Lexikon des Agrarraums

Kurt G. Baldenhofer

Zuckerrohrplantage in Australien

Klimawandel und Landwirtschaft (Deutschland)

Wie kaum ein anderer Wirtschaftsbereich hängt die Landwirtschaft von Witterung und Klima ab. Die Änderungen wichtiger Klimakenngrößen wie Temperatur und Niederschlag sowie der Konzentration von Spurengasen in der Atmosphäre beeinflussen unmittelbar physiologische Prozesse in Kulturpflanzen und damit den Ertrag und die Qualität der Ernteprodukte. Zudem wirken sich Klimaänderungen auf die Pflanzenproduktion indirekt aus, indem sie strukturelle und funktionelle Eigenschaften von Agrarökosystemen verändern. Hierzu zählen z. B. Elemente der genutzten und assoziierten Biodiversität, physikalische, chemische und biologische Kenngrößen des Bodens oder das Auftreten von Pflanzenkrankheiten und Schädlingen. Auch die Leistungsfähigkeit von Nutztieren hängt von Klima und Witterung ab.

Nach den für Deutschland mittelfristig projizierten klimatischen Änderungen sind bei differenzierter Betrachtung sowohl negative als auch positive Konsequenzen für die deutsche Landwirtschaft zu erwarten.
Auf der einen Seite werden extrem trockene und heiße Witterungsperioden, Starkregenereignisse oder auch Hagelschläge nachteilige Folgen für die Produktion haben. Auf der anderen Seite steigern ein moderater Temperaturanstieg und eine verlängerte Vegetationsperiode bei ausreichender Wasserversorgung das Ertragspotenzial. Außerdem können sich Bedingungen einstellen, die auch den Anbau von bisher nicht in unseren Breiten kultivierbaren Fruchtarten ermöglichen. Die Auswirkungen stellen sich in Abhängigkeit der jeweiligen Anbauschwerpunkte, der naturräumlichen Voraussetzungen und der sich tatsächlich vor Ort vollziehenden Klimaveränderungen allerdings regional sehr unterschiedlich dar. Daher sind bundesweite Durchschnittswerte stets mit Sorgfalt zu interpretieren. Neben der Pflanzenproduktion ist auch die Tierproduktion vom Klimawandel betroffen. Diskutiert werden Einbußen in der Fleisch-, Eier- und Milchproduktion infolge von Hitzewellen, erhöhte Risiken bei Tiertransporten und Beeinträchtigungen der Tiergesundheit. Wenn Tiere unter Hitzestress geraten, kann es zu einer Abnahme der Fruchtbarkeit oder zu Beeinträchtigungen der Eutergesundheit kommen, und wie der Mensch können auch Tiere von Infektionskrankheiten betroffen sein, die von wärmeliebenden Krankheitserregern übertragen werden. Bundesweit lassen sich die Auswirkungen des Klimawandels auf die Tierproduktion allerdings derzeit nicht darstellen, da die hierfür erforderlichen Daten nicht bundesweit verfügbar sind.

Entscheidend dafür, wie die Effekte des Klimawandels ausfallen, sind zum einen die Art und Intensität der Klimaveränderungen selbst, zum anderen die Empfindlichkeit der jeweils betrachteten Produktionssysteme und die Implementierung von Anpassungsmaßnahmen, mit deren Hilfe sich die Folgen des Klimawandels nutzen, vermeiden oder mildern lassen. Während z. B. eine moderate durchschnittliche Erwärmung oder die kontinuierliche Zunahme der atmosphärischen CO2-Konzentration durchaus positive Wirkungen auf die deutsche Pflanzenproduktion haben können, wirken sich besonders extreme Wetterlagen – regional unterschiedlich – meist deutlich negativ auf einzelne Landnutzungs- oder Produktionssysteme aus.

Anpassungen an den Klimawandel sind im Zusammenhang mit der allgemeinen Entwicklung landwirtschaftlicher Betriebs-, Landnutzungs- und Produktionsstrukturen zu betrachten und zu bewerten – Triebkräfte sind dabei in erster Linie der technische Fortschritt, die steigende Produktivität sowie ökonomische und politische Rahmenbedingungen, die sich vor allem in den vergangenen 10 Jahren stark geändert haben. Insbesondere die Entwicklungen auf den Agrarmärkten, die ihrerseits durch weltweite Klimaveränderungen beeinflusst werden, wirken sich auf die deutsche Landwirtschaft aus. Dieses Kapitel fasst den derzeitigen Stand der Erkenntnisse zu den möglichen Wirkungen des Klimawandels auf die deutsche Landwirtschaft sowie Anpassungsoptionen zusammen, mit einem Schwerpunkt auf der Pflanzenproduktion.

Die Auswirkungen der erwarteten Klimaveränderungen erscheinen für die deutsche Landwirtschaft in den nächsten 20–30 Jahren im Wesentlichen beherrschbar. Ihre Möglichkeiten, sich an den Klimawandel anzupassen, sind vergleichsweise breit gefächert. Vor allem bei einjährigen Kulturen lassen sich Anpassungsentscheidungen auch kurzfristig treffen. Anspruchsvoller ist es dagegen in Betrieben, die Dauerkulturen bewirtschaften oder in der Tierproduktion tätig sind, denn hier sind längerfristig wirksame Investitionsentscheidungen erforderlich.

Für die längerfristigen klimatischen Veränderungen sind die Anforderungen zur Anpassung der Landwirtschaft in Deutschland neu zu analysieren. Zunehmende extreme Wetterlagen wie Früh-, Spät- und Kahlfröste, extreme Hitze, Dürre, Hagel und Sturm könnten die Landwirtschaft herausfordern. Bislang gibt es nur wenige belastbare Erkenntnisse, wie sich künftige agrarrelevante Extremereignisse auswirken, sowie über die Möglichkeiten des Risikomanagements. Einerseits bestehen erhebliche Unsicherheiten bezüglich der Entwicklungen auf den Agrarmärkten, der zukünftigen politischen Rahmenbedingungen sowie der Klimaveränderungen in den nächsten 20–30 Jahren. Andererseits ist die Landwirtschaft sehr anpassungsfähig, weil landwirtschaftliche Produktionszyklen deutlich kürzer sind als die Zeithorizonte des Klimawandels und weil die Landwirtschaft sich rasch technologisch wie strukturell verändert. Zudem passen sich landwirtschaftliche Betriebe traditionell an neue Witterungs- und Klimaverhältnisse an.
Daher unterliegt die Landwirtschaft zwar einem latenten, jedoch keinem dringenden Anpassungsdruck an den Klimawandel. Dies spiegeln zurzeit auch die Strategien vieler Bundesländer zur Anpassung an den Klimawandel wider. Die meisten Maßnahmen der Länder liegen in den Bereichen Monitoring, Forschung und Beratung. (Brasseur et al. 2017)

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