Lexikon des Agrarraums

Kurt G. Baldenhofer

Zuckerrohrplantage in Australien

Nationales Naturerbe (NNE)

Das Nationale Naturerbe (NNE) bezeichnet naturschutzfachlich wertvolle Flächen aus dem Flächeneigentum des Bundes, bei denen auf einen Verkauf verzichtet wurde, und die stattdessen dauerhaft dem Naturschutz gewidmet werden. Hierzu zählen ehemalige Militärflächen, das „Grüne Band“ entlang der ehemaligen innerdeutschen Grenze, Treuhandflächen aus dem DDR-Volksvermögen sowie stillgelegte Braunkohletagebaue in Ostdeutschland. Bis zum aktuellen Stand (2020) sind bundesweit Flächen im Umfang von rund 156.000 ha im Rahmen des Nationalen Naturerbes für den Naturschutz gesichert. Die Flächen weisen einen hohen Naturschutzwert auf, da sie zahlreiche seltene Tier- und Pflanzenarten beherbergen, großräumig sind und als Biotopverbund angesehen werden.

Dazu gehörte z. B. neben einer nationalen Naturschutzstrategie oder der Begrenzung des Flächenverbrauchs auch die Übertragung von Flächen des Bundes auf die Bundesländer, Stiftungen oder Naturschutzverbände. Beim Naturerbebegriff wird davon ausgegangen, dass Deutschland die nationale Verantwortung für die auf seinem Territorium lebenden Tiere, Pflanzen und Lebensräume übernimmt, um sie für die Weltgemeinschaft zu erhalten.

Der Bund überträgt die Flächen unentgeltlich an die Länder, die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) sowie Naturschutzverbände und -stiftungen, die künftig für die Pflege und Entwicklung der Flächen verantwortlich sind. Auf einem Teil der Naturerbeflächen, dem sogenannten Naturerbe Bund, übernimmt der Bund selbst die Naturschutzaufgaben und wird hierbei durch den Bundesforst im Zusammenwirken mit dem Bundesamt für Naturschutz (BfN) vertreten. Die Flächenempfänger (FE) sind den im Rahmen der Übertragung geregelten Naturschutzanforderungen verpflichtet. Die Flächen sind dauerhaft der Natur gewidmet und werden als natürliches Erbe für künftige Generationen erhalten. Die Auswahl der Flächen für das Nationale Naturerbes erfolgt anhand naturschutzfachlicher Kriterien. Neben Flächen des Grünen Bandes (als des größten terrestrischen Biotopverbundes in Deutschland) wurden Flächen ausgewählt, die in bestehenden Schutzgebieten (Nationalparke, Biosphärenreservate, größere Naturschutzgebiete, FFH- und EU-Vogelschutzgebiete) oder in laufenden oder abgeschlossenen Naturschutzgroßprojekten des Bundes liegen, ferner große Militärfolgeflächen mit hoher Naturschutzbedeutung, geeignete Flächen in Bergbaufolgelandschaften, Flächen des Biotopverbundes sowie Flächen mit besonderer Bedeutung für den Artenschutz.

Für alle Flächen des Nationalen Naturerbes soll ein aus Naturschutzsicht optimaler Zustand erreicht werden. Dabei werden zwei Strategien verfolgt. Die meisten Wälder, Auen und Moore sowie Küsten im Naturerbe sollen sich möglichst ohne das Zutun des Menschen frei entwickeln können. Dagegen brauchen Lebensräume wie Heiden, Magerrasen und Wiesen eine regelmäßige und an Naturschutzziele angepasste Pflege, um sie dauerhaft zu erhalten. Im Rahmen wissenschaftlicher Beobachtungen (Monitoring) wird überprüft, ob die Naturschutzmaßnahmen auch tatsächlich erfolgreich sind.

