Umweltwirkungen
Auswirkungen menschlicher Tätigkeit auf terrestrische Systeme unterschiedlicher Art Größe und darin lebende Organismen. In einer allein aus natürlichen Ökosystemen bestehenden Umwelt konnte der Mensch nur als Jäger und Sammler existieren. Erst der Übergang zu Pflanzenbau und Viehhaltung ermöglichte den Menschen sich vom Zwang der eigenständigen Nahrungsbeschaffung zu befreien. Die zuverlässige Sicherung der Ernährung auch der nicht in der Landwirtschaft tätigen Bevölkerung durch die Landwirtschaft stellte die Grundlage unserer heutigen arbeitsteiligen Gesellschaft dar. Die wachsende Produktion in Pflanzenbau und Tierhaltung ermöglichte die Ansammlung und Aufbewahrung größerer Nahrungsmittelvorräte und schuf damit die Voraussetzung für die räumliche Differenzierung in Stadt und Land sowie die Versorgung der immer stärker wachsenden Bevölkerung.
Die Befriedigung des elementaren Grundbedürfnisses der Nahrungsmittelversorgung besitzt daher einen hohen ökonomischen Stellenwert. Gleichzeitig ist sie von großer ökologischer Bedeutung, da die Nahrung nur durch mehr oder weniger starke Eingriffe in die natürliche Umwelt erzeugt werden kann.
Während die ökonomische Rolle der Landwirtschaft im Vergleich zum sekundären und tertiären Sektor in jüngerer Zeit zunehmend an Bedeutung verloren hat, ist die ökologische Sonderstellung jedoch geblieben. Die Landwirte haben seit dem Beginn der landwirtschaftlichen Bodennutzung maßgeblich die Entwicklung und Gestalt des Raumes und der Landschaft bestimmt. Dadurch war und ist die Landbewirtschaftung zwangsläufig zugleich Umweltgestaltung. In Deutschland beispielsweise nutzt die Landwirtschaft ca. die Hälfte der Landesfläche. Dies kann zur Erhaltung der Natur, zur Schaffung und Entwicklung einer Kulturlandschaft, zur Erhöhung der Artenvielfalt, aber auch zur Beeinträchtigung der Natur und zur Umweltbelastung führen.
Neben diesen augenfälligen Wirkungen ist auch der Beitrag der Landwirtschaft zu globalen Klimaänderungen zu sehen: Von der Gesamtbelastung durch Spurengase in Höhe von 260 Mio. t CO2-Äquivalenten, verursacht durch den gesamten Komplex Ernährung in Deutschland, entfallen ca. 52 % auf das Konto der landwirtschaftlichen Produktion, ca. 6 % auf die industrielle und handwerkliche Weiterverarbeitung, 13% auf die Distribution und 29 % auf die Verbraucheraktivitäten.
Andererseits ist die Landwirtschaft durch ihre raumintensive Wirtschaftsweise unvergleichbar mehr als andere Wirtschaftszweige möglichen Umweltbelastungen oder Veränderungen der natürlichen Umwelt gegenüber exponiert.
Die Landwirtschaft ist somit gleichzeitig Verursacher von negativen externen Effekten (insbesondere die moderne Intensivlandwirtschaft), wie auch Opfer von Umweltbelastungen, und sie ist zusätzlich Produzent von positiven externen Effekten:
1. Umweltbelastungen durch die moderne Landwirtschaft (negative externe Effekte)
- Grund- und Trinkwasserbelastung durch den Eintrag von Nitrat, Nitrit und Pestiziden
- Eutrophierung der Binnengewässer durch Anreicherung mit Phosphat, Ammoniak und Nitrat (in Deutschland 40 - 45 % aller Einträge aus der Landwirtschaft)
- Nährstoffeinträge in Meere mit der Folge übermäßigen Algenwachstums in den Küstengewässern (Fischsterben wegen massivem Sauerstoffmangel)
- Einschränkung der Puffer- und Filterwirkung des Bodens infolge einer Immobilisierung von Nitrat und Phosphat
- Bodenverdichtungen
- Bodenversauerung (die Deposition stickstoffhaltiger Spurengase aus der Landwirtschaft, vor allem NH3, aber auch NOx, trägt in Deutschland zu ca. einem Drittel zu der Bodenversauerung bei)
- Bodenerosion (beispielsweise wird in Bayern der maximal tolerierbare Bodenabtrag von 8 t/ha/a auf 43 % der Ackerfläche überschritten)
- Emissionen von Ammoniak und Schwefelwasserstoff
- Abgabe von direkt wie indirekt treibhauswirksamen Spurengasen wie Distickstoffoxid, Stickoxiden, Methan, Ammoniak und Kohlendioxid, auch durch die intensiven Vorleistungen (Produktion und Transport von Düngemitteln, Bioziden etc., Transport von Futtermitteln etc.)
