Lexikon des Agrarraums

Kurt G. Baldenhofer

Zuckerrohrplantage in Australien

Qanat

Auch Kanat; Bezeichnung für die schon im Altertum im persischen und arabischen Raum angewandte Technik von Sickerstollen, mit denen in ariden bis semiariden Gebieten Grundwasser in Gebirgsregionen erschlossen und zu Bewässerungsflächen und Siedlungsgebieten geleitet wird.

Ein Qanat besteht aus einem bis zum Grundwasser reichender Mutterbrunnen, mehreren vertikalen Zugangsschächten und dem Qanat-Kanal. Der Qanat-Kanal ist ein Stollen, der mit geringem Gefälle vom Mutterbrunnen über die Zugangsschächte bis zum Qanat-Austritt führt.

Die vertikalen Luftschächte (Brunnen) zur Vereinfachung der Reinigung und zum notwendigen Druckausgleich sind die von außen wahrnehmbaren Indizien für die Existenz eines Qanats.

In den bis 1,8 Meter hohen und 0,6-2,4 Meter breiten Stollen wird Grund- und Sickerwasser mit einem Gefälle von 0,2-0,5 Promille, entsprechend den Geländeverhältnissen an der Oberfläche geführt. Der Stollen geht meist vom Fuß eines Berges aus und endet in einem Oasendorf oder in einer Stadt. Ein Qanat ist kein unterirdischer Flusslauf, und er wird auch oft nicht von einer "Quelle" gespeist. Er wirkt vielmehr wie eine Drainage und zieht die Bodenfeuchtigkeit der Tiefe an sich. Durch die Qanatbauweise wird das Grundwasser angezapft und ohne Anwendung von menschlicher, tierischer oder mechanischer Kraft zu Tage gefördert.

An der Oberfläche kann man die unterirdischen Qanat-Systeme an den perlschnurartig aufgereihten Arbeits- und Belüftungsschächten erkennen, die wie Maulwurfshügel dem Materialaushub beim Bau und bei der Unterhaltung dienen. Die regelmäßige Abfolge der kraterähnlichen Schachtöffnungen schwankt je nach anstehendem Material und Tiefe des Ableitungsstollens zwischen 20 und 200 Metern. Mit einfachsten technischen Mitteln – Fußwinde, Hanfseil, Ledersack, Kurzhacke, Handschaufel, Kerzen und einfachen Nivelliergeräten – wurden die unterirdischen Stollen von speziellen Berufsgruppen geschaffen.

Qanate kann man in fast allen Ländern am Persisch-Arabischen Golf sowie in Afghanistan, Pakistan, Syrien, Libyen, am Rande der Taklamakan und im gesamten Maghreb sowie auf den Kanarischen Inseln oder auch im Harz finden. Daher gibt es viele verschiedene Bezeichnungen für sie. Auf Persisch heißen sie Kariz bzw. Karez. Im Oman werden sie Faladsch genannt, in Nord-Afrika, im Maghreb, lautet die Bezeichnung Foggara, was so viel wie „unterirdischer Stollen“ bedeutet. In Marokko sind auch die Bezeichnungen Rhetara, Khettara, Hattaras oder Käris gebräuchlich.

Die Technik breitete sich auch bis in das nördliche Indien aus, ebenso nach China. Mit den Arabern erfuhren die Qanate eine Ausbreitung nach Algerien, Marokko, Sizilien (z. B. die Qanate von Palermo), schließlich Spanien und von hier nach Südamerika.

Der Ursprung der Qanat-Wassergewinnung liegt vermutlich vor über 2000 v. Chr. im Raum des heutigen Iran. Vor allem am Rande der Wüsten Lut und Kavir wird heute noch auf diese Art Wasser gewonnen. Als eines der frühesten Qanate kann jenes von Zavareh gelten, das über 5000 Jahre alt ist. Ein anderes Beispiel ist das Qanat von Gonabad, mit einem Mutterbrunnen von 350 m Tiefe und einem Alter von über 2500 Jahren.

Von Iran aus verbreitete sich die Technik der unterirdischen Bewässerungskanäle vor allem über die Seidenstraße in der antiken Welt und erreichte nach der ersten persischen Eroberung im Jahr 525 v. Chr. Ägypten. Später breitete sich diese Technik auch in das Römische Reich aus, wo jedoch die Technik der Aquädukte maßgebender war. Ein Beispiel für eine römische Qanat-Leitung wurde in Brey am Rhein entdeckt, noch weiter nördlich, im Kreis Düren liegt mit 1660 m das längste Wassertunnelbauwerk nördlich der Alpen, das auf diese Weise gebaut wurde: der Drover-Berg-Tunnel.

Die Gründe für die Entwicklung und Ausbreitung der Qanattechnik liegen wohl primär im Fehlen größerer Flüsse der betreffenden Gebiete und auch an der Nähe der Siedlungen zu einem vergleichsweise niederschlagsreichen Berg oder Gebirge. Auch das aride Klima mit seinen extrem hohen Verdunstungsraten ist hierfür mitverantwortlich, da Quellen schnell austrocknen und eine oberflächliche Leitung des Wassers über lange Distanzen zu hohe Verluste bedingen würde.

Für den Grundwasserreichtum sind vor allem die Steigungsregen der Berghänge verantwortlich, deren Wasser versickert und sich in den Poren eines Grundwasserleiters (Aquifer) über einer Grundwasser stauenden Schicht ansammelt. Von dort kann das Wasser über die Qanate abgeleitet werden.

(s. a. Foggara, Bewässerung, Bewässerungswirtschaft)

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