gleicher Bedeutung kann die erforderliche oder vorhandene Verarbeitungsindustrie sein. Ausmaß der vertikalen Integration (agrares Rohprodukt, Verarbeitung, Verpackung) sowie die Dauer der Investitionsperiode erlauben eine Differenzierung in verschiedene Plantagen-Betriebssysteme.
Plantagen waren wesentliche Komponenten der Kolonialwirtschaft. Große, oft an Börsen notierte und als "Töchter" transnationaler Lebensmittelkonzerne geführte Plantagen waren mächtige Faktoren des wirtschaftlichen und politischen Systems. In den später unabhängigen Staaten wurden die Plantagen überwiegend nationalisiert wie z.B. in Indonesien und Malaysia (Sime Darby), d. h. einheimischen Gesellschaften übertragen oder insbesondere in den sozialistischen Ländern Vietnam, Laos und Burma verstaatlicht.
Die Plantage ist nicht an einen bestimmten Landschaftsgürtel gebunden, kommt aber vorwiegend in den Subtropen und Tropen vor. Hafennähe, aber Marktferne sind auch heute noch charakteristisch für die meisten Plantagen bzw. Plantagengebiete.
Obwohl gelegentlich schon Pflanzungen ab 100 ha zu den Plantagen gerechnet werden, sieht man als Minimum für eine rentable Aufbereitung 7.500 ha Zulieferfläche bei Ölpalmen, 6.000 ha bei Naturkautschuk und 600 ha bei Tee an.
Rein ökonomisch sprechen folgende Punkte für diese Anbauform:
- Anwendung moderner Arbeitsmethoden mit erprobten Fruchtfolgen, optimierter Düngung und Saatkontrolle, mit Schädlings- und Krankheitsbekämpfung; wesentlich höhere Produktivität gegenüber einheimischen Volkskulturen
- rationeller, industrieller Anbau verringert Kosten; leichtere Anlage von Verkehrswegen; bessere Qualitäten durch Kontrolle der Verarbeitungsindustrie
- Ausbildung einheimischer Arbeitskräfte auch im Bereich des Managements, Anlage von Schulen, Hospitälern; Ausgabe von Rationsverpflegung zur besseren Ernährung der Arbeitskräfte; entsprechende Übernahme im Plantagenumfeld
- Diffusion moderner Anbaumethoden, neuer Sorten, modernen Formen betrieblicher Logistik, der Betriebsorganisation, des Marketings usw.
- Plantagen sind Akzelerateure des Wandels, die zusammen mit Konkurrenten, Zulieferern und Subcontractors agieren. Sie sind Agenten zur Verbreitung von neuen Industrie- und Sozialstandards.
- Plantagen sind als Lieferanten und Bezieher von Standardgütern Beschleuniger in der Dynamik des Weltwirtschaftsgefüges.
Risiken der spezialisierten und häufig monokulturellen Plantagenwirtschaft bestehen in Marktunsicherheiten, Pflanzenkrankheiten und Bodenerschöpfung. Verstärkt wird mit Mischkulturen das Risiko gemindert. Nachteilig ist auch das Herausreißen vieler Lohnarbeiter aus ihren traditionellen Lebensformen, die Trennung der männlichen Arbeiter von ihren Familien, die Vernachlässigung der eigenen Nahrungsproduktion und die verstärkte Abhängigkeit vom monetären Einkommen bei gleichzeitig unzureichendem sozialen Netz. Teilweise beherrschen gewisse Plantagenbetriebe in bestimmten Ländern unter Verantwortung multinationaler Unternehmen weite Felder der jeweiligen Volkswirtschaft. Plantagenwirtschaft kann zu sozialer Differenzierung und damit einhergehenden Spannungen führen.
Die Alternative zu einer international organisierten Plantagenwirtschaft und einer erfolgreichen gemeinschaftlichen Organisation für die Aufbereitung und Vermarktung der betreffenden Produkte ist eine Ökonomie der Selbstversorgung und der Bündelung unzähliger agrarischer Kleinbetriebe.
Wichtige Produkte und Verbreitungsgebiete der Plantagenwirtschaft sind:
- Zuckerrohr (Westindien, Brasilien, Inseln im Indischen Ozean)
- Bananen (Mittel-, Südamerika, Westafrika)
- Sisal (Ostafrika, Indonesien)
- Tee (Sri Lanka, Indien, Ostafrika)
- Kaffee (Brasilien, Mittelamerika, Ostafrika)
- Kakao (Westafrika)
- Kautschuk (Liberia, Malaysia, Indonesien)
- Ölpalmen (Westafrika, Südostasien)
- Kokospalmen (Indien, Malaysia, Indonesien, Ozeanien).
