extensive Weidewirtschaft
Bezeichnung für Systeme der Tierproduktion, welche durch eine großflächige Landnutzung mit geringem Viehbesatz bei geringerer Nutzung anderer Produktionsfaktoren gekennzeichnet ist.
Ein Tierhaltungsverfahren ist dann extensiv, wenn mindestens ein Produktionsfaktor (Arbeit, Boden, Kapital) extensiv – also nur geringfügig – genutzt wird. Extensive Weidenutzung ist gekennzeichnet durch ein geringeres Düngungsniveau und den weitgehenden Verzicht auf Pflanzenschutzmittel. Aufgrund der geringeren Aufwuchsleistung ist die Beweidungsdichte reduziert.
Ziel der extensiven Viehhaltung ist es, meist ertragsschwache Landwirtschaftsflächen noch rentabel zu bewirtschaften. In der dicht besiedelten Ökumene kommt zudem der Erhalt von Kulturlandschaften im Sinne des Naturschutzes hinzu. In den meisten Fällen ist kein Zusatzfutter notwendig und das Vieh ist häufig ganzjährig auf der Weide. Um Überweidungsschäden zu verhindern, werden oftmals mehrere Tierarten kombiniert, die die Grasnarbe unterschiedlich belasten und einen ökologisch sinnvollen Weidedruck ergeben. Zudem liegt darin der Grund für die vormals nomadischen Formen der Fernweidewirtschaft, die nach wie vor die sinnvollste und häufigste Nutzungsform der empfindlichen Naturweiden in den Trockengebieten der Erde darstellt.
Eine Extensivbeweidung ist in nahezu allen Naturräumen möglich. Sie beschränkt sich nicht auf Hochlagen der Gebirge oder auf Steilhänge, sondern kann genauso in weitläufigen, ebenen Gebieten stattfinden. Von Landschaftsraum zu Landschaftsraum kann die Strukturierung der Weideflächen sehr unterschiedlich sein. Während in Niederungsgebieten oft mit Schilf, Großseggenrieden oder Hochstaudenfluren durchsetzte Feuchtgebiete landschaftsprägend sind, sind es in hügeligen oder gebirgigen Landschaften oftmals Hecken, Gehölze, Steinhaufen oder Felsen, welche die Vielfalt an Lebensräumen bedingen. Mit den Weideflächen sind in der Regel Mähflächen verknüpft, auf denen das Winterfutter gewonnen wird. So gehört zu dem Gesamtkomplex der extensiven Tierhaltung eine Vielfalt unterschiedlicher Grünlandflächen: intensivere und extensivere Weideflächen, wechselnde Mähweiden und auch reine Wiesenflächen. Auch können extensive Mähweiden durchaus den Charakter klassischer Wiesen haben. Je nach Bedürfnissen der Nutzer und je nach Landschaftsraum sind auch unterschiedliche Tierarten und Tierrassen geeignet. Die Beispiele zeigen Pferde, Schafe und verschiedene Rinderrassen. Neben der Beweidung von Grünlandgebieten ist auch der Übergangsbereich Grünland-Wald von großem Interesse. Zum einen, weil Waldweide-Elemente eine wichtige strukturelle Bereicherung der Landschaft sein können, und zum anderen, weil sie aus tierhygienischen Gründen wichtige Funktionen als Aufenthaltsorte bei Hitze, Nässe und Kälte übernehmen können. (Oppermann/Luick 1999)
Die extensive Weidewirtschaft ist weltweit eine der verbreitetsten Formen der Viehhaltung, nicht zuletzt deshalb, da auch niederschlagsarme, für den Anbau von Kulturpflanzen nicht geeignete Gegenden so genutzt werden können. Mehr als ein Viertel der gesamten Landoberfläche der Erde werden auf diese Weise extensiv landwirtschaftlich genutzt.
Typische Beispiele für extensive Viehhaltung finden sich in vielen Nomadenkulturen wie z. B. die Pferdehaltung der Mongolen oder die Rentierhaltung der Samen. Aber auch moderne Industriegesellschaften betreiben extensive Weidewirtschaft, wenn die dafür benötigten Flächen zur Verfügung stehen. Beispiele hierfür sind die Schafhaltung in Neuseeland, das Ranching in den semiariden Gegenden der westlichen USA und die Rinderhaltung in der südamerikanischen Pampa. Der Nachteil dieser Produktionsform liegt in ihrem enormen Naturflächenbedarf, dem direkten Konflikt mit Beutegreifern und der schwierigen Kontrolle der Tiere und deren Krankheiten.
Auch die Almwirtschaft und die Transhumanz der Alpen sind prototypische extensive Bewirtschaftungen. Diese Wirtschaftsformen am Übergang von Nomadismus und Sesshaftigkeit (saisonale Beweidung) hat die Alm (Bergweide) als Landschaftsform hervorgebracht hat, wie sie heute die Berglagen der Alpen prägen. Ähnliche Landschaftsformen finden sich in allen Berggebieten Mitteleuropas.
