Agrarsystem
1. Auch Agrosystem; die auf das übergeordnete Wirtschafts- und Sozialsystem ausgerichteten Ausprägungen der institutionellen wirtschafts- und sozialorganisatorischen und -ethischen Verhältnisse in der Landwirtschaft (H. Röhm, nach Andreae 1983). Der Gebrauch des Begriffes System für die Teile einer solchen Klassifizierung impliziert, dass es dabei zu einem zweckvollen Ineinandergreifen verschiedener Kräfte und Faktoren kommt, die voneinander abhängig sind. Charakteristisch für ein System ist ferner, daß es als Ganzes auf einen Stimulus gegenüber einem beliebigen seiner Teile reagiert.
|
|
|
|
|
Quelle: Kuhnen 1980, zitiert nach Andreae 1984, leicht verändert
Innerhalb der in obiger Tabelle aufgelisteten großen Klassen von Agrarsystemen kann eine Vielfalt von Subsystemen existieren, die jeweils bestimmte wichtige Merkmale teilen. Agrarsysteme können sich entsprechend ihrer Definition u.a. hinsichtlich der in ihnen praktizierten Lebensweise, ihrer Gebundenheit an bestimmte Regionen oder ihres Auftretens in einem bestimmten Abschnitt der soziokulturellen Entwicklung eines Raumes unterscheiden. Entscheidend für das Auftreten spezifischer Agrarsysteme ist ein jeweils unterschiedlich zusammengesetztes und gewichtetes Bündel der allgemein für die Landwirtschaft gültigen Standortfaktoren.
In Industrieländern umfasst das Agrarsystem und seine Subsysteme neben den Agrarproduzenten auch die Tätigkeitsfelder der vor- und nachgelagerten Wirtschaftsbereiche (vgl. Abb. unten). In Entwicklungsländern sind Agrarsysteme wegen geringerer gesamtwirtschaftlicher Diversifizierung und Spezialisierung erst in Ansätzen vorhanden. Funktionen, die in Industrieländern nicht (mehr) von der Landwirtschaft wahrgenommen werden, gehören hier noch teilweise zum Aufgabenbereich der Bauern (Herstellung von Werkzeug, Vermarktung, Verarbeitung u.w.)
2. Bezeichnung für die landwirtschaftlichen Funktionseinheiten ('operational units' nach Spedding), die unterschiedlichste Varianten hinsichtlich Größe und Komplexität aufweisen können und die dann mit den Begriffen Unternehmen, Farm, Plantage belegt oder auf die Landwirtschaft einer Region oder eines Staates bezogen sein können.
Mögliche Kriterien zur Gliederung der Agrarsysteme und ihrer Anordnung im Agrarraum sind:
- ökologische Aspekte, z.B. aufbauend auf dem Muster der Klima- und Vegetationszonen (Produktionspotential) oder hinsichtlich des Grades menschlicher Eingriffe in Ökosysteme (natürliche, manipulierte, transformierte Ökosysteme)
- ökologisch-/Input-orientierte Kriterien (ressourcenreiche, ressourcenarme, industrielle Landwirtschaft)
- soziale Merkmale (z.B. Eigentums- und Pachtformen, Erbsitten, Betriebsgrößen, Erwerbsfunktion, Arbeitsverfassung)
- Merkmale des Produktionsprozesses (vielgestaltiger Einsatz der Produktionsfaktoren, Produktionsmethoden)
- Merkmale der Produktivität und des Produktionsziels (Flächen- und Arbeitsproduktivität, Vermarktungsquotient, Spezialisierungsgrad)
- Merkmale der Agrarstruktur (z.B. Bodennutzungssysteme, Anteil der tierischen Produktion)
Die genannten Kriterien lassen sich je nach Zielsetzung zu mehr oder weniger komplexen Klassifikationssystemen kombinieren. Allerdings ist festzuhalten, daß eine allgemein anerkannte Klassifizierung aller Agrarsysteme und eine darauf aufbauende Regionalisierung des Agrarraums bis heute noch nicht vorliegt.
Immerhin vermag die Definition eines Agrarsystems, der jeweiligen Betriebsform und der physisch- sowie der kulturgeographischen Lage eine bestimmte Agrarregion zumeist hinreichend charakterisieren.
3. In einem umfassenderen Verständnis bezeichnet der Begriff 'Agrarsystem' die Gesamtheit aller zur Agrarproduktion gehörenden Faktoren – biotische und abiotische Ressourcen, Anbau- und Ernteverfahren, Einsatz von Technik und Energie, Umweltbedingungen, Beanspruchung von Ökosystemleistungen usw. – unter Einbeziehung aller vor- und nachgelagerten Wirtschaftsbereiche.
Weitere Informationen:
- Agrarsysteme der Zukunft (BMBF; IGZ, ZALF))