Lexikon des Agrarraums

Kurt G. Baldenhofer

Zuckerrohrplantage in Australien

Aue

Oft auch Flussaue, Talaue; einem Fließgewässer benachbarter Bereich, der unter natürlichen Umständen bei Hochwasser überflutet wird. Die Aue erfüllt somit die Funktion eines erweiterten Gerinnebettes bei Hochwasser. Auen sind i.d.R. schwach reliefiert, aber mit typischen Oberflächenformen ausgestattet, die durch fluviale Sedimentation und fluviale Erosion (Wechsel zwischen niederer und hoher Wasserführung) geschaffen werden. Man findet in der Flussaue fluviale Sedimente, wie Sande und Kiese, aber vorwiegend Auenlehme, die zur Bildung der typischen Auenböden wie Vega oder Tschernitza geführt haben. Viele Flussauen der Nordhalbkugel sind Produkte des Holozäns und wurden durch die Schmelzwasser der vergangenen Kaltzeiten (des aktuellen Eiszeitalters) aus der Niederterrasse herauspräpariert. Auen stehen als Teil der Flusslandschaft in permanentem Austausch mit dem Fluss selbst und seinem Einzugsgebiet.

Durch den Wechsel von Überflutung und Trockenfallen sind Auen sehr dynamische Lebensräume mit unterschiedlichsten Standortbedingungen, die mosaikartig untereinander verzahnt sind. Auenökosysteme beherbergen eine große Vielfalt von Pflanzen und Tieren auf engstem Raum.

Die Zusammensetzung der natürlichen Auenvegetation hängt von der Beschaffenheit des betreffenden Flussabschnittes ab (Flusstyp, Auenböden, geologischer Untergrund). Unter natürlichen Bedingungen wäre für Mitteleuropa eine feuchtigkeitstolerante Auenwald- und Sumpfvegetation charakteristisch mit einer typischen Standortdifferenzierung in die flussnahe, gehölzfreie Aue und Weichholzaue, sowie die flussferne Hartholzaue.

Die natürliche Auenwaldvegetation wurde bereits in vorgeschichtlicher Zeit vom Menschen verändert bzw. entfernt. Auen wurden besonders in den vergangenen Jahrhunderten stark verändert und der menschlichen Nutzung angepasst. Die Flussaue ist heute ein außerordentlich wichtiger und vielfältig genutzter Raum für den Menschen und seine Tätigkeiten. Daher erklärt sich auch die Häufigkeit von alten Ortsnamen mit Wortendung auf -au. Die Flussaue gilt als guter Siedlungsraum, da er eben und dadurch für die Erschließung und Bebauung besonders gut geeignet ist. Nach der Rodung des Auwaldes wurde die Aue meist nur als Weide genutzt, da der Boden für die ackerbauliche Nutzung zu feucht war.

Die modernen Nutzungsansprüche haben die Auenlandschaften durch Anforderungen wie Hochwasserschutz, Schiffbarkeit, öffentliche und private Wasserentnahme, landwirtschaftliche Nutzung, Bedarf an Siedlungsflächen, Verkehrswegebau und Wasserkraftnutzung noch einmal stark überprägt. Daraus resultieren kulturwasserbauliche Maßnahmen linienhaften Charakters (Flussbegradigungen, -verlegungen, Bau von Deichen, Dämmen, Kanälen, Staustufen, Wehren, Flussbettbetonierungen, -verrohrungen, Sohlenpflasterungen, Hochwasserrückhaltebecken) sowie großflächige Eingriffe aufgrund der landwirtschaftlichen Intensivierung (Entwässerung, Flurbereinigung, Eindeichung). Aufgrund dieser umfangreichen Veränderungen können auch die verbliebenen Auenwaldrelikte, Feuchtgebiete und unbefestigten Flussabschnitte heute allenfalls als naturnah, aber nicht als natürlich gelten. Die Folgen stehen in Abhängigkeit zu den durchgeführten Eingriffen und können sich z.T. summieren. So wird z.B. durch Bodenversiegelung im Einzugsgebiet via Kanalisation der Zwischenspeicher Boden umgangen und in kurzer Zeit anfallende hohe Niederschlagsmengen werden direkt in die Flüsse geleitet. Diese unnatürliche Erhöhung der Abflussmenge führt auf Dauer zur Tiefenerosion im eigenen Gerinnebett, wobei auch der mit dem Flusswasserspiegel korrespondierende Grundwasserspiegel abgesenkt wird. Begradigungen verlagern das Hochwasserproblem in flussabwärts liegende unbefestigte Flussabschnitte, fehlende Überflutungsflächen verschärfen die Hochwassersituation. Ferner kann der Nährstoffeintrag aus flussnahen landwirtschaftlichen Flächen zur Eutrophierung der Aue beitragen. In strömungsarmen und im Sommer unbeschatteten Gewässern tritt Sauerstoffverarmung ein. Die bauliche Trennung bzw. Entfernung der Lebensräume Gewässer, Ufer und Aue bedingen einen Rückgang der Artenvielfalt bei Pflanzen- und Tiergemeinschaften. Zwar prägt weiterhin das bautechnische Ingenieurswesen die Konzepte zum Hochwasserschutz, jedoch werden künstlich festgelegte Flussläufe weder den heutigen Anforderungen der Hochwassersicherheit noch den Zielvorstellungen des Naturschutzes gerecht. Unter dem Schlagwort "Renaturierung" entwickelt sich derzeit ein neues Leitbild einer naturnäheren Gewässermorphologie, das weg von der Konservierung eines statischen Zustandes der Aue, deren Veränderlichkeit akzeptiert und verstärkt die Eigenentwicklung der Gewässer zulässt.

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