Lexikon des Agrarraums

Kurt G. Baldenhofer

Zuckerrohrplantage in Australien

Familienbetrieb

Eine einheitliche Definition, mit der sich die familienbetriebene Landwirtschaft zutreffend beschreiben ließe, gibt es nicht. Eurostat verwendet den Begriff für landwirtschaftliche Betriebe, die von einer Familie bewirtschaftet werden und deren Arbeitskräfte zu 50 oder mehr Prozent Familienmitglieder sind. Eine ähnliche, noch vagere Definition verwendet auch die FAO: „…an agricultural holding which is managed and operated by a household and where farm labour is largely supplied by that household”. (Eurostat)

Der Familienbetrieb sichert den Lebensunterhalt der Familie. Sie bezieht den Großteil ihres Einkommens aus der Landwirtschaft und wohnt entweder auf dem Hof oder in unmittelbarer Nähe. Üblicherweise bleibt der Betrieb generationenübergreifend in der Familie und wird innerhalb dieser weitervererbt. Somit tritt ein direkter Familienangehöriger die Hofnachfolge des Familienbetriebs an. Dabei erhalten die Vorbesitzer zu ihren Lebzeiten und in direktem Anschluss an die Weitergabe des Betriebes ein lebenslanges Wohnrecht. Gleichzeitig werden bestimmte kulturelle Überlieferungen und Werte weitergeführt.

Meist handelt es sich bei den Mitarbeitern in einem Familienbetrieb fast ausschließlich um Verwandte. In manchen Fällen werden auch weitere landwirtschaftliche Angestellte beschäftigt. Das ist meist bei größeren Betrieben beziehungsweise bei Betriebsvergrößerungen der Fall.

Im Jahr 2016 wurden in der Europäischen Union über 9 von 10 landwirtschaftlichen Betrieben (93 %) nur vom Betriebsleiter (m/w) und Familienangehörigen bewirtschaftet. In Deutschland und auch in anderen europäischen Ländern sind klassische Familienbetriebe im Bereich der Landwirtschaft in vergangenen Jahren rückläufig. Der Anteil an Familienbetrieben ist in Westdeutschland beispielsweise seit den 1940er Jahren um rund 80 Prozent zurückgegangen. Der Begriff Familienbetrieb bezeichnet häufig, aber nicht ausschließlich kleine bis mittelständische Familienunternehmen.

Auch weltweit wird die Landwirtschaft derzeit von Familienbetrieben dominiert: Sie erzeugen 70 % der Weltnahrungsmittelproduktion, stellen einen beträchtlichen Anteil der Arbeitsplätze weltweit und sind ein wichtiger Impulsgeber für die Entwicklung der ländlichen Gebiete überall auf der Welt. Diesem Produktionsmodell ist es zu verdanken, dass lokale Erzeugnisse erhalten bleiben, und es trägt zur Bereicherung lokaler Traditionen und Kulturen bei. Jedoch bewirtschaften die Landwirte in den ländlichen Gebieten zumeist nur kleine Betriebe und sind daher mit ihren Familien oftmals von Armut und Hunger bedroht.

Das Konzept der familienbetriebenen Landwirtschaft umfasst – je nach Kultur, Region, Land usw. – ein breites Spektrum unterschiedlicher Ausprägungen; folglich kann für den Begriff „familienbetriebene Landwirtschaft“ auch keine allgemein gültige Definition zugrunde gelegt werden.

Das Kriterium der Betriebsgröße findet üblicherweise bei einer Definition keine Berücksichtigung. Bei landwirtschaftlichen Familienbetrieben handelt es sich nicht zwangsläufig um Kleinbetriebe, und Betriebe, die in einer Region als klein gelten, können in einer anderen Region bereits zu den großen Betrieben zählen.

In den USA wurde schon seit ihrer frühen Geschichte der auf eigenem Land wirtschaftende freie Farmer als Rückgrat der Demokratie betrachtet, ihm sollte daher auch der besondere Schutz der Regierung zuteilwerden. Die im Zuge des Homestead Act von 1862 und seiner Folgegesetze durchgeführte Landvergabe an Siedler und die sich daraus ergebende Dominanz von Einzelhofsiedlungen spiegelt dies bis heute wider. Im weiteren Verlauf hat dies zu einem regelrechten Mythos der family farm geführt: Sie wird bis in die Gegenwart als politisch und gesellschaftlich gewünschte Eigentumsform propagiert.

Der vom Economic Research Service (ERS) des US-Landwirtschaftsministeriums (USDA) herausgegebene Bericht America's Farms and Ranches at a Glance, früher bekannt als America's Diverse Family Farms Report dient dazu, agrarpolitischen Entscheidungsträgern detaillierte Informationen über die Strukturen, finanziellen Verhältnisse, die verschiedenen Einkommensquellen u. a. m. von US-Farmen zu liefern. Da er verschiedene Farmtypen unterscheidet und textliche Erläuterungen bietet, ist der Family Farm Report eine wichtige ergänzende Informationsquelle zu dem ausschließlich aus Statistiken bestehenden Agrarzensus.

Die 2013 vom ERS im USDA, entwickelte Agrartypologie konzentriert sich in erster Linie auf "Familienbetriebe" (family farms), d. h. auf Farmen oder Ranches, die mehrheitlich im Besitz eines Betriebsleiters und von Personen sind, die mit einem der Betriebsleiter verwandt sind. Seit den 1970er Jahren definiert das USDA einen Bauernhof als einen Ort, der in einem bestimmten Jahr mindestens 1.000 Dollar an nicht inflationsbereinigten landwirtschaftlichen Erzeugnissen produziert und verkauft hat oder normalerweise produziert und verkauft hätte. (ERS)

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