Nutzung

Offenlandbereiche

In den Offenlandbereichen - also den nicht bewaldeten Flächen - des Nationalen Naturerbes ist eine naturnahe landwirtschaftliche Nutzung oft die Voraussetzung dafür, den Lebensraum überhaupt zu erhalten. Die meisten Offenlandflächen im Nationalen Naturerbe wie zum Beispiel Wiesen, Magerrasen und Heiden sollen langfristig erhalten bleiben. Sie müssen gemäht oder beweidet werden, sonst wachsen sie mit Gebüschen zu und entwickeln sich langsam zu Wald. Landwirtschaft auf den Naturerbeflächen unterscheidet sich jedoch deutlich von der üblichen landwirtschaftlichen Nutzung. Das vorrangige Ziel ist es, für möglichst vielfältige, artenreiche Lebensräume auf den Flächen zu sorgen. Darauf zielen alle Maßnahmen ab. Viele Naturerbeflächen werden auch extensiv beweidet, zum Beispiel mit Wasserbüffeln, Wildpferden, robusten Rinderrassen, Schafen und Ziegen.

Wälder

In den Wäldern des Nationalen Naturerbes findet keine forstwirtschaftliche Nutzung mehr statt. In heute bereits naturnahen Naturerbe-Wäldern wird schon jetzt kein Baum mehr gefällt. In naturfernen Wäldern ist eine übergangsweise Holznutzung erlaubt – allerdings nur im Rahmen eines schrittweisen Waldumbaus, um die Wälder naturnäher zu gestalten. Dabei können beispielsweise für das Gebiet untypische Baumarten entfernt werden, um so dort natürlicherweise vorkommenden Bäumen mehr Raum zum Wachsen zu schaffen. Ist der Waldumbau abgeschlossen, wird auch in diesen Wäldern dauerhaft die Säge ruhen und die Natur sich selbst überlassen bleiben. Wenn also in den Wäldern des Nationalen Naturerbes noch Holz eingeschlagen wird, dient dies nicht der Erwirtschaftung eines Gewinns, sondern vor allem der Erhöhung der Naturnähe der Wälder.

Einzige Ausnahme bilden besondere, historisch bedingte Waldformen wie Hute-, Nieder- und Mittelwälder oder bestimmte Eichenwälder, die nur durch gezielte Nutzungen erhalten werden können. Sie machen aber nur einen geringen Anteil der Wälder im Nationalen Naturerbe aus.

Auf den Flächen des Nationalen Naturerbes kann auch weiterhin gejagt werden. In vielen Fällen ist dies erforderlich, um (Wild-)Schäden von den benachbarten Flächen abzuwenden oder das Aufkommen der für das Gebiet typischen Baumarten zu ermöglichen. Allerdings muss sich die Jagd den Naturschutzzielen klar unterordnen. Für jede größere Fläche des Nationalen Naturerbes wird vom Flächeneigentümer auch ein Konzept zum Wildtiermanagement entwickelt. Auf den Flächen des Nationalen Naturerbes wird ausschließlich mit bleifreier Munition gejagt.

Tourismus und Bildung

Alle Flächeneigentümer im Nationalen Naturerbe bemühen sich, die Flächen für Interessierte zu öffnen und zugleich sensible Bereiche vor Störungen zu bewahren. Hierzu werden Rundwege und Aussichtsplattformen auf vielen Naturerbe-Flächen errichtet. Größere Besucher-Einrichtungen sind derzeit auf den von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt betreuten Naturerbe-Flächen in Prora/Rügen (Besucherinformationszentrum mit Baumwipfelpfad) und in der Wahner Heide bei Köln (vier Besucher-Informationsstellen) zu finden.

Auf vielen Flächen des Nationalen Naturerbes bieten die Flächeneigentümer auch geführte Wanderungen und Exkursionen an. Andererseits dürfen viele Teilbereiche des Nationalen Naturerbes aufgrund der Gefahren aus der militärischen oder bergbaulichen Vornutzung aus Sicherheitsgründen nicht betreten werden. Auch zum Schutz seltener Arten kann es notwendig sein, ausgewählte Flächen für Besucher zu sperren – beispielsweise die Sandstrände der Naturerbe-Flächen an der Ostsee. Entsprechende Sperrschilder sind deshalb unbedingt zu beachten.

Weitere Informationen:

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