Für ein extensives Weidesystem sind zwei weidetechnische Verfahren vorstellbar: die Standweide oder eine großflächige Umtriebsweide (= Koppelweide). Innerhalb eines Systems sind auch beide Verfahren kombinierbar. Bei der Standweide wird die ganze Fläche während der Weideperiode bestoßen, das heißt, es gibt keine weiteren Unterteilungen. In ökologischer Hinsicht ist diese Weideform durch das Nebeneinander von Über- und Unternutzung besonders wertvoll. Die Anpassung an den im Jahresverlauf abnehmenden Futteraufwuchs kann nur durch eine Verminderung des Tierbesatzes erfolgen. Für Standweiden sind nur Flächen mit geringer Wüchsigkeit, die in aller Regel auch futterelastischer sind, zu empfehlen. Ein anderes Steuerungselement ist, dass aufwuchsstarke Flächenteile im Frühjahr zunächst gemäht werden. Bei der Umtriebs- oder Koppelweide wird die Weidefläche in mehrere Parzellen unterteilt und die Weidetiere werden umgetrieben. Als Managementregel gilt: kurze Fresszeiten und lange Ruhezeiten.
In der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der EU wird verstärkt anerkannt, dass die naturnahe Beweidung unserer Kulturlandschaft für eine moderne, multifunktionale Landwirtschaft. steht. Viele weidetierhaltende Betriebe leisten einen wichtigen Beitrag, die europäischen Herausforderungen Biodiversitäts-, Klima- und Gewässerschutz effektiv anzugehen. Darüber hinaus sehen zahlreiche Verbände die Notwendigkeit, für eine bessere Etablierung der extensiven Weidetierhaltung, Förderinstrumente der GAP weiterzuentwickeln. Als besonders förderfähige Maßnahmen gelten:
- extensive ganzjährige Standweide mit Rindern und Pferden,
- Umwandlung von Ackerland in beweidetes Extensivgrünland in Überschwemmungsgebieten und auf Niedermoorböden sowie
- Biotoppflege durch Schafe und Ziegen.
Extensiv genutzte Weideflächen bringen spezielle Grünlandgesellschaften hervor, die sich von Pflanzengesellschaften auf Wiesen (auch extensiv genutzten) unterscheiden. Auf den für den Naturschutz oft bedeutenden Grenzstandorten wie z.B. Magerrasen ist die Beweidung durch Pferde, Rinder, Schafe oder Ziegen die einzige Möglichkeit, diese meist artenreichen Flächen vor Verbuschung zu bewahren. Der Kot der Pflanzenfresser bildet einen wichtigen Bestandteil innerhalb der Nahrungskette als Grundlage für die Bildung von Insekten-Biomasse. Extensiv genutzte Weiden tragen so wesentlich zur Erhaltung der biologischen Vielfalt, aufgrund der reduzierten Stickstoffdüngung aber auch zum Schutz der Ressourcen Wasser und Boden bei. Naturnahe Weidesysteme in Auenlandschaften haben positive Auswirkungen auf Gewässermorphologie und Wasserhaushalt und können ideale Instrumente zur Umsetzung der EG-Wasserrahmenrichtlinie sein. Extensive Weidelandschaften eignen sich als Gerüst regionaler und überregionaler Biotopverbundplanungen und stehen in vielen Regionen nicht zuletzt für Erholung in attraktiver Kulturlandschaft und gesunder Umwelt.
- Weidesystem idealerweise aus großflächigen gekoppelten Standweiden, Hutungen, Mähweiden, Wiesen und halboffenen Bereichen bestehend;
kleine Waldparzellen oder Traufbereiche sind aus ökologischer und tierhygienischer Sicht wünschenswert - Mindestgröße ab 10 ha, anzustreben sind über 30 bis 50 ha; zugunsten ökosystemarer Wechselwirkungen und auf Grund ökonomischer Überlegungen sollten Weidesysteme > 1.000 ha umfassen.
- flexibles Management und Steuerung von Besatzstärken und Besatzdichten (Zeitpunkt, Zeitraum und Fläche) entsprechend der aktuellen Produktivität (damit nachhaltige Nutzung des Systems), im Jahresmittel zwischen 0,2 und 1,0 GV/ha
- ganzjährige Beweidung bei standörtlicher Eignung und Sicherstellung der nachhaltigen Ressourcennutzung
- keine grundsätzlichen Präferenzen für Tierarten und -rassen;
aus wirtschaftlichen Überlegungen empfehlen sich besonders Mutterkuhhaltungen;
naturschutzfachlich interessant sind besonders Mischbeweidungen;
bei Schaf- und Ziegenbeweidung ist die saisonale Hütehaltung zwecks funktionalem Biotopverbund wünschenswert - Verzicht auf Biozideinsatz, Düngung und Parasitenprophylaxe
- dauerhaft ungenutzte Strukturelemente in Form von Gehölzen, Hochstaudenfluren, Steinhaufen, Altholz, Wasserflächen etc. auf der gesamten Weidefläche angestrebt
Quelle: Metzner et al. 2010
Weitere Informationen: