Lexikon des Agrarraums

Kurt G. Baldenhofer

Zuckerrohrplantage in Australien

Klimawandel und Landwirtschaft (global)

Der Fünfte Sachstandsbericht (AR5) des Zwischenstaatlichen Ausschusses für Klimaänderungen (engl.: Intergovernmental Panel on Climate Change, kurz: IPCC) kommt zu dem Schluss: Der Klimawandel ist eine eindeutige Tatsache. Menschliche Aktivitäten, insbesondere der Ausstoß von Kohlendioxid, sind mit mindestens 90-prozentiger Sicherheit die Hauptursache dafür. Klimaveränderungen machen sich bereits überall auf dem Planeten bemerkbar.

Zusammenfassung

Bereits heute wirkt sich der Klimawandel in verschiedenen Weltregionen auf Ernteerträge und Lebensmittelproduktion aus – negative Folgen sind dabei häufiger zu beobachten als positive. Wenn sich die Landwirtschaft nicht anpasst, werden bis 2050 bei lokalen Temperaturanstiegen um 2 °C oder mehr (gegenüber dem Stand am Ende des 20. Jahrhunderts) Produktionsrückgänge erwartet. Einzelne Standorte könnten aber auch profitieren. Nach 2050 nimmt das Risiko stärkerer Ernteeinbußen zu, ihr Ausmaß richtet sich nach der eintretenden Erwärmung. In Afrika und Asien wird der Klimawandel die landwirtschaftliche Produktion am stärksten treffen. Ein weltweiter Temperaturanstieg um 4 °C oder mehr) würde in Kombination mit der steigenden Nachfrage nach Lebensmitteln die Ernährungssicherheit weltweit und regional stark gefährden.

Im Jahr 2010 trug die Landwirtschaft mit 10 bis 12 % zu den weltweiten Treibhausgasemissionen bei. Der Agrarsektor ist die größte Quelle von Treibhausgasen jenseits des Kohlendioxids (z.B. Methan), 2005 verursachte er 56 % dieser Emissionen.

Sowohl über angebots-, als auch über nachfrageseitige Maßnahmen lässt sich der agrarbedingte Treibhausgasausstoß senken. Zu den Möglichkeiten auf der Angebotsseite (also bei der Landwirtschaft selbst) gehört die Senkung der Emissionen aus Landnutzungsänderungen, Bodenbewirtschaftung und Viehhaltung. Außerdem ließe sich die Menge an CO2 erhöhen, die von Böden und Biomasse aufgenommen und gebunden wird. Die Emissionen der Gesamtwirtschaft können sinken, wenn fossile Brennstoffe durch solche aus Biomasse ersetzt (und wenn bei deren Produktion bestimmte Bedingungen eingehalten) werden. Auch die Nachfrageseite kann an der Minderung agrarbedingter Emissionen mitwirken, etwa wenn weniger Lebensmittel weggeworfen und verschwendet oder wenn andere (mit niedrigerem Treibhausgasausstoß verbundene) Lebensmittel konsumiert werden, also etwa weniger Fleisch.

Es liegt im eigenen Interesse des Landwirtschaftssektors, ehrgeizige Maßnahmen zur Emissionsminderung zu ergreifen und mitzuhelfen, dass wichtige Schwellenwerte bei der Erderwärmung nicht überschritten werden. Ebenso wichtig ist es, sich auf den unvermeidlichen Temperaturanstieg und die damit verbundenen Klimaereignisse einzustellen. Zwar ist eine Anpassung an klimatische Auswirkungen grundsätzlich möglich (vor allem durch die Verbreitung bereits verfügbarer Techniken), doch es gibt Grenzen. Ein Anstieg der Erdmitteltemperatur um 3 °C oder mehr, wird Projektionen zufolge die Anpassungsfähigkeit insbesondere in äquatornahen Regionen überfordern.

Ernährungssicherheit

Die Kombination aus klimatischen Extremereignissen (etwa Hitzewellen, Dürren, Überflutungen und Waldbränden) und langfristigen Entwicklungen (steigende Temperaturen, veränderte Niederschlagsmuster usw.) hat breite und tiefgreifende Folgen für den Agrarsektor und die weltweite Ernährungssicherheit. Der Klimawandel wird Ökosysteme beeinträchtigen oder gar zerstören, die vielfältige, für die landwirtschaftliche Produktion unerlässliche Dienstleistungen erbringen (beispielsweise Verbreitung von Samen, Abbau von Abfallstoffen, Bereitstellung von Nährstoffen). Nach dem Verlust von Lebensräumen ist der Klimawandel die weltweit größte Bedrohung für Bestäuberinsekten wie Bienen oder Hummeln.

