Lexikon des Agrarraums

Kurt G. Baldenhofer

Zuckerrohrplantage in Australien

Waldgarten

Als Variante der Agroforstwirtschaft kombinieren Waldgärten (engl. homegarden) Elemente der Landwirtschaft mit denen der Forstwirtschaft. Das Konzept geht auf Vorbilder aus den Tropen zurück und findet seit einigen Jahrzehnten auch Anwendung in den Außertropen. Dieses intensiv bewirtschaftete System liefert Holz, Tier- und Pflanzenprodukte, Obst und Gemüse.

Im indischen Bundesstaat Kerala z.B. gibt es eine jahrhundertealte Tradition, ebenso bei den Chagga am Kilimandscharo (insbesondere vor der Zeit des ausgeprägten Kolonialismus). Dabei werden naturnahe Waldwirtschaft und umfangreiche Nahrungsproduktion miteinander kombiniert. Komplexe und vielschichtige Systeme aus mehrjährigen Kulturpflanzenarten sind der natürlichen Waldvegetation in Struktur und Funktion ähnlicher als annuelle Kulturen und mindern das Ausmaß von Erosion und Nährstoffverlusten. In den Waldgärten und anderen Agroforstsystemen werden in großer Vielfalt Obstbäume (z.B. Jackfruchtbaum) angebaut, Stauden (z. B. Bananen) und Rankengewächse (z.B. Pfeffer). Für den Unterwuchs werden dabei vor allem schattentolerante Pflanzen verwendet, die auch im Unterstand akzeptable Erträge liefern können. Die Bäume können dabei vielerlei Funktionen innerhalb des Systems einnehmen und fungieren so z.B. als Schattenspender oder Stickstofffixierer, bieten Erosions- und Bodenschutz, Schutz für und vor Tieren oder fungieren als Insektenbarriere.

Durch einen sorgfältig durchdachten Bewirtschaftungsplan, bei dem vor allem miteinander kompatible Pflanzen ausgewählt werden, können negative Konkurrenzeffekte und Ertragseinbußen weitestgehend vermieden werden.

Die Vorteile, die sich für die Landwirte aus Homegarden-Systemen ergeben, bestehen u.a. in der größeren Landnutzungseffizienz, in der Steigerung der Produktdiversität und der Gesamterträge, in der höheren ökonomischen und ökologischen Stabilität und in der Erzeugung von Werthölzern als Langzeitinvestment, kostengedeckt durch Kurzzeit-Erträge.

Auch Entwicklungsprojekte (z.B. in Madagaskar) zur Wiederherstellung von artenreichen Wäldern bei gleichzeitiger Nutzung der Fläche für die Landwirtschaft nutzen das Etagenanbau-Konzept des Waldgartens. Entwickelt wurde diese Aufforstungsmethode in jahrzehntelanger Pionierarbeit in Brasilien und Bolivien.

Aufbau und Pflege von Waldgärten (engl.: forest garden) in Europa basieren auf einem Konzept des Engländers Robert Hart.

Waldgärten in Europa

Ein Waldgarten ist ein gezielt geplanter Nutzgarten, der aus verschiedenen Vegetationsschichten besteht und eine strukturelle Ähnlichkeit mit natürlichen Wäldern hat. Damit sind Waldgärten eine Form von mehrschichtigen Agroforstsystemen, die mindestens Bäume, Sträucher und eine krautige Schicht miteinander kombinieren. Dieses innovative Landnutzungssystem besteht in erster Linie aus Arten von mehr-jährigen Pflanzen, deren Bestandteile oder Früchte essbar sind. Das räumliche Arrangement des Waldgartens soll durch die Kombination von Pflanzen unterschiedlicher Sonnen- und Schattenverhältnisse sowie unterschiedlicher Wurzelräume Synergien schaffen und den Raum im dreidimensionalen Sinne zur Nahrungsmittelproduktion damit effektiver nutzen. Früchte, Nüsse, Kräuter und Gemüse werden so kombiniert, dass komplementäre Arten auch senkrecht im Raum genutzt werden, wodurch die Nutzung von Wasser, der Schutz von Böden durch permanente Bodenbedeckung und der lokale Nährstoffkreislauf verbessert wird und zur Steigerung des Ertrags führen soll.

Der spezielle Begriff 'urbaner Waldgarten' (urban food forestry, UFF) wurde 2013 von Clark & Nicolas etabliert und von den Autoren folgendermaßen definiert: Urbane Waldgärten umfassen „die absichtliche und strategische Nutzung von holzigen, mehrjährigen, Lebensmit-tel produzierenden Pflanzenarten in städtischen Landschaften, mit dem Ziel die Nachhaltigkeit und Widerstandsfähigkeit städtischer Gemeinden zu verbessern. Der Schwerpunkt auf mehrjährigen, holzigen, obst- und nussproduzierenden Arten unterscheidet urbane Waldgärten von konventionellen Formen der städtischen Landwirtschaft und der städtischen Forstwirtschaft“.

Im Kontrast zu derzeitigen Formen des Urbanen Gartenbaus, welches oft in Hochbeeten und Kisten als Zwischennutzung erfolgt, sollen urbane Waldgärten einen dauerhaften waldartigen Vegetationsbestand aufbauen. Mit zunehmendem Alter werden Waldgärten naturnäher und multifunktionaler. Das bedeutet: neben der langfristigen Verbesserung eines Standortes hinsichtlich ökologischer Funktionen wie Bodenschutz und biologischer Vielfalt, können Waldgärten der innerstädtischen Klimaanpassung unter anderem durch Kühlung und Wasserrückhalt dienen.

Urbane Waldgärten können für Umweltbildung genutzt werden und fördern durch gemeinschaftliches Gärtnern das nachbarschaftliche Miteinander. Mit einer Entwicklungszeit von mehreren Jahrzehnten beinhaltet dies die Chance, langfristige Gemeinschaftsstrukturen zu etablieren. So könnten Waldgärten eine neue langfristige und multifunktionale Form des urbanen Gärtnerns in Innenstädten sein.

(s. a. Agroforstwirtschaft, shifting cultivation, Waldweide)

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