Die meisten Plantagengebiete liegen transportgünstig in Küstennähe und besitzen eine gute Verkehrs- und Umschlagsinfrastruktur.
Historisch lassen sich folgende Etappen bis zur heutigen Situation aufzeigen:
- Latifundien der Römer in Nordafrika zur Produktion von Öl und Weizen als Vorläufer
- Betriebe der Perser in Chusistan mit Zuckerrohranbau als zweite Wurzel
- Ausbreitung der Rohrzuckerproduktion im Mittelmeergebiet
- Ende des 15. Jh. Einführung der Rohrzuckererzeugung auf den Kanarischen Inseln, auf Madeira sowie in den Kerntropen durch die Portugiesen auf der Insel São Tomé
- Mitte 16. Jh. Ausweitung auf die Westindischen Inseln und nach Brasilien
- starker Aufschwung (Zucker, Kaffee) in den amerikanischen Tropen mit der Deportation von afrikanischen Sklaven
- Mitte 18. Jh. Zuckerrohrplantagen auf Mauritius und Réunion
- bis Ende 19. Jh. Ausbreitung in Teilen Afrikas (Kamerun - Bananen, Tansania - Sisal und in portugiesischen Kolonien)
- in Asien erst im 19. Jh. bedeutsam, Anbau von Tee, Kaffee, Chinarinde, Tabak, Kautschuk (nach 1900); Entwicklung u.a. begünstigt durch die Sklavenbefreiung in Amerika und durch den Suezkanal (1869)
- Aufschwung des Plantagenwesens generell dadurch begünstigt, daß in Europa seit dem frühen Mittelalter die Naturalwirtschaft sukzessive von der Geldwirtschaft abgelöst wurde; besonders während des Merkantilismus fanden die europäischen Staaten in den kolonialen Plantagen gute Einnahmequellen; verstärkt einheimische Besitzer oder auch außereuropäische Eigentümer im Zuge der liberalistischen Wirtschaftsentwicklung des 19. Jh.; vorübergehend eine starke Abhängigkeit einzelner Staaten von internationalen Großbetrieben (z.B. politische Einflußnahme des Firestone-Konzerns in Liberia); gegenwärtig nur noch vereinzelt (United Fruit Company in Mittelamerika) eine dominierende Rolle multinationaler Konzerne.
- Teilweise erfolgten Nationalisierungen von Plantagen im Gefolge der Entkolonialisierung, in jüngerer Zeit aber auch Joint Ventures unter Beiziehung von privatem Kapital aus den Entwicklungsländern und aus Industrieländern.
- Die Rolle von transnationalen Großunternehmen im Zusammenhang mit der Plantagenwirtschaft ist heute äußerst uneinheitlich und wird nach Ansicht von Hottes (1992) eher kleiner.
- Die häufige Parallelität von Kolonialisierung und Ausbreitung der Plantagenwirtschaft führte seit dem 19. Jh. zu einem zunehmenden Negativ-Image dieser Betriebsform. Wurden Plantagen zunächst mit Sklavenhaltung identifiziert, so sind sie in unserem Jahrhundert, besonders nach dem 2. WK, zum Ausdruck für (neo)koloniale kapitalistische Unterdrückung geworden. Kritisiert wurden sie vornehmlich im Zusammenhang mit der Rolle transnationaler Unternehmen.
Bei der Bildung neuer Nationalstaaten und deren Entwurf neuer ordnungspolitischer Muster haben sich viele junge Staaten der Ideologien und Instrumente der Zentralverwaltungswirtschaften bedient und die "Plantage" als Ausdruck des Kapitalismus und des Kolonialismus zerschlagen oder verstaatlicht. - Plantagen erweisen sich letztlich als betriebswirtschaftlich zu fassende Einheiten, die unter verschiedenartigen Wirtschaftsordnungen wie Merkantilismus, Privatkapitalismus, Staatskapitalismus, unabhängig von Eigentumsverhältnissen funktionieren.
Heutige Plantagenkonzerne sind kapitalstarke und moderne Agro-Holdings, auch als Teile von Mischkonzernen. Zum Beispiel mit ihren Flex Crops produzieren sie für eine Vielzahl von Märkten und treiben in vielen Teilen der Welt die Umstrukturierung der Landwirtschaft zur Agrarindustrie voran. Von Relikten der Kolonialzeit kann meist keine Rede mehr sein.
Weitere Informationen:
- Konzernatlas - Daten und Fakten über die Agrar- und Lebensmittelindustrie (Heinrich Böll Stiftung u.a.)