Oase
Inselhafter Landstrich mit gegenüber seiner wüsten- oder halbwüstenhaften Umgebung kontrastierender ökologischer Ausstattung, in dem offenes Wasser oder Grundwasser eine üppigere Vegetation ermöglicht. Oasen sind ökologische Nischen.
Naturbelassene Oasen sind mit Schilf, Dornsträuchern und Bäumen bestanden. Allerdings sind die meisten Oasen in Kulturland verwandelt. In diesem Fall sind Oasen als bewässerungsgestützte, agrarwirtschaftliche Anpassungsformen menschlichen Lebens an Umweltbedingungen semiarider und arider Gebiete anzusehen. Der Begriff Oase wird angesichts deren unterschiedlichster Ausprägung, Funktion, Genese und Verbreitung sehr vielseitig verwendet und kann sowohl traditionsreiche Oasen mit jahrtausendealter Technik - prototypisch im islamischen Kulturkreis -, wie auch moderne, künstlich angelegte High-Tech-Oasen umfassen. Verbreitungsgebiete sind die Alte, aber auch die Neue Welt (z.B. Peru, Chile, Argentinien).
Für den Menschen hatten die Oasen - und haben sie stellenweise noch immer - elementare Bedeutung als Wasserstellen und Rastplätze nomadischer Gruppen in der Wüste. Je nach Wasserspende und geomorphologischer Einbettung sind Oasen auch landwirtschaftliche Produktionsräume meist auf der Basis künstlicher Bewässerung, die sich bei entsprechender Größe zu bedeutenden Versorgungs- und Handelsstützpunkten entwickeln konnten und einen geregelten Warenverkehr ermöglichten.
Als typische, klassische Oasen können Standorte gelten, an denen natürliche Wasseraustritte über die Erdoberfläche (Quellen, Seen) oder dicht darunter vorkommen, sodass sich Pflanzen (z.B. Dattelpalmen) ansiedeln und Brunnen angelegt werden konnten.
Mit verbesserten Hilfsmitteln zur Nutzung oberflächennahen Wasser (Schöpfbrunnen u.Ä.) oder durch unterirdische Stollensysteme (Foggaras, Qanate) sowie anderen Kulturtechniken (water harvesting, Zisternen, Wadi-Ableitungen usw.) oder Tiefbrunnen mit Motorpumpen entstanden zusätzlich künstliche Oasen. Solche klimatisch unabhängigen Wasserstellen entstehen z.B. durch das oberflächige Ausstreichen wasserführender Schichten (Aquifere), durch den Verschnitt des regionalen Grundwasserkörpers mit der Geländeoberfläche oder durch artesisches Wasser (gespanntes Grundwasser). Dabei handelt es sich häufig um fossiles Grundwasser, das in feuchteren Klimaphasen eingespeist worden ist und durch die Lage des Aquifers an die Erdoberfläche geführt wird. Auch regeneratives Grundwasser kann beteiligt sein, wenn es aus entfernten Bereichen (Gebirge, klimatisch feuchteren Schwellenregionen) unterirdisch in Wüstenbereiche eindringt, z.B. am Rand eines Ergs (Souf-Oasen). (Blümel 2013)
Die Art der Wasserzuführung erlaubt folgende Unterscheidungen:
- Flussoase mit z.T. regelmäßigen Uferüberschwemmungen (Nil, Mesopotamien, Tafilalet)
- Oase mit Grundwasseraustritt am Gebirgsfuß (Atlasrand, Tibesti, Iran)
- Quelloase (häufig mit artesisch gespanntem Grundwasserkörper; auch künstliche Brunnenoasen), sowohl regellos in der Wüste verstreut auftretend, wie auch gereiht in Talfurchen
- Grundwasseroase, bei der Bodenwasser von Pflanzenwurzeln erreicht werden kann
- Oase mit der Nutzung von tiefliegenden fossilen oder regenerativen Grundwasserkörpern
Durch künstliche Förderung und Verteilung des Wassers kann bei allen Oasenformen die bewässerte Fläche vergrößert oder das Maß und die Zeit der Bewässerung geregelt werden. Traditionelle Oasen befinden sich wegen der gravitativen Wasserzuführung immer auf orographisch tief gelegenen Flächen. Tiefbohrungen machen die Anlage von Bewässerungsflächen dagegen unabhängig vom Relief.
Der Aufbau und die Organisation von Bewässerungsanlagen hat die frühe Entstehung höherer sozialer Organisationsformen und volkreicher Städte in den Trockenräumen gefördert.
Traditionellen Oasen der Alten Welt sind folgende Merkmale zu eigen:
- Aridität und weitgehend unbesiedeltes Umland, was zum Inselcharakter der Oasen führt
- Vorhandensein nutzbaren Wassers
- eng begrenzter, punkt-, linien- oder flächenhafter Bewuchs von Kulturpflanzen, deren Anbau mit Hilfe von Bewässerung als Lebensgrundlage dient
- komplexe Anbaustruktur (Pflanzenvielfalt, Stockwerkbau)
- Dominanz der Dattelpalme als Anbaukultur in Oasen des islamischen Orients (ausgenommen große Höhenlagen)
- an die Bewässerungsflur anschließende ländliche Siedlungen (Qsar)
- Komplexität hinsichtlich Bewirtschaftungsformen, Besitzgefüge, Wasser- und Nutzungsrechten, Sozialstruktur
- Verbreitung in dem vom südlichen Marokko bis nach Westsinkiang reichenden islamischen Orient
- eines der intensivsten traditionellen Anbausysteme der Welt
- bei optimaler Ausprägung von sozialer Ordnung, ökologischer Verträglichkeit und ökonomischer Effizienz gelten traditionelle Oasen manchem als Musterbeispiel für nachhaltige Landwirtschaft.
