Lexikon des Agrarraums

Kurt G. Baldenhofer

Zuckerrohrplantage in Australien

Flex Crops

Agrarrohstoffe, die je nach Lage auf dem Weltmarkt multipel und flexibel verwendet werden können (Nahrung, Futter, Treibstoffe, Industrierohstoffe), was das Investorenrisiko angesichts mehrerer potentieller Abnahmemärkte reduziert, andererseits je nach Marktsituation die Preise im jeweiligen Nahrungsmitteleinsatz deutlich erhöht.

Zu den Flex Crops gehören Soja (Futter, Nahrungsmittel, Biodiesel), Zuckerrohr (Nahrungsmittel, Ethanol), Ölpalme (Nahrungsmittel, Biodiesel, Industrierohstoff), Mais (Nahrungsmittel, Futter, Ethanol) und auch Cassava. Es wird erwartet, dass künftig auch Eukalyptus zu dieser Gruppe gehören wird. Das Holz dient der Papier- und Zellstoffindustrie. Einige Arten des Eukalyptus liefern mit ihrer Streifenborke wertvolle Gerbstoffe. Eukalyptusöl findet seine Anwendung in der medizinischen Behandlung von Asthma, Bronchitis und Rheuma in Form von Salben und Bonbons. Menthol und Thymol dienen jedoch auch industriellen Zwecken. Das Eukalyptusöl birgt zudem ein hohes Potential für die Kraftstoffentwicklung. Das Öl wird schon heute einigen Kraftstoffen beigemischt.

Durch die Nutzungsflexibilität ist eine Trennung zwischen der Inanspruchnahme von riesigen Landflächen für Agrartreibstoffe und für Nahrungsmittel, eine Trennung 'Tank oder Teller', nicht mehr so einfach möglich. So entscheiden globale „Marktsignale“, also die Frage, wo kurzfristig die höchsten Gewinne erzielbar sind, welcher Endnutzung das Produkt zugeführt wird. Kurzfristig können so riesige Mengen Nahrungsmittel umgeleitet werden und damit de facto vom globalen Nahrungsmittelmarkt verschwinden. Thailand importierte um das Jahr 2010 beispielsweise 2 Mio. t Soja, Bangladesch 1 Mio. t. Für beide Länder sind diese Importe wichtig für die nationale Ernährungssicherheit. Durch die verstärkte flexible Nutzung rechnet man bei den Nahrungsmittelpreisen mit zunehmenden Preisschwankungen.

Ein vergleichbares Szenario wurde unter dem Namen „Tortilla-Krise“ schon 2007 Realität, als die USA ein Großteil ihrer Maisproduktion nicht mehr nach Mexiko exportierte, sondern zur Ethanolherstellung umnutzte. Verstärkt durch spekulatives Verhalten der Großhändler vervierfachte sich der Preis für Tortillas in wenigen Wochen und viele MexikanerInnen konnten sich ihr Grundnahrungsmittel nicht mehr leisten.

Die im Bereich der Flex Crops tätigen Agrarkonzerne sind Bestandteil des wirtschaftlichen Aufstiegs von Schwellenländern. Sie basieren auf dem Zusammenspiel der Kontrolle über riesige Landflächen, der Kontrolle über billige Arbeitskräfte und dem Zugang zu neuester Technologie. Viele Konzenrne befinden sich im Familienbesitz und agieren diskret und intransparent. Einige sind mít maßgeblichen Anteilen an den Börsen notiert, und wenige sind staatlich. Arbeitsbedingungen nach kolonialem Muster, Bezahlung nach Stücklohn und schlechter Arbeitsschutz gefährden die Belegschaft auf den Zucker- und Palmölplantagen. Ebenso stehen viele Konzerne wegen Landraub in der Kritik.

Die Staaten nehmen beim Aufbau der Flex Crops-Ökonomie eine zentrale Rolle ein. Verkauf oder Pacht von staatlichem Land und die Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur obliegen politischen Entscheidungen. Produktions- und Verarbeitungsanlagen sind oft von den Regierungen subventioniert. Darüber hinaus fördern Quoten für die Beimischung von Agrokraftsoffen die Nachfrage und damit Umsatz und Gewinn. (Heinrich Böll Stiftung u. a. 2017)

(s. a. Flächenkonkurrenz)

Pfeil nach linksFleischwirtschaftHausIndexFlugwarePfeil nach rechts