- Abgabe der Ozonvorläufergase CO und NOx in der Troposphäre
- Emission von Gasen, die direkt oder indirekt zum Abbau stratosphärischen Ozons beitragen (N2O, NO2, CH4)
- Reduzierung und Nivellierung der Arten- und Biotopvielfalt durch Einträge von Ammonium, Nitrat, Ammoniak und Phosphat sowie durch Nutzungsänderungen (Grünlandumbruch), Vergrößerung der Schläge und Entwässerung
- indirekte Beeinträchtigungen nährstoffarmer Landschaftsteile (z.B. die Randbereiche von Streuwiesen, Mooren und Stillwässern, die in Senken liegen und von Intensivgrünland umgeben sind)
- Gesundheitliche Gefährdung und Beeinträchtigung der Menschen durch Emissionen von Ammoniak, Schwefelwasserstoff, ferner von pathogenen Bakterien, Pilzen, Sporen, Viren, Endotoxinen und eiweißhaltigen und damit Allergien und Asthma verursachenden Stäuben aus Massentierhaltungen (farmer's disease), Abdrift von Pflanzenschutzmitteln sowie Rückstände von Medikamenten in Fleisch und von anderen Stoffen in pflanzlichen Nahrungsmitteln
- Geruchsbelästigung aus der Tierhaltung und der Güllewirtschaft
- ausgeräumte Landschaften durch Begradigung von Wasserläufen und Flurstücken, Innutzungnahme von Ödland, Entfernung von Gehölzen usw.
- Beseitigung geomorphologischer Vielfalt (z.B. Verfüllung von kaltzeitlichen Söllen)
- Beeinträchtigung des Lebensraums bodenbewohnender Tiere durch tiefere und häufigere Bodenbearbeitung
- Waldvernichtung in den Tropen und Subtropen
Zu diesen von der Landwirtschaft direkt zu verantwortenden Umweltbelastungen treten jene, die durch Weiterverarbeitung und Transport von Nahrungsmitteln sowie das Verbraucherverhalten (z.B. Überkonsumption, Nachfrage nach veredelten Produkten) verursacht werden.
Wesentliche Triebkräfte der Veränderungen sind die Entwicklung und Übernahme mechanischer biologischer und chemisch-technischer Fortschritte, begünstigt durch eine Agrarpolitik, die lange Zeit durch vielfältige Maßnahmen Intensitätssteigerungen in der Landwirtschaft gefördert und durch die Agrarpreispolitik beschleunigt hat. Zudem steht die Landwirtschaft in einer starken Flächenkonkurrenz gegenüber den Ansprüchen von Siedlungen und Verkehr.
Die Folgen der intensiv-konventionellen Landwirtschaft (Lagerung und Vernichtung von Überschüssen, Reparatur von Umweltschäden) werden sozialisiert, d.h. sie sind über Steuern oder z.B. über höhere Preise für aufzubereitendes Trinkwasser zu finanzieren. Ursache dieser Entwicklungen ist vielfach die Auffassung, die Landwirtschaft unterläge den gleichen betriebswirtschaftlichen Grundsätzen wie die Industrie. Dem steht die Position gegenüber, daß die Erhaltung von Bodenfruchtbarkeit oder die Nachhaltigkeit der Produktionsmethoden mit bloßer Gewinnmaximierung und kurzfristigen Wirtschaftlichkeitsüberlegungen nicht vereinbar sind. Schließlich gelten Nachhaltigkeit und das Ausmaß der Störung fremder Ökosysteme als die wichtigsten ökologischen Kriterien der landwirtschaftlichen Produktion.
2. Belastungen der Landwirtschaft durch Umwelteinflüsse
- Hohe Konzentrationen von Photooxidantien (vor allem Ozon) besonders im Sommer
- Saure Niederschläge durch die Oxidation von Schwefeldioxid, Stickoxiden und Ammoniak (jährlicher Aufwand von ca. 300 Mio. DM für die zur Neutralisation teilweise nötige Bodenkalkung von landwirtschaftlichen Flächen in Deutschland)
- Pflanzen können Schadstoffe (auch ohne eigene Schäden) einlagern und an Konsumenten weitergeben
- Verstärkte UV-B-Strahlung als Folge des stratosphärischen Ozon-Abbaus (mögliche Ertragsverluste gegenwärtig nicht abschätzbar)
- Radioaktive Niederschläge als Folge von Unfällen in kerntechnischen Anlagen (Three Mile Island, Windscale, Tschernobyl)
- Verlust von Agrarland durch Versiegelung und seine Zerschneidung durch Infrastruktureinrichtungen (Straßen, Pipelines u.a.)
- Anpassungsprobleme an globale Klimaveränderungen
3. Positive Wirkungen der Landwirtschaft auf die Umwelt (positive externe Effekte)
- Schaffung und Offenhaltung der heutigen Kulturlandschaft
- Ermöglichung einer gegenüber der natürlichen Vegetationsbedeckung größeren Arten- und Biotopvielfalt
- Entwicklung einer großen Rassen- und Sortenvielfalt mit entsprechendem genetischem Reichtum
- Landschaftspflege im ökologischen Sinn als kostenloses Koppelprodukt der Nahrungs- und Rohstofferzeugung durch die extensive Landwirtschaft im 18., 19. und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts
- Schutz-, Filter- und Reinigungswirkungen für Wasser, Luft und Böden
- Durch den Einsatz von Klärschlämmen und Biokomposten Beitrag zur Schließung von Stoffkreisläufen
- Erhalt der sozialen Funktionen des ländlichen Lebensraumes für die Menschen
- Freizeit- und Erholungswert für die ländliche Bevölkerung, vor allem aber für die Menschen in den Städten und Ballungsräumen
- Beitrag zur Erhaltung bzw. Schaffung einer regionalen Identität und spezifischen Regionalkultur (z.B. Prägung der umgebenden Kulturlandschaft, des Dorfbildes und eines ortsnahen Handels).
Wirtschaftliche, gesellschaftspolitische und ökologische Funktionen waren in der traditionellen Wirtschaftsweise durch das langfristige und intuitive Denken der Bauern miteinander verbunden (systemimmanente Leistungen) und wurden von der Gesellschaft wie selbstverständlich angenommen. Erst die Einschränkung oder der Verlust der positiven Funktionen der Landwirtschaft hat in der Gesellschaft ein Bewußtsein für die Notwendigkeit einer umweltverträglichen Landschaftsbewirtschaftung entstehen lassen. Zum Erhalt der genannten positiven Funktionen der Landwirtschaft und der Kulturlandschaft ist eine weitgehend flächendeckende Landbewirtschaftung unabdingbar. Hierzu müssen eigenständige, regionalspezifische, umwelt- und naturschutzpolitische Leitbilder entwickelt werden und in sozioökonomische Erfordernisse eingebunden werden. Beispielsweise sollten Wege gefunden werden, die Wohlfahrtswirkungen der Landwirtschaft über die Marktpreise zu honorieren und somit einkommenswirksam zu machen.
Entscheidungen im komplexen Konfliktfeld Landwirtschaft-Umwelt setzen verläßliche quantitative Informationen voraus. Diese können durch zu entwickelnde Agrar-Umwelt-Informationssysteme und deren Umweltindikatoren geliefert werden.
10 Dinge, die Sie im Alltag für eine gesündere und vielfältigere Landwirtschaft tun können:
- Weniger, dafür artgerecht produziertes Fleisch essen
- Regional und saisonal einkaufen
- Bauernmärkte, Hofläden und andere Direktvermarktungsmöglichkeiten nutzen, den Kontakt zu den Erzeugern suchen und sich über die Herstellung informieren
- Biolebensmittel kaufen (bevorzugt von den strengeren Zertifizierern wie Demeter, Bioland, Naturland) und die Mehrkosten durch weniger Fleisch, Fertigprodukte und Zuckerwaren wettmachen
- Auch bei importierten Produkten FairTrade und Bio bevorzugen
- Bewusst genießen, selber kochen, Reste verwerten und dadurch Abfall vermeiden (Klasse statt Masse)
- Gleichgesinnte kennenlernen, etwa in Verbänden und Vereinen wie den örtlichen Gruppen von Slowfood Deutschland
- Sich für einen politischen Wandel einsetzen, beispielsweise durch die direkte Ansprache lokaler Politiker oder Bundestagsabgeordneter oder durch Teilnahme an Protestveranstaltungen, wie der jährlich zur Grünen Woche in Berlin stattfindenden Demo unter dem Motto "Wir haben es satt".
- In der örtlichen Mensa, Kantine und in der Gastronomie darauf hinwirken, dass vermehrt regionale und ökologisch produzierte Lebensmittel genutzt werden
- Fragen, fragen, fragen: Bauern, Politiker, Metzger, in Supermärkten oder in der Gastronomie. Erkundigen Sie sich nach Qualität, Herstellung und Verarbeitung der Lebensmittel und machen Sie klar, dass Ihnen viel an einer ökologisch und ethisch vertretbaren Lebensmittelproduktion gelegen ist.
Quelle: ZEIT ONLINE
Weitere Informationen:
- Landwirtschaftsrecht (UBA)
- Umweltschutz in der Landwirtschaft (UBA)
- Umwelt und Landwirtschaft 2018 (UBA)
- Für eine gemeinwohlorientierte Gemeinsame Agrarpolitik der EU nach 2020: Grundsatzfragen und Empfehlungen (Wiss. Beirat BMEL)
- Bundes-Immissionsschutzgesetz - BImSchG (BMJV)
- Auf dem Weg zur klimafreundlichen Landwirtschaft - Gezielte Maßnahmen in den richtigen Regionen senken globale Treibhausgasemissionen (Pflanzenforschung.de)
- Quantifizierung der landwirtschaftlich verursachten Kosten zur Sicherung der Trinkwasserbereitstellung (UBA)
- Für eine Gemeinsame Agrarpolitik, die konsequent zum Erhalt der biologischen Vielfalt beiträgt (Wiss. Beirat GR BMEL)
- Environmental and Social Standards (FAO)
- Umweltprobleme der Landwirtschaft - Eine Bilanz (UBA 2015)
- Landwirtschaft und Umwelt - Entwicklung eines Spannungsverhältnisses (BueL Jubiläumsausgabe 2023)
- Trinkwasser und Landwirtschaft (LandInForm 02/2020)
- Klimaschutz, landwirtschaftliche Fläche und natürliche Lebensräume (WWF 2021)