Lexikon des Agrarraums

Kurt G. Baldenhofer

Zuckerrohrplantage in Australien

Precision Farming

Auch Precision Agriculture oder Präzisionslandwirtschaft; landwirtschaftliche Bestell- und Bearbeitungstechnik, bei der mit Hilfe von GPS und Ackerschlagdateien eine teilflächenspezifische Aussaat sowie bedarfsorientierte Pestizidanwendung und Düngung punktgenau ermöglicht wird.

Präzisionslandwirtschaft gilt als Ursprung der Digitalisierung der Landwirtschaft. Sie beschreibt die ortsdifferenzierte, zielgerichtete und variable Ausbringung von landwirtschaftlichen Betriebsmitteln und Ressourcen wie zum Beispiel Samen, Pflanzen, Dünger, Pestizide oder Wasser auf einem Feld oder Feldabschnitt. Die auszubringende Menge der Betriebsmittel und Ressourcen ist dabei an den spezifischen Bedarf der Teilfeldzone angepasst. Die höchste Präzision wird beim sogenannten „Spot Farming“ erreicht, wo Maßnahmen in kleinsten Räumen bis hin auf die Ebene einzelner Pflanzen individuell angepasst werden können.

Dazu müssen Wachstumsbedingungen und -zustände kleinräumig bzw. pflanzenidividuell erfasst und mit bedarfsgerechten Bewirtschaftungsmaßnahmen reagiert werden. Die mit Hilfe von Sensoren erfassten Informationen über ortsspezifische Bodenbedingungen sowie die direkt von den Pflanzen „geernteten“ Daten sind die Voraussetzung für ein ressourceneffizientes Management im Ackerbau und Obstbau.

Bei Precision Farming handelt es sich nicht nur um die Technologie, sondern auch um das Management der ackerbaulichen Variabilität (zeitlich und räumlich). Das heißt mittels Precision Farming können die Treiber für Veränderungen bestehender Systeme, also die Verbesserung von wirtschaftlichen Erträgen bei gleichzeitiger Reduktion von Umweltbeeinträchtigungen, erfasst werden. Dadurch arbeiten die Technologien an einer Effizienzsteigerung des landwirtschaftlichen Produktionsprozesses.

Das Verfahren trägt den schlaginternen Variationen von Wachstumsbedingungen und Erträgen der Kulturpflanzen Rechnung. Beispielsweise ermittelt der Landwirt mit Hilfe von Bodenproben (Rasterbeprobung) und einem GPS-Empfänger den differenzierten Nährstoffbedarf der unterschiedlichen Pedons (homogene Bodenkörper) eines Ackerschlages, speichert die geocodierten Werte auf einer Chip-Karte und überträgt sie auf dem Hofcomputer in eine digitale Nährstoffkarte. Dies geschieht mit Hilfe einer GIS-Software, die die Meßdaten in Schlagdateien ablegt. Ein GIS führt die notwendigen räumlichen Verknüpfungen und geostatistischen Bewertungen durch. So errechnet es die individuellen Düngermengen, die auf jeder Teilfläche des Schlages ausgebracht werden müssen, um überall die gleiche Nährstoffmenge zu erreichen. Ein ebenfalls mit GPS-Empfänger und EDV ausgestatteter Traktor mit (Mehrkammer-) Düngerstreuer übernimmt den praktischen Teil. Die nötigen Informationen für eine bedarfsgenaue kleinräumige Düngung erhält der Traktor mit seinem Leitrechner vom Hofcomputer und gibt sie an den Düngerstreuer weiter. Bei der Ernte registriert der mit GPS-Technik bestückte Mähdrescher über Durchflussmessgeräte, wieviel Getreide jede Teilfläche des Ackers erbringt. Gleichzeitig kann der Feuchtegehalt des Druschgutes ermittelt werden. Zur Auswertung werden mit den Rohdaten (Bodenart, Nährstoffgehalte, Feuchtigkeit, pH-Wert, Ernteertrag) Äquifertile erstellt, die in der Schlagdatenbank gespeichert und in der Ertragskarte dargestellt werden können. Die gewonnenen Daten dienen als Grundlage für die Düngung im kommenden Jahr.

Ferner können Feldauffälligkeiten aufgezeichnet und in einer Boniturkarte dokumentiert werden, z.B. Unkrautnester (Luftbilder, Sensoren, Feldbegehung), räumliche Häufungen von Schadorganismen und Krankheiten oder Hindernisse wie Brunnen, Felsen oder große Steine. Weitere mögliche Applikationskarten können so den Pflanzenschutz (Spritzplan) oder die Aussaat beinhalten mit Informationen zur differenzierten Durchführung dieser Arbeitsgänge. Das terrestrische Monitoring von Agrarflächen kann mit Fernerkundung durch Drohnen, Flugzeuge, und Satelliten ergänzt werden, deren Bilder ebenfalls in einem GIS räumlich definierbar sind. Beispielsweise helfen Luftaufnahmen zu erkennen, wo Trassen alter Wege oder ehemaliger Feldgrenzen verlaufen, wo Scheunen, Dungstätten, Brunnen oder Bäume standen, die das Ergebnis von Bodenproben extrem verfälschen können.

GPS-Technologie kann zusätzlich zur Überwachung und Steuerung des Maschinenparks von agraren Großbetrieben oder Lohnunternehmen bei Überlandfahrten eingesetzt werden.

Als Grundlage der thematischen Karten (Overlay-Technik) werden digitalisierte Rasterkarten verwendet, und zwar in Deutschland von drei verschiedenen Kartentypen:

Die Karten können zusätzlich mit einem Digitalen Höhenmodell hinterlegt werden.
Mit dem Precision Farming, also dem räumlich gezielten Einsatz von bestimmten pflanzenbaulichen Arbeitsgängen, erwartet man u.a. die folgenden Effekte:

Komponenten des Precision Farmings
Komponenten des Precision Farmings

Quelle: Griepentrog

Eine Weiterentwicklung des Systems zielt zunächst auf eine Ausdehnung der lokalen Ertragsermittlung auf die Ernte weiterer Feldfrüchte (Zuckerrüben und Kartoffeln, Häckselgut wie Silomais, Halmgut wie Heu und Grassilage sowie bedeutende Sonderkulturen wie Baumwolle und Zuckerrohr), um damit die Ertragsverhältnisse ganzer Fruchtfolgen aufzeichnen und analysieren zu können. Weiter entfernt liegt noch der Einsatz von Robotern, die unbemannt und vollautomatisch die Felder bearbeiten. Teilweise wird Precision Farming bereits jetzt eine agrarhistorische Bedeutung vom Range der Einführung von Mechanisierung und Kunstdünger zugeschrieben.

(s. a. lokales Ressourcenmanagement, Digitalisierung der Landwirtschaft)

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