Futtermittelimporte
Veränderte Ernährungsgewohnheiten (verstärkte Nachfrage nach tierischen Eiweißen), gestiegene Verkehrskapazitäten, weltweite Marktbeziehungen, Marktmacht von Agrarhandelskonzernen und politischer Druck von Seiten der USA haben seit den 60er Jahren Futtermittelimporte in die EU permanent steigen lassen. Importfutter wird in der Regel zu Kraftfutter, hochkonzentrierten pflanzlichen Eiweißerzeugnissen, zusammengemischt.
Hinzu kommen aber auch ein tiefgreifender Wandel in den Tierhaltungssystemen, wie die Intensivierung der Tierhaltung und der Züchtung, eine Verschiebung der Nachfrage zu sogenanntem „weißen“ Fleisch (vor allem Geflügel) sowie eine lange Phase äußerst niedriger Agrarpreise.
Diese Art der Ernährung mit einem hohen Anteil an Fleisch, Milch, Eiern und anderen tierischen Produkten verbraucht nicht nur sehr viele Ressourcen, wie Ackerfläche, Wasser und Energie, sondern ist außerdem sehr ineffizient in der Verwertung pflanzlicher Energie. Die Risiken dieses Konsummusters verschärfen sich in dem Maße, wie weltweit immer mehr Menschen diese Ernährungsweise anstreben und auch bezahlen können. Dennoch bleibt es ein exklusives Konsummodell, das den Ausschluss des größten Teils der Menschheit beinhaltet. Es setzt voraus, dass nicht alle Menschen gleichermaßen auf die natürlichen Ressourcen der Erde zugreifen.
Der Einsatz von importierten Futtermitteln stellt einen bedeutenden Eintrag von Nährstoffen in die Nährstoffketten bzw. -kreisläufe dar. Für die alten Bundesländer betrug er in der Mitte der 90er Jahre ca. 500.000 t Stickstoff und 190.000 t Phosphat.
Die Futtermittelimporte sind für die von der Bretagne über die Niederlande, die Region Vechta/Cloppenburg bis nach Dänemark reichenden Intensivmästereien in ihrer gegenwärtigen Struktur unerläßlich. Die dortigen Massentierhaltungen weisen Viehzahlen von ca. 5.000 Schweinen oder 100.000 Hühnern pro Anlage auf. Die Futtervorräte dieser bodenunabhängigen Viehhaltung würden jeweils nur für einige Tage reichen.
Eine Reduzierung der Importmengen zugunsten eines erhöhten Einsatzes europäischer Futtermittel hätte schwere Handelsauseinandersetzungen mit den USA zur Folge. Schon der Einführung der EG-Marktordnungen mit dem Abschöpfungssystem bei Getreide 1967/68 waren Verhandlungen mit den USA vorausgegangen. Dabei hatte sich die damalige EG gegenüber den USA verpflichtet, keine Zölle auf Baumwolle, Sojabohnen, Lein- und Flachssaat sowie Ölkuchen zu erheben. Künftig hatten alle EG-eigenen Pflanzen, die vordem den Eiweißanteil im Futter stellten, gegen die billigere Soja-Konkurrenz der mächtigen Agrarhandelskonzerne keine Chance mehr. Daneben wurden zollfreie Futtermittel aus den USA (z.B. Maiskleber) zunehmend mit zollpflichtigen Futtermitteln (Getreide) vermischt. Auf eine verstärkte Kontrolle und eine Besteuerung der Importe wurde von der EU aus handelspolitischen Gründen ausdrücklich verzichtet.
Rasch wurde von den Konzernen die Dritte Welt als Lieferant für pflanzliches Eiweiß mit einbezogen. Beispielsweise wurden die Anbaugebiete für Tapioka in Thailand oder die für Soja in Brasilien stark ausgeweitet. Millionen Hektar Urwald wurden gerodet, starke ökologische Probleme stellten sich ein. Flächen, die arme Nationen eigentlich für die Nahrungsmittelproduktion der einheimischen Bevölkerung benötigten, wurden für Exportkulturen eingesetzt. Wirtschaftliche Abhängigkeiten entstanden. 1991 stammten 64 % der Futtermittelimporte der EU aus Entwicklungsländern. Ein rascher Verzicht der EU auf Importe aus Entwicklungsländern hätte für diese gravierende ökonomische Folgen.
Brasilien, ein Land, das vor 1964 den Eiweißträger Soja kaum kannte, ist nach den USA zum zweitgrößten Sojaexporteur geworden. Der Grundstock für den Soja-Boom war mit Hilfe von Geldern der Interamerikanischen Entwicklungsbank gelegt worden, nachdem mit wohlwollender Unterstützung der USA die Militärs an die Macht gekommen waren. Eine Untersuchung der Universität São Paulo über die wichtigsten Anbaugebiete im Süden des Landes ergab: 88 % des Soja-Anbaus erfolgen auf Flächen, die früher in der Regel arbeitsintensiven Nahrungsmittelkulturen gewidmet waren, wie z.B. Reis, Bohnen, Maniok, Kartoffeln, Zwiebeln, Milchwirtschaft und Schweinezucht. Auf Flächen, auf denen diese Produkte früher von sieben bis acht Arbeitskräften für den lokalen Markt angebaut wurden, benötigt man heute für den Anbau von Soja in den riesigen Monokulturen nur noch einen Arbeiter.
2008 importierte Deutschland etwa 17% der eingesetzten Futtermittel aus dem Ausland (Stand 1982/1983: 13%). Ein Großteil davon entfällt auf Soja und Sojaprodukte, von denen in den Jahren 2008-2010 durchschnittlich 35 Mio. t eingeführt wurden, was einer Fläche von 2,8 Mio. ha entspricht. Neben Umweltauswirkungen in den Erzeugungsländern und durch den Transport verursacht der Futtermittel-Import in Verbindung mit dem gleichzeitigen Export tierischer Produkte sozusagen einen „Import organischer Dünger“.
Futtermittelimporte gleich „virtuellem Flächenimport“
Wenn Deutschland landwirtschaftliche Erzeugnisse importiert, wird für deren Anbau in den Herkunftsländern Fläche in Anspruch genommen. Die Landwirtschaftsfläche selbst wird nicht importiert, jedoch deren „Leistung“. Es liegt somit ein „virtueller Flächenimport“ vor. Die „Leistungen“ der Anbauflächen stehen in den Erzeugerländern für den Eigenbedarf nicht mehr zur Verfügung. Etwaige Umweltbelastungen, die infolge der landwirtschaftlichen Produktion von Exportgütern verursacht werden, müssen vor allem von den Erzeugerländern getragen werden.
Deutschland nutzte 2015 für die Erzeugung pflanzlicher und tierischer Lebensmittel für den inländischen Konsum im In- und Ausland eine Fläche von 19,4 Mio. ha. Im Inland standen aber nur 14,2 Mio. ha für den Anbau von Nahrungsmitteln zur Verfügung (StBA 2018a). Folglich ist Deutschland Nettoimporteur von „virtuellen Agrarflächen“. (UBA)
Weitere Informationen:
- Brot oder Trog - Futtermittel, Flächenkonkurrenz und Ernährungssicherheit (FDCL / Brot für die Welt)
- Gentechnik in Futtermitteln (BLE 2021)
- Regenwald und Rinderhaltung: Futtermittelimporte im Fokus (BLE 2022)