Ernteerträge

Die während der vergangenen Jahrzehnte freigesetzten Treibhausgase beeinträchtigen bereits heute den Anbau von Reis, Weizen und Mais. Bei lokalen Temperatursteigerungen um 2 °C (die bei ungebremsten Emissionen an vielen Orten durchaus zu erwarten sind) ist mit weiter sinkenden Erträgen zu rechnen, wenn keine Anpassungsmaßnahmen ergriffen werden. Die Folgen der Emissionen für die Ernten sind sehr komplex: Einerseits hat Kohlendioxid in den meisten Fällen eine stimulierende Wirkung auf das Pflanzenwachstum, andererseits werden Pflanzen durch bodennahes Ozon geschädigt, das im Zusammenhang mit menschlichen Emissionen entsteht. Erhöhte Ozonwerte haben die weltweiten Ernteerträge sehr wahrscheinlich bereits verringert, Schätzungen zufolge um zehn Prozent bei Weizen und Sojabohnen. Die grundsätzlich förderliche Wirkung eines höheren CO2-Niveaus auf die Photosynthese von Pflanzen dürfte zudem relativiert werden durch Veränderungen im Stickstoffkreislauf, Temperaturextreme oder Wassermangel, die im Zuge des Klimawandels ebenfalls zu erwarten sind. Infolge der Erwärmung und anderer Faktoren werden wahrscheinlich jene Gebiete stark schrumpfen, die für den Anbau von Kaffee, Tee und Kakao geeignet sind – die Existenzgrundlage von Millionen Kleinbauern in mehr als 60 Ländern. Solchen Projektionen steht eine erwartete Zunahme der Nachfrage nach landwirtschaftlichen Produkten um rund 14 % pro Jahrzehnt bis 2050 gegenüber.

Entwicklungsländer

In Entwicklungsländern sind die klimabedingten Risiken für die Landwirtschaft am größten. Den dortigen Bauern und Viehhaltern fehlt es an Ressourcen, die unverzichtbar sind zur Anpassung an die Erderwärmung (etwa Kapital, Technik und Wissen). Zudem treffen die Klimarisiken dort auf andere, bereits vorhandene Probleme ökologischer (zum Beispiel Bodenerosion, Wasserverschmutzung, schwindende Artenvielfalt), gesellschaftlicher (wie Ungleichheit, Armut, Geschlechterdiskriminierung) oder staatlicher Art (beispielsweise schwache Institutionen). Verschiedene Wechselwirkungen verschärfen die Risiken.

Wassersicherheit

Veränderte Niederschlagsmengen und -muster sowie der Rückgang von Schnee, Eis und Gletschern wirken sich in vielen Regionen auf die Wasserkreisläufe und damit auf Menge und Qualität des verfügbaren Wassers aus. Mit jedem weiteren Grad Celsius Erwärmung ist damit zu rechnen, dass für weitere sieben Prozent der Weltbevölkerung die erneuerbaren Wasserressourcen um mindestens 20 % abnehmen.

Preisschwankungen

Ein wichtiger Faktor bei den jüngsten Anstiegen der Lebensmittelpreise war, dass mehr Ackerland für den Anbau von Energiepflanzen genutzt wird. Doch dürften auch wetterbedingte Ertragsschwankungen eine Rolle gespielt haben, denn die Preisspitzen folgten oft auf klimatische Extreme in wichtigen Anbauländern. Wegen zunehmender Folgen der Erderwärmung werden bis 2050 Preissteigerungen für Mais um 55 %, für Reis um 37 % und für Weizen um 11 % erwartet. Eine größere Schwankungsbreite (”Volatilität“) der Preise hat negative wirtschaftliche Folgen, denn sie erhöht die Unsicherheit und möglicherweise auch die Produktionskosten und erschwert dadurch den Zugang zu lebenswichtigen Grunderzeugnissen. Arme Bevölkerungsgruppen werden durch klimabedingte Preissteigerungen überdurchschnittlich hart getroffen. Die Preisspitzen von 2010/2011 drückten schätzungsweise 44 Millionen Menschen in 28 Ländern unter die Armutsgrenze.

Lebensmittelqualität

Der Klimawandel wird wahrscheinlich die Qualität mancher Lebensmittel beeinträchtigen. Herrschen beim Anbau von Weizen, Reis, Gerste und Kartoffeln hohe CO2-Konzentrationen, verringert sich der Proteingehalt dieser Produkte um 10 - 14 %. Bei einigen Lebensmittelpflanzen könnte auch der Gehalt an Mineralien und Spurenelementen sinken.

Schädlinge und Krankheiten

In manchen Fällen lässt sich das Auftreten von Schädlingen auf den Klimawandel zurückführen. Steigende Temperaturen, veränderte Niederschlagsmuster sowie häufigere und stärkere Hitzeextreme stören die natürliche Regulierung von Schädlingen und Krankheiten. Zugleich dehnen sich die Verbreitungsgebiete verschiedener Schädlinge aus. Hierdurch sind weitere Ernteeinbußen und Preisanstiege zu erwarten.

Viehhaltung

Zunehmender Hitzestress und häufigere Wetterextreme werden sich negativ auf die Viehbestände auswirken. Hochleistungsrassen sind besonders gefährdet. Die in Entwicklungsländern gehaltenen Züchtungen sind tendenziell widerstandsfähiger gegenüber Hitze und saisonaler Mangelernährung. Für Nutztiere gefährliche Krankheitserreger werden sich im Zuge des Klimawandels voraussichtlich ausbreiten.

Arbeit

Durch Hitzestress und Krankheiten, die beispielsweise von Insekten übertragen werden, wird eine Abnahme der Arbeitsproduktivität erwartet, vor allem für körperliche Arbeit in feuchtem Klima. Es liegt nahe, dass dies auch die Landwirtschaft treffen wird.

Lieferketten

Die Landwirtschaft ist nur ein Glied in den Lieferketten der Lebensmittelindustrie. Die Branche ist ebenso darauf angewiesen, dass Kühlung, Beförderung, Verarbeitung und Vertrieb funktionieren – und alle Glieder der Lieferketten sind klimatischen Risiken ausgesetzt, etwa Betriebsunterbrechungen. (nach klimafakten.de)

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