Eigentlich handelt es sich bei der Oasenlandwirtschaft um eine Form des Gartenbaus. Es überwiegt die menschliche Arbeitskraft mit der Hacke als Universalgerät zur Bodenbearbeitung. Der Pflug mit Spanntieren oder Traktoren wird vor allem in großflächigen, offenen Stromoasen eingesetzt. Verallgemeinernde Aussagen zum Strukturwandel in Oasen der Alten Welt sind schwierig zu treffen.
Zumindest für die traditionellen saharischen Oasen gelten folgende Entwicklungen:
- Arbeitsemigration, aber auch Gastarbeiterrückwanderung mit folgender Investition in die Oasenwirtschaft
- Außenorientierung parallel zur Entwicklung des Autoverkehrs und zum Ausbau des Straßennetzes
- Öffnung für die Marktproduktion, z.T. mit neuen Produkten, u.a. Luzerne oder Alexandrinerklee als Viehfutter
- neue und marktorientierte Produktionsausrichtungen machen zusammen mit dem (scheinbar) unbeschränkt verfügbaren Tiefenwasser in neuen Bewässerungsflächen den Stockwerkbau unnötig
- Kommerzialisierung von alten, bislang unveräußerlichen Rechten (z.B. Verpachtung oder Verkauf von Wasserrechten)
- teilweise Ablösung des Khammessats durch Lohnzahlungen
- teilweise Lösung von kollektiven Organisationsformen, z.B. durch private Pumpbewässerung (Gefahr der Grundwasserabsenkung)
- Erweiterung der Bewässerungsflächen als Folge des Einsatzes von Motorpumpen und z.T. der Erschließung von tiefen Aquiferen
- neue Nutzungskonflikte um Wasser als Folge der motorisierten Förderung und der Wasseransprüche aus nicht-landwirtschaftlichen Bereichen (z.B. Tourismus)
- Anlage neuer Siedlungen außerhalb der Oasenflur als Folge allgemeinen Bevölkerungswachstums, der Rückwanderung von Arbeitsmigranten, dem Entstehen außerlandwirtschaftlicher Berufsfelder (Verwaltung, Einzelhandel, Erdölwirtschaft)
- staatliche Entwicklungsprojekte missachten häufig die Bedürfnisse der Einheimischen und führen oft zu ökologischen Problemen (Grundwasserabsenkung, -erhöhung, Abwasserprobleme, Bodenversalzung)
Die Oasen der südamerikanischen Trockendiagonale lassen sich nach Ratusny (1997) aufgrund kulturgenetischer Merkmale in drei Typen gliedern:
- Der Typus der alten indianischen Oasen, die durch spanische Eroberung und besonders durch den Bergbau im 19. Jh. überformt wurden und heute größtenteils in ihrer Entwicklung stagnieren, weil sie durch Nutzungskonkurrenzen und Abwanderung gekennzeichnet sind (z.B. Oasen im küstenfernen Großen Norden Chiles, peruanische Flussoasen, Gebirgsoasen in Nordwestargentinien).
- Der Typus der jungen Oasen (Mendoza, patagonische Flussoasen, Flussoasen im Kleinen Norden Chiles, peruanische Flussoasen u.w.) auf primär exportorientierter, landwirtschaftlicher Grundlage und z.T. mit stark überformten präkolonialen Kernen.
- Der Typus der nicht mehr primär auf landwirtschaftlicher Grundlage ruhenden Oasen. Sie sind allenfalls noch durch Gartenbau oder extensiven Feldbau gekennzeichnet (Peine, San Pedro de Atacama, Guatacondo u.a.), haben sonst aber neue Funktionen im Rahmen städtischer, montaner und touristischer Entwicklung übernommen.
High-Tech-Grundwasseroasen in Nordafrika sind in der Anfangsphase ihrer Einführung ein Abfallprodukt der Erdölexploration. Karusselbewässerung (center pivot) und Anlagen zur Tropfbewässerung nutzen fossiles, und damit erschöpfbares Wasser aus bis über 2.000 m tiefen Aquiferen. Eine Beurteilung muß Einzelfallprüfungen vorbehalten bleiben.
Mit entscheiden für die Persistenz und den Wachstumserfolg von Bewässerungsoasen - gleich welcher - Größenordnung - ist die Drainagetechnik, mit der die latente Versalzungsgefahr der Nutzfläche vermindert wird. Als negatives Beispiel ist die katastrophale Versalzung und Umweltveränderung im Zuflussbereich des inzwischen weitflächig ausgetrockneten Aralsees anzuführen.