Lexikon des Agrarraums

Kurt G. Baldenhofer

Zuckerrohrplantage in Australien

Kalkmarsch

Kalkmarschen sind kalkhaltige, tidebeeinflusste Grundwasserböden aus marinen Ablagerungen (kalkreicher Schlick). Unter einem in der Regel gepflügten, humosen Oberboden mit lockerem Krümelgefüge folgt ein mehr oder weniger stark rostfleckiger Horizont im Schwankungsbereich des Grundwassers. Der darunter folgende, ständig mit Wasser gesättigte Bereich ist durch Eisensulfide dunkelgrau bis schwarz gefärbt. Der Unterboden ist in der Regel deutlich geschichtet.

Entstehung und Verbreitung

Im Bereich durch Gezeiten geprägter Küsten wird die Landoberfläche regelmäßig von Meerwasser überflutet. Im Verlauf der Zeit führt dies in der dortigen Wattlandschaft zur Ablagerung von salzhaltigen Sedimenten mit stickstoffreicher organischer Substanz aus abgestorbenen Organismen dem Ausgangsmaterial der Bodenbildung. Wächst das Watt auf eine Höhe, welche vom Tidenhub nicht mehr regelmäßig erreicht wird, beginnt die Bodenbildung der Marsch.

Durch den Bau von Schutzdeichen wurden diese Gebiete häufig der Überflutung entzogen, Köge oder Polder entstanden. Grüppen-, Graben- und heute auch Rohrentwässerung führen zur Belüftung dieser Böden und zur Bildung von Rostausfällungen. Durch die nach der Eindeichung durchgeführte Entwässerung, die zur Nutzbarmachung notwendig ist, kommt es zur Sackungsverdichtung, so dass die Landoberfläche in der Regel unter dem Niveau des Tidehochwassers liegt und dauernder, aktiver Entwässerung bedarf.

Mit dem Sickerwasser wird aus diesen marinen Ablagerungen das Salz ausgewaschen, so dass kalkhaltige (Carbonatgehalte bis 9 %), häufig schluffige Böden, die so genannten Kalkmarschen, entstehen. In diesen Böden siedeln sich bevorzugt Regenwürmer an (bis zu 500 pro m² ), die ein lockeres Krümelgefüge bilden und ebenso wie die Bodenbearbeitung die Sedimentschichten im Laufe der Zeit vermischen. Säuren der Wurzelatmung, Mikroorganismen und Schwefeldynamik verursachen eine Entkalkung dieser Böden, die allmählich vom Oberboden in den Unterboden fortschreitet, so dass sich Kalkmarschen zu Kleimarschen entwickeln.

Kalkmarschen weisen ein maximales Alter von etwa 300 Jahren auf, bevor sie zur Kleimarsch werden. Dieser Bodentyp verdankt große Teile seiner Fläche in Deutschland der aktiven Landgewinnung der Küstenbewohner in den letzten Jahrhunderten. Aus Kosten- wie aus Naturschutzgründen – die Rohmarschen mit ihrer typischen Vegetation (Salzwiese) stehen unter strengem Naturschutz – wird seit den 1980er Jahren kein Deichbau mehr betrieben.

Kalkmarschen treten weltweit in von Gezeiten geprägten Küstenbereichen der Meere und der Flussmündungen auf, die erst in den letzten Jahrhunderten eingedeicht wurden. Diese Flächen werden als Köge oder Polder bezeichnet. Die globalen Flächengrößen des Marschlands sind eher gering. Eines der größten zusammenhängenden Gebiete erstreckt sich in Mitteleuropa entlang der Nordseeküste von Dänemark bis Belgien und auch an der südöstlichen Küste der Britischen Inseln.

Nutzung und Funktionen

In frisch eingedeichten Kögen wird die Jungmarsch noch als Weideland genutzt. Dieser Zustand wurde aber in der Vergangenheit wegen der extrem hohen Bodenfruchtbarkeit möglichst schnell durch Drainagen und Eindeichung verändert. Eine Entwässerung kann durch Gräben stattfinden, heute werden Rohrentwässerungen genutzt. Sobald der Boden stark genug entwässert ist, wird die Nutzbarkeit erhöht.

Kalkmarschen gehören weltweit zu den produktivsten Ackerstandorten. Die Kalkmarschen an der Nordseeküste weisen höchste Bodenzahlen bis über 100 auf, ähnlich hoch wie die der Schwarzerden in den Bördelandschaften. Die durchschnittliche Bewertung liegt bei etwa 85 Bodenpunkten.

Hohe Nährstoffreserven der im Sediment enthaltenen organischen Substanz, gute Durchwurzelbarkeit, die gering verwitterten Minerale, sowie das hohe Speichervermögen für Wasser, verbunden mit einem vom Menschen regulierten Grundwasserhaushalt, ermöglichen Erträge von über 10 t Weizen und 4 t Raps pro Hektar. Das gilt für trockene und nasse Jahre gleichermaßen. In Dithmarschen, im Südwesten Schleswig-Holsteins gelegen, und in Niedersachsen dienen die Kalkmarschen wegen ihrer sehr guten Standorteigenschaften traditionell vor allem dem Kartoffel- und Kohlanbau.

Wald siedelt sich nicht an, da verbreitete Baumarten salzempfindlich sind.

Wie alle Böden erfüllen Kalkmarschen auch Archivfunktionen, die Rückschlüsse auf frühere Nutzung unter anderen Klimabedingungen zulassen.

Probleme

Kalkmarschen bedürfen einer sorgfältigen Regulierung des Grundwassers durch Entwässerung und Ableitung des Überschusswassers über Siele in die Vorflut oder in das Meer. Besonders schluff- bis tonreiche Kalkmarschen sind druckempfindlich, so dass schwere Landmaschinen leicht Sauerstoffmangel durch Verdichtung verursachen können. Schluffreiche Kalkmarschen neigen bei unsachgemäßer Nutzung zur Verschlämmung. Durch Ammoniakausgasung aus dem Boden können Stickstoffverluste auftreten.

Weitere Informationen:

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