Lexikon des Agrarraums

Kurt G. Baldenhofer

Zuckerrohrplantage in Australien

Agrarraum

Übergreifender und maßstabsmäßig nicht einzuordnender Begriff, der den gesamten, auf irgendeine Weise landwirtschaftlich genutzten Teil der Erdoberfläche bezeichnet. Sein Umfang wird auf der Grundlage von einzelstaatlich sehr unterschiedlichen Erhebungskriterien von der FAO für 1993 mit 48,1 Mio. km² angegeben, das sind rund 32 % des festen Landes. Der Agrarraum in globaler Sicht ist Gegenstand der Agrargeographie.

Etwa 14,5 Mio. km² oder 10 % der Festlandsfläche werden als Ackerland genutzt, während auf das sogenannte Dauergrünland 33,6 Mio. km² entfallen. Darunter ist vorwiegend extensiv genutztes Weideland zu verstehen. Lediglich 10 - 12 % des Dauergrünlandes besteht aus gedüngtem und z.T. melioriertem Kulturgrasland. Gleichzeitig werden 28 % des Ackerlandes (4 Mio. km²) zur Produktion von Ackerfutter für die tierische Veredelung eingesetzt. Berücksichtigt man noch die Nebenprodukte der pflanzlichen Produktion, die in der Tierernährung eingesetzt werden (u.a. Stroh, Rübenblatt, Ölkuchenschrote, Treber, Melasse), so sind ca. ¾ des gesamten Agrarraums der Erzeugung tierischer Produkte gewidmet.

Hinsichtlich bislang noch nicht genutzter Reserven an potentiellem Ackerland geht die FAO von zusätzlichen 3,5 Mio. km² aus. Davon entfallen 48 % auf Lateinamerika und 44 % auf das subsaharische Afrika. Südasien und der Vordere Orient verfügen kaum noch über Landreserven. Etwa die Hälfte des zusätzlichen Flächenpotentials ist mit Wald bestockt, dessen Rodung aus ökologischen Gründen problematisch ist. Weitere Teile sind Gebirgsland oder tragen ertragsarme Böden. Realistisch erscheint der FAO eine Ausweitung der landwirtschaftlichen Nutzfläche bis zum Jahre 2010 um lediglich 90 Mio. ha. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, den Nahrungsbedarf der zunehmenden Weltbevölkerung ganz überwiegend aus Ertragssteigerungen zu decken.

Begünstigte Teile des Agrarraums lassen sich im Vergleich zu weniger begünstigten - gleicher technischer Entwicklungsstand vorausgesetzt - nach folgenden Kriterien abgrenzen:

Die Außengrenzen des Agrarraums der Erde lassen sich mit einiger Sicherheit nur auf der Grundlage des Anbaus von Kulturpflanzen angeben, da die Grenzen der viehwirtschaftlichen Nutzung allzu unsicher sind und erheblichen jährlichen und jahreszeitlichen Schwankungen unterliegen. Zwischen der Grenze des Ackerbaus (agronomische Grenze) und den landwirtschaftlich nicht mehr nutzbaren Trocken- und Kältezonen erstreckt sich eine Zone - in den Gebirgen eine Höhenstufe -, die ausschließlich viehwirtschaftlich genutzt wird. Sie ist in unterschiedlichen Intensitätsstufen ausgebildet. In graswüchsigen kühl-gemäßigten Klimaten dient die Futterfläche der Gras- und Heugewinnung bei hohem Arbeits- und Kapitalaufwand. An der Trockengrenze und in tropischen und subtropischen Gebirgen dominieren dagegen extensive Weidewirtschaftssysteme auf der Basis natürlicher Pflanzengesellschaften, ähnlich wie die Rentierhaltung an der Polargrenze.

Es sind vorrangig klimatische Faktoren, welche die absoluten (biologischen) Anbaugrenzen in Form von Trockengrenze, Polargrenze und Höhengrenze bestimmen. Demgegenüber hat die Grenze des Agrarraums gegenüber dem Wald anthropogene Ursachen, d.h. sie hängt überwiegend von sozioökonomischen und technischen Faktoren ab, hat daher keinen Absolutheitscharakter und ist folglich weniger konstant als die klimabedingten Grenzen. Die klimabedingten Anbaugrenzen sind durchweg als Grenzsäume mit folgenden Merkmalen ausgebildet:

Die Außengrenzen des Agrarraums, insbesondere des Anbaus unterliegen aus historischer Sicht Expansions- aber auch Kontraktionsphasen. Weltweit läßt sich eine generelle Ausweitung der ackerbaulich genutzten Flächen seit der Jungsteinzeit feststellen. Als Höhepunkt gilt dabei die Kultivierung der ektropischen Wald- und Grasländer Nord- und Südamerikas, Australiens, Südrußlands und Sibiriens. Gegenwärtig überwiegt wieder die Kontraktionsrichtung.

Der Agrarraum wird von einem regional unterschiedlichen Wirkungsgeflecht ökologischer, ökonomischer, politischer, kultureller und sozialer Faktoren gestaltet, das man unter dem Begriff "agrarräumliche Struktur" zusammenfasst. Über eine Klassifizierung derartiger Strukturen versucht die Agrargeographie zu einer (z.T. hierarchischen) Regionalisierung von Agrarraumeinheiten zu gelangen (vgl. Arnold 1997). Sick (1997) vertritt eine praktikable Einordnung definierter Agrarraumeinheiten in drei größenabhängige Ordnungsstufen:

Ordnungsstufen von Agrarraumeinheiten
Ordnungsstufen von Agrarraumeinheiten

Gleichzeitig verdeutlicht er, daß eine flächendeckende hierarchische Gliederung des gesamten Agrarraums nach diesem Ordnungsprinzip nicht möglich ist, da viele Raumeinheiten sich nicht eindeutig zuordnen lassen und zwischen ihnen zahlreiche Übergänge bestehen.

(s. a. Agrarbetrieb, Agrarregion)

Pfeil nach linksAgrarquoteHausIndexAgrarrechtPfeil nach rechts