Lexikon des Agrarraums

Kurt G. Baldenhofer

Zuckerrohrplantage in Australien

Sisal

Aus den Blättern einiger Agaven, insbesondere der Sisalagave (Agave sisalana) gewonnene, gelblich glänzende Fasern, die besonders zur Herstellung von Schnüren, Seilen, Läufern und Teppichen verwendet werden.

Die Pflanze

Die Sisalagave gehört zur Gattung der Agavengewächse und ist möglicherweise in der mexikansichen Provinz Chiapas beheimatet. Der Name der Faser stammt von der mexikanischen Hafenstadt Sisal auf der Halbinsel Yucatán ab, von der aus die Sisalfasern ursprünglich exportiert wurden. Im Mittelmeergebiet ist sie als Zierpflanze sehr häufig.

Die mächtigen, fleischigen Blattrosetten haben an den Blättern Seitendornen und einen Enddorn. Die schwertförmigen Blätter werden 60 bis 150 cm lang und 2,5 bis 5 (selten bis 9) cm breit. Der bis zu 7 m hohe Blütenschaft besitzt kronleuchterartig angeordnete Zweige, die röhrenförmige, aufrechte, gelbliche Blüten tragen. Die Pflanzen blühen nur einmal und sterben anschließend nach der Fruchtbildung ab. Die Sisal-Agave wird 6–12 Jahre alt.

Fasereigenschaften

Sisalfasern sind mehrzellige, gerade Fasern. Die einzelnen Bündel umfassen zwischen 100 und 200 Zellen. Die einzelnen Zellen sind mit durchschnittlich 2,282 Millimeter Länge und 20,32 Mikrometer Durchmesser relativ kurz und dick und lassen sich daher nicht spinnen (notwendige Mindestlänge: 25 Millimeter). Verarbeitet werden daher Faserbündel. Deren Länge ist abhängig von der Blattlänge und den Bedingungen bei der Fasergewinnung, in der Regel liegt sie zwischen 50 und 120 Millimeter, im Mittel liegt sie bei 90,84 Millimeter. Der Gehalt der Fasern an Cellulose liegt zwischen 55 und 65 %, ergänzt um 10 bis 15 % Hemicellulose. Der Ligningehalt liegt zwischen 10 und 20 %, der Pektinanteil zwischen 2 und 4 %. Durch diese Werte ist Sisal – typisch für eine Blattfaser – härter und grober als Bastfasern. Sisal ist ausgesprochen zäh (57,2 cN/Tex) und zugfest (1830,12 cN/Tex), insbesondere jedoch zeichnet es seine im Vergleich zu anderen Fasern ungewöhnliche Steifigkeit aus.

Nutzung

Sisal ist eine relativ junge Naturfaser, ihr Gebrauch begann erst im 19. Jahrhundert und erreichte seine Blüte im frühen 20. Jahrhundert. Trotz eines Rückgangs ihrer Verwendung stellt sie bis heute eine der weltweit wichtigsten Naturfasern dar.

Sisal wird klassisch zur Produktion von Tauen, Seilen, Kordeln und groben Garnen verwendet, die teilweise als Ausgangsmaterial für Auslegewaren sowie kunsthandwerkliche Erzeugnisse dienen. Aufgrund seiner hohen Strapazierfähigkeit wird Kratzspielzeug für Katzen häufig mit Sisal-Seil bespannt. Neuere Einsatzgebiete sind die Verwendung als Füllstoff zum Beispiel für Matratzen oder als Geotextilie und Gewebe aus Sisal für Polierscheiben für technische Zwecke. Ebenso findet die Faser Verwendung in der Bauindustrie (Dämmstoffe, Faserplatten, Strukturmaterial für Gipsbauteile und Dachziegel).

Auch wird es zur Herstellung von Strohhüten verwendet. Noch nicht über das Stadium der Erforschung und Erprobung hinaus ist der Gebrauch von Sisal als Teil von Faser-Kunststoff-Verbund-Werkstoffen, in Brasilien wird zusätzlich ein Verbundwerkstoff aus Sisal und Zement erprobt, der Asbest in Fertigbauteilen ersetzen soll.Die Sisal-Faser wird auch zur Herstellung von Dart-Boards verwendet. Dadurch wird eine wesentlich höhere Lebensdauer der Boards erreicht als zum Beispiel bei der Verwendung von Papier oder Kork, da sich die Löcher nach dem Herausziehen der Dart-Pfeile wieder schließen. Als Textilfaser ist Sisal nicht geeignet. Darüber hinaus ist Sisal wegen seiner besonderen Eigenschaften ein interessanter Zusatzstoff in der Zellstoffherstellung für Spezialpapiere.

Aus Agave atrovirens wird in Mexiko das Nationalgetränk Pulque hergestellt; der nach Entfernen des Blütenschafts fließende Wundsaft hat einen Rohzuckeranteil zwischen 9 und 12%; pro Tag können von einer Pflanze 4–5 l Saft erhalten werden. Die alkoholischen Getränke Mescal und Tequila werden aus den "Schnapsagaven", z. B. Agave sequilana, gewonnen.

Anbau und Verbreitung

In Ostafrika erfolgt der Anbau überwiegend in großen Plantagen, in NO-Brasilien vor allem durch Kleinbauern.

Nach 2–4 Jahren werden jährlich 15–20 Blätter geschnitten und die 1–2 m langen Faserbündel, die den Leitbündeln anliegen, maschinell entfernt; anschließend werden sie gewaschen und getrocknet; durch Schlagen und Bürsten erhalten die glänzend gelben Fasern ihre ursprüngliche Geschmeidigkeit zurück.

Die Pflanzen können üblicherweise einmal jährlich beerntet werden, unter günstigen Bedingungen sind jedoch auch bis zu drei Ernten im Jahr möglich. Der Zeitpunkt der Ernte im Jahr ist beliebig, das ermöglicht eine hohe Flexibilität bei der Auswahl des Erntezeitpunktes. Rund 13 der 1,5 bis 2 (selten bis zu 3) Meter langen und 500 bis 1500 g schweren Blätter bilden je einen Ring um den Stamm. Bei einer Ernte werden rund 50 bis 65 Blätter, also 4 bis 5 Ringe, abgeerntet.

Die Blätter werden am Ansatz abgeschnitten, die stachelige Spitze wird gekappt und die Blätter werden gebündelt, bevor sie zum Faseraufschluss kommen.

Nach dem Faseraufschluss werden die Fasern gebündelt und 8 bis 12 Stunden in Wasser eingeweicht, um Pektin und Chlorophyll auszuwaschen (Wasserröste), anschließend werden sie 8 bis 10 Stunden an der Sonne getrocknet. Um restliches Parenchymgewebe und Kurzfasern zu entfernen, werden die Fasern danach noch maschinell ausgekämmt oder ausgeschlagen.

Umweltauswirkungen

Der Sisalanbau verursachte zunächst eine Umweltzerstörung, da die Sisalplantagen die einheimischen Wälder ersetzten, er gilt aber immer noch als weniger schädlich als viele Arten der Landwirtschaft. Bei der Sisalproduktion werden keine chemischen Düngemittel verwendet, und obwohl gelegentlich Herbizide eingesetzt werden, kann sogar diese Praxis weiter reduziert werden, da das Unkrautjäten größtenteils von Hand erfolgt. Das Abwasser aus dem Schälvorgang verursacht eine ernsthafte Verschmutzung, wenn es in die Wasserläufe fließt. In Tansania gibt es Pläne, den getrockneten Abfall als Biobrennstoff zu verwenden.

Wirtschaftliche Bedeutung

Die Weltproduktion an Sisalfasern erreichte Anfang der Sechziger Jahre einen Höchststand von fast 2,5 Mio. t. Zu Beginn der Siebziger Jahre lag die Erzeugung noch bei rund 800.000 t. Danach brach der Markt auf Grund der damals aufkommenden synthetischen Fasern zusammen. Hauptanbauländer wie Tansania verringerten ihre Erzeugung um bis zu 80 %. Nach der Jahrtausendwende wuchs die globale Produktion aber wieder auf über 200.000 t an.

Nach Tonnen ist Sisal die fünftwichtigste Faserpflanze weltweit. Im Jahr 2013 belief sich die Weltproduktion auf rund 281.000 Tonnen. Haupterzeugerländer sind Brasilien mit knapp der Hälfte der Weltproduktion (150.584 t), Tansania (34.875 t), Kenia (28.000 t), Madagaskar (18.950 t), VR China (16.500 t) und Mexiko (12.000 t).

Künftige Entwicklungen zielen u. a. darauf ab, die Pflanze insgesamt besser zu nutzen. Die Faser macht 4 % der ganzen Pflanze aus. Die restlichen 96 % sollen zukünftig beispielsweise zur Erzeugung von Biogas genutzt werden. Denkbar ist auch die Extraktion von Agavenwirkstoffen für die pharmazeutische Industrie, obendrein kann man aus dem Agavensaft Schnaps brennen.

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