Lexikon des Agrarraums

Kurt G. Baldenhofer

Zuckerrohrplantage in Australien

Cerrado

Auch Cerrados oder Campos cerrados; Bezeichnung für die ursprünglich ca. 2 Mio. km² großen Savannen und savannenähnliche Gebiete Zentralbrasiliens, die seit einigen Jahrzehnten durch unterschiedliche ‚Inwertsetzungen‘ ihren Charakter und ihre Ausdehnung verlieren. Der Begriff lässt sich mit ‚dicht‘ und ‚geschlossen‘ übersetzen. Der Cerrado nimmt eine Mittelstellung zwischen den Wäldern und den echten Savannen ein. Eine genaue Angabe über die ursprüngliche Verbreitung des Cerrados ist spekulativ, denn die massive Zerstörung dieser überaus artenreichen Gebiete setzte schon ein, bevor seine wissenschaftliche Erforschung begann. Mitte der 2010er Jahre bedeckte der Cerrado laut dem brasilianischen Umweltministerium noch ca. 350.000 km² (Anhuf 2017).

Der Cerrado zeichnet sich durch einzigartige Vegetationstypen aus. Er besteht aus einem sich verändernden Mosaik von Habitattypen mit dem eigentlichen savannenartigen Cerrado auf gut entwässerten Flächen, unterbrochen durch Streifen von Galeriewäldern, die entlang von Bächen vorkommen. Zwischen dem Cerrado und dem Galeriewald befindet sich ein Vegetationsgebiet, das als Feuchtcampo bekannt ist.

Indigene Ethnien und traditionelle Bevölkerungsgruppen, wie die Quilombolas, Geraizeiros, Ribeirinhos, Babaçueiras und Vazanteiros leben von den natürlichen Ressourcen des Cerrado und sind mit ihrem traditionellen Wissen über die lokale Natur wichtiger Teil des historischen und kulturellen Erbes Brasiliens. Auch diese soziale Vielfalt ist jedoch von einer zunehmenden Landnutzungsänderung bedroht.

Cerrado Parque Estadual dos Pirineus
(15° 48′ 15.76″ S, 48° 50′ 37.08″ W)

Die Cerrado-Vegetation ist vermutlich sehr alt und reicht in einer prototypischen Form vielleicht bis in die Kreidezeit vor der Trennung von Afrika und Südamerika zurück. Eine dynamische Ausdehnung und Kontraktion zwischen Cerrado und dem Amazonas-Wald hat wahrscheinlich in der Vergangenheit stattgefunden, mit einer Ausdehnung des Cerrados während Eiszeiten wie dem Pleistozän.

Quelle: Wikimedia

Die Cerrados haben ein semiarides Klima mit zwei deutlich getrennten Jahreszeiten. Während der Regenzeit im Oktober bis April (Sommer) fällt ein Großteil der jährlichen Niederschlagsmenge von 1100 bis 2000 mm. Von Mai bis September herrscht Trockenzeit. Die mittlere Jahrestemperatur liegt zwischen 20 °C und 26 °C.

Die Böden der Campos cerrados sind durch Verwitterung aus den Graniten und Sandsteinen des Brasilianischen Schildes entstanden. Diese rötlichen oder gelblichen Böden sind sehr alt und tief verwittert (bis zu 50 m), ihre Nährstoffe sind aber längst ausgewaschen. Vor allem fehlen die Hauptnährelemente Phosphor und Kalium sowie die Spurenelemente Zink und Bor. Der Nährstoffmangel wird dafür verantwortlich gemacht, dass das Gebiet der Cerrados nicht von Wald, sondern von Savanne bedeckt ist.

Die vorherrschenden Böden (Latosole) sind so sauer, dass Al3+-Ionen in Konzentrationen freigesetzt werden, die nur von angepassten Pflanzen toleriert werden. Sie besitzen einen hohen Anteil an Eisen und Aluminium. Diese Eigenschaften beeinflussen massiv das Wurzelsystem und verhindern die Aufnahme von Kalzium und Phosphat, eine Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Landwirtschaft.
Es treten auch braune Böden auf (Cambisole), bei denen Prozesse der Verbraunung und Verlehmung dominieren. Sie enthalten auch 3-Schicht-Tonminerale mit einer deutlich höheren Kationenaustauschkapazität und eignen sich deshalb gut bis sehr gut für den Ackerbau. Allerdings sind sie sehr erosionsanfällig.

Die Bäume in den Cerrados erreichen eine Höhe von 4 bis 9 m, sie bedecken zwischen 3 % und 30 % der Fläche. Während der Trockenzeit bleibt der Boden ab einer Tiefe von 2 m feucht. Die Wurzeln der Bäume erreichen daher immer Wasser, sie bleiben ganzjährig grün und müssen ihre Transpiration nicht einschränken. Gräser und flachwurzelnde Pflanzen vertrocknen während der Trockenzeit.

Die Entwicklung der Cerrado-Vegetation ist durch unregelmäßig auftretende Wald- bzw. Buschbrände geprägt. Die Feuer werden natürlicherweise durch Blitzschlag ausgelöst, doch die vom Menschen gelegten Feuer werden immer häufiger. Charakteristisch für die Cerrado-Pflanzen sind die dicken, korkigen Rinden und unterirdische Organe, die zur Regeneration nach Feuern dienen. Durch zu häufige Feuer kommt es zu einer Änderung in der Vegetationszusammensetzung, die Zahl der Bäume nimmt in der Regel ab, da ihnen nicht genug Zeit bleibt, sich nach einem Brand zu erholen.

Der größte Wald hier ist aber unterirdisch: ein riesiges System von Verzweigungen und Wurzeln, tief genug unter der Erde, um Feuer zu überstehen und während langer Trockenzeiten Wasser zu finden. Knapp 70 Prozent der Pflanzen liegen unter der Erde. Deshalb wird der Cerrado manchmal auch der "auf dem Kopf stehende Wald" genannt. Umgekehrt nimmt das komplexe Wurzelsystem das Niederschlagswasser auf und speist damit das Grundwasser, welches wiederum der tiefergelegene Aquifer speist. Immerhin hat der Cