Lexikon des Agrarraums

Kurt G. Baldenhofer

Zuckerrohrplantage in Australien

Reis

Bezeichnung für die Getreidekörner der Pflanzenarten Oryza sativa und Oryza glaberrima. Oryza sativa wird weltweit in vielen Ländern angebaut, Oryza glaberrima (auch „afrikanischer Reis“ genannt) in Westafrika. Zur Gattung Reis (Oryza) gehören außer diesen beiden Reispflanzen noch wenigstens weitere 17 Arten, die aber nicht domestiziert wurden.
Die neue Hybrid-Sorte Nerica (New Rice for Africa, "Neuer Reis für Afrika") verbindet die Vorteile der beiden Kulturreispflanzen.

Überblick

Von Oryza sativa gibt es mittlerweile über 120.000 Sorten, die ihn befähigen, sowohl in Höhen von 2000 Metern über NN sowie im Sumpf, im Wasser oder in sehr trockenen Gebieten zu gedeihen.
Die Reispflanze gehört wie die anderen Getreidearten zur Familie der Süßgräser. Reis hat kleine Ährchen als Blütenstände, die in der Regel zwei sterile und eine fertile (fruchtbare) Blüte enthalten und in sogenannten Rispen angeordnet sind. Die fertile Blüte wird durch eine Deckspelze geschützt. Reis ist, wie andere Gräser auch, windblütig, d. h. die Übertragung der Pollen erfolgt allein über den Wind. Unser heutiger Kulturreis (Oryza sativa) wird einjährig angebaut. Er wird bis 120 cm hoch, seine Rispen (10 bis 15 pro Pflanze) enthalten bis zu 300 Reiskörner.

Reis gehört heute zu den sieben wichtigsten Getreidearten (neben Weizen, Roggen, Hirse, Hafer, Gerste, Mais) und ist das wichtigste Grundnahrungsmittel für knapp die Hälfte der Weltbevölkerung. Zwar hat Reis eine geringere Anbaufläche als Weizen oder Mais, er ist aber für die menschliche Ernährung wichtiger als diese, da er kaum für andere Zwecke verwendet wird.

Dunkle Getreidekörner, die im Handel und in der Gastronomie als „Wildreis“ bezeichnet werden, gehören botanisch nicht zur Gattung Reis (Oryza), sondern zur Gattung Wasserreis (Zizania).

Etwa 95 Prozent der heutigen Reisproduktion findet in Südostasien (China, Thailand, Indien) statt. In Europa sind es vor allem Italien, Frankreich, Portugal und Spanien, die Reis anbauen. Meist geschieht dies in den Deltas großer Flüsse wie in der Po-Ebene (Norditalien) sowie im Rhône-Delta (Camargue, Frankreich). Weltweit beträgt die Reisproduktion 741,5 Mio t (2014).

Weltweit wird Reis von ca. 144.000 Landwirten, meist Kleinbauern, auf unter einem Hektar angebaut. Allerdings gibt es in den USA und Australien auch sehr große Betriebseinheiten, in denen Reis mit großem Einsatz von moderner Technologie und fossiler Energie angebaut wird.

Weltweite Reisproduktion
Weltweite Reisproduktion

Karte der globalen Reisproduktion (durchschnittlicher prozentualer Anteil der für die Produktion genutzten Fläche mal durchschnittlicher Ertrag in jeder Gitterzelle), zusammengestellt vom Institute on the Environment der University of Minnesota mit Daten aus: Monfreda, C., N. Ramankutty, and J.A. Foley. 2008. Farming the planet: 2. Geographic distribution of crop areas, yields, physiological types, and net primary production in the year 2000. Global Biogeochemical Cycles 22: GB1022

Quelle: Wikimedia Commons

Herkunft

Der heute verwendete Kulturreis Oryza sativa wurde vermutlich im Tal des Yangtze (China) und im Tal des Ganges (Indien) erstmals kultiviert. Vermutlich begannen die Menschen bereits vor etwa 10.000 Jahren (Übergang Pleistozän – Holozän) damit, Reis zu sammeln.
In Japan wurde Reis erst etwa um 300 vor Christus angebaut. Nach Europa kam der Reis durch die Mauren, davor war er um 400 vor Christus ins Zweistromland (Mesopotamien, heute Irak) gelangt. Über Alexander den Großen kam der Reis ans Mittelmeer, wo er zunächst bei Römern und Griechen auf wenig Interesse stieß. Erst in der Renaissance wurde Reis vermehrt verwendet, aus dieser Zeit stammt das berühmte Rezept des „Risotto alla Milanese“ (Reis mit Safran gedünstet).

Anbauformen

Nassreisanbau
Reis ist ein Gras, das unter natürlichen Bedingungen in feuchtwarmen Regionen wächst. Um Schädlinge sowie Unkraut am Wachstum zu hindern, hat sich seit etwa 3000 v. Chr. der Nassreisanbau entwickelt. Obwohl Reis keine Wasserpflanze ist, hat sich die Züchtung über Jahrhunderte hinweg so entwickelt, dass er mit höheren Wasserständen zurechtkommt, indem er ein Belüftungssystem für die Wurzeln (sogenanntes Aerenchym) entwickelte.
Der Anbau erfolgt in folgenden Schritten:

Etwa 75 - 80 Prozent der Reisernte wird in diesem Verfahren durchgeführt. Eine Variante des bewässerten Reises ist der regenbewässerte Reis in Tiefländern, bei dem der Reis nur während einer Periode des Pflanzenwachstums (aber mindestens 10 Tage) unter Wasser steht, dafür aber mit größerer Tiefe. Die Erträge bei regenbewässertem Tieflandanbau (v. a. Thailand, Nepal, Myanmar, Bangladesch) sind weniger als halb so hoch wie bei bewässeretem Reis.
Eine Sonderform des Nassreisanbaus ist der Terrassenfeldbau, bei dem der Nassreisanbau auch an mäßig steilen Berghängen durchgeführt werden kann.

Trockenreisanbau
Hierzu wird eine Unterart des heutigen Reises genutzt, der nicht an Überflutung angepasst ist. Vorteil: Trockenreisanbau kann auch in Gegenden erfolgen, wo der Nassanbau nicht möglich ist, etwa im Gebirge. Allerdings benötigen diese Reissorten eine hohe Luftfeuchtigkeit. Nachteil: Ohne Wasser können Unkräuter ungehemmt wachsen, so dass die Ernte gegenüber dem Nassanbau stark geschmälert wird. Trockenreis wird in der Regel über das Streusaatverfahren ausgebracht und bis in Höhen von 2.000 Metern angewendet. Trockenreis ist teurer, wird aber wegen seines intensiveren Aromas geschätzt. In diesem Verfahren ist der Methanausstoß sehr gering, aber durch die ebenfalls geringeren Erträge stellt der Trockenreisanbau kaum eine Alternative zum Nassreisanbau dar.
Maschinelle Anbauverfahren beinhalten das Ausbringen der Saat per Flugzeug und das Ernten mit dem Mähdrescher. Diese Verfahren werden vor allem in Europa und den USA angewendet. Arbeit von Hand wie in den asiatischen Staaten wäre hier nicht bezahlbar.

Umweltprobleme durch den Nassreisanbau

Einfluss auf den Grundwasserhaushalt

Um ein Kilo Reis über das oben genannte Verfahren zu erzeugen, sind zwischen 3.000 und 5.000 Liter fließendes Wasser nötig. Probleme kann es geben, wenn die Bewässerung über Brunnen erfolgt, da sich der Grundwasserspiegel dadurch stark absenkt. Im Umland von Peking ist daher der Reisanbau verboten.

Einfluss auf die Bodenerosion
Der moderne Reis, der für das Nassanbauverfahren ausgelegt ist, benötigt fließendes Wasser, da stagnierendes Wasser zu verstärkter Algenbildung führen würde. Fließt das Wasser zu schnell, wird wertvoller Boden mit weggerissen. Die Fließgeschwindigkeit des Wassers darf also nicht zu langsam und nicht zu schnell sein.

Einfluss auf den Klimawandel
Durch den Nassanbau wird im Boden des Reisfeldes ein anaerobes Milieu erzeugt, das sogenannte Methanogene (Archaebakterien oder Archaea, bei deren Stoffwechsel Methan entsteht) begünstigt. Nach neueren Berechnungen gehen bis zu 25 Prozent der weltweiten Methan-Produktion auf den Nassreisanbau zurück, das sind bis zu 100 Millionen Tonnen pro Jahr. Da ein Methan-Molekül 21 bis 72 Mal (in Abhängigkeit vom betrachteten Zeithorizont) wirksamer ist als ein CO2-Molekül, entspricht das umgerechnet mindestens 300 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr.
Forscher haben festgestellt, dass sich der Methanausstoß verringern lässt, wenn die Felder zwischendurch trockengelegt werden, da die Methanogene keinen Sauerstoff vertragen. Geforscht wird hier an einem Bewässerungssystem, welches die Felder zwischendurch trockenlegt, also die Bewässerung der Felder regelt. Bisher sind die meisten Felder ständig unter Wasser, die Bewässerung kann also oftmals nicht von außen geregelt werden. Auch eine veränderte Düngung sowie spezielle Reissorten können den Methanausstoß verringern.

Nährstoffe

Die meisten Nährstoffe im Reis stecken in seinem "Mantel", dem sogenannten Silberhäutchen. Es liegt zwischen der Frucht und der schützenden Deckspelze und wird bei den "polierten", also weißen Reissorten, entfernt. Beim Naturreis bleibt es erhalten und gibt ihm seine gelblich-grüne bis braunrote Farbe. Im Korn selbst steckt dagegen eine Menge an sogenannter Reisstärke.  Dieses Kohlenhydrat ist vom menschlichen Körper leicht aufzuschließen und ein wertvoller Energielieferant. Dazu kommen wichtige Mineralstoffe wie Kalium und Phosphor. Reis ist ein sehr wertvolles Grundnahrungsmittel, trotzdem fehlen ihm verschiedene Nährstoffe wie Beta-Carotin, Vitamin C, Eisen und Kalzium. Vor allem weißer Reis enthält fast nur noch Stärke und wenig Eiweiß.

Verarbeitung

Reis wird noch im Ernteland gedroschen und anschließend in die Reismühle eingeliefert. Dort wird der Rohreis (Paddy) in einem mechanischen Verfahren von den Deckspelzen getrennt. Die Spelzen werden häufig zur Energiegewinnung weiterverarbeitet.
Nach den Deckspelzen wird vom Halbrohreis (Vollreis) das Silberhäutchen entfernt. Dies geschieht durch Schleifen (Polieren), da es fest auf dem Keimling aufliegt. Aus dem nährstoffreichen, abgeschliffenen Material wird oftmals Tierfutter hergestellt. Nachdem das Häutchen ab ist, spricht man vom polierten, weißen Reis. Er ist jetzt leicht verdaulich, aber er enthält auch deutlich weniger Mineralstoffe, Vitamine und Ballaststoffe als der Vollreis.
Etwa 95 Prozent der Reisernte gehen in den menschlichen Verzehr, der Rest wird für Futtermittelzwecke und in der Forschung genutzt. Neben der Verwertung des ganzen Korns wird Reis auch zu Reisflocken, Reisnudeln und Reisgebäck weiterverarbeitet. Weitere Verarbeitungsprodukte sind Reisstärke, die in der Industrie für Eiscreme, Pudding und Gel verwendet wird, sowie Reiskleie, die zur Herstellung von Süßwaren dient. Reisöl wird als Speiseöl verwendet, ebenso in Kosmetikprodukten und als industrielles Öl (etwa zur Spülung bei Tiefbohrungen). Reishülsen finden Verwendung als Brennstoff, in der Karton- und Papierherstellung, als Packungs-, Bau- oder Abdichtmaterial.

Parboiled Reis

Dieses Verfahren wurde entwickelt, um beim Reis einen höheren Anteil an gesunden Inhaltsstoffen zu erhalten. Dazu wird der Rohreis unter Vakuum eingeweicht, so dass die Inhaltsstoffe von Keimling, Silberhäutchen und Schale sich lösen. Anschließend werden sie mit Wasserdampf und hohem Druck wieder ins Reiskorn gepresst, so dass der größte Teil der Inhaltsstoffe jetzt im Korn selber steckt. Danach kommt der Reis wie gewohnt in die Mühle, wo das Entfernen von Spelzen und Silberhäutchen jetzt einfacher vonstattengeht. Das Parboiled-Verfahren wird sowohl bei Voll- als auch bei weißem Reis angewandt. Man erkennt ihn daran, dass er im ungekochten Zustand etwas glasig aussieht. Nach dem Kochen verschwindet dieser Eindruck. Das Parboiled-Verfahren wurde Anfang des 20. Jahrhunderts in den USA entwickelt.

Erträge und Export

Die Gesamt-Reisproduktion betrug 2008 nach Schätzungen der FAO 685 Millionen Tonnen Rohreis, davon 657 Millionen Tonnen in den Entwicklungsländern und 28 in den Industrieländern. Von diesen 28 Millionen Tonnen stammten 9,3 Millionen Tonnen aus den USA und 2,6 Millionen Tonnen aus der Europäischen Union. Der größte Reisproduzent ist China mit über 193 Millionen Tonnen im Jahr 2008. Darüber hinaus ist Reis kein großes Exportgut: Etwa 95 Prozent des Reises werden dort verbraucht, wo sie angebaut werden. Die wichtigsten Exportländer der Jahre 2013/14 waren Thailand und Indien. In Afrika basieren 40 % des Reiskonsums auf importiertem Reis.

Transport und Lagerung

Reis wird nach Bearbeitung in der Reismühle in Säcke verpackt und per Schiff weiter transportiert. Seine Lagerung erfolgt ebenfalls in Säcken, in denen er in vielen Asialäden auch gekauft werden kann.

Forschung

Da Reis als Grundnahrungsmittel für die Bevölkerung immer größere Bedeutung erlangt, gibt es auch umfangreiche Forschungen, um die Erträge zu sichern und zu steigern. Dem Schutz der Pflanze gegen Krankheiten und Schädlinge widmet die molekularbasierte Pflanzenforschung ein besonderes Augenmerk. Seit 2002 ist das Genom von Reis vollständig entschlüsselt.

Weitere Informationen:

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