Streuobst(an)bau
Streuobstanbau ist eine Form des extensiven Obstbaus, bei dem großteils starkwüchsige, hochstämmige und großkronige Obstbäume in weiträumigen Abständen stehen. Charakteristisch für Streuobstbestände (Obernutzung) ist die regelmäßige Unternutzung als Dauergrünland.
Andere Streuobstbestände sind flächenhafte Anpflanzungen von Hochstamm-Obstbäumen auf ackerbaulich oder gärtnerisch genutzten Flächen, sogenannte Streuobstäcker. Diese waren Anfang des 20. Jahrhunderts insbesondere auf ehemaligen Weinbaulagen weit verbreitet und kommen heute nur noch im südlichen Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Franken und Südbaden vor. Auch hochstämmige Obstalleen an Feld- und Fahrwegen (Straßenobst), in Hausgärten oder hochstämmige Einzelbäume in der freien Landschaft gehören zum Streuobstbau.
Häufig sind Streuobstbestände aus Obstbäumen verschiedener Arten und Sorten, Alters- und Größenklassen zusammengesetzt, sie sollten eine Mindestflächengröße von 0,15 ha umfassen. Im Unterschied zu modernen Dichtpflanzungen mit geschlossenen einheitlichen Pflanzungen ist in Streuobstbeständen stets der Einzelbaum erkennbar.
Zum Streuobst zählen:
- Einzelne Obstbäume, Obstbaumgruppen und Baumreihen entlang von Grenzrainen, Wegen und Straßen.
- Flächige Bestände mit eher regelmäßigen Abständen, wie in der klassischen Streuobstwiese.
- Die Obstarten Apfel, Birne, Kirsche, Pflaume und Walnuss, vereinzelt auch Quitte und Wildobst, z.B. Speierling.
Charakteristisch ist die doppelte Nutzung mit Obstanbau und einer Unterkultur als Wiese, Weide, Acker oder Garten sowie verschiedene Obstarten, Sorten und Altersstufen auf einer Fläche. Die Obstbäume stehen in Gärten, an Ortsrändern, auf Feldern, Wiesen und Weiden gewissermaßen über die Landschaft "ge- oder verstreut". Davon leitet sich der Begriff "Streuobst" ab. Die Streuobstbäume werden auf starkwachsende Unterlagen veredelt. Die typische Baumform ist der Hochstamm.
In ihrer Vielfalt der Anbauformen sind Streuobstbestände prägender Bestandteil der mitteleuropäischen Kulturlandschaften, vergleichbar agroforstwirtschaftlichen Anbausystemen Südeuropas wie die iberischen Dehesas, Oliven- oder Mandelhainen. Für die mitteleuropäische Biodiversität spielen Streuobstbestände mit über 5.000 Tier-, Pflanzen- und Pilzarten sowie über 6.000 Obstsorten eine herausragende Rolle. Charakterarten sind Steinkauz, Wendehals und Grünspecht.
In Europa existieren großflächige, landschaftsprägende Streuobstbestände insbesondere in Nordspanien, Frankreich, Luxemburg, Deutschland, der Schweiz, Österreich und Slowenien.
Gefährdet waren Streuobstbestände in den 1950er bis 1970er Jahren durch teils öffentlich geförderte Rodungen, die meist die Umwandlung in niederstämmige Monokulturen zum Ziel hatten. Heutzutage sind Streuobstbestände direkt am stärksten durch Bebauung, in Ballungsräumen durch Intensivierung in Gartengrundstücke mit englischem Rasen, Zäunen, Hütten und Nadelbäumen sowie in ländlichen Räumen durch Nutzungsaufgabe und Verbrachung gefährdet. Ursache hierfür ist die häufig mangelnde Rentabilität des Streuobstbaus im Vergleich zu den rationeller zu bewirtschaftenden Niederstamm-Anlagen. Dies gilt insbesondere für den Tafelobstbau. Bei der Direktvermarktung von Saft und der Kleinbrennerei war und ist die Streuobst-Bewirtschaftung vergleichsweise rentabel.
Seit Anfang der 1980er Jahre bemühen sich Naturschützer, Landwirte, öffentliche Hand und Keltereien vermehrt um Schutz und Förderung der Streuobstbestände in Deutschland. Motivation hierfür sind die Bedeutung des Streuobstbaus für Landschaftspflege und Naturschutz, als Kulturgut und als Erwerbszweig sowie für Naherholung und Tourismus. Die getrennte Erfassung und Vermarktung von Streuobstprodukten bringt einen Marktwert von über 15 Millionen Euro mit sich.
Die Mechanisierung der Ernte mit Lese- und Schüttelmaschinen, insbesondere in der Schweiz und zunehmend auch in Deutschland verbreitet, eröffnet der rentableren Bewirtschaftung neue Möglichkeiten.
Weitere Informationen:
- Streuobst - erhalten - pflegen - nutzen (LfL 2023)
- Streuobstbestände in Deutschland (BfN 2024)
- Bundesweites Verzeichnis Immaterielles Kulturerbe: Streuobstanbau (UNESCO 2021)
- Streuobst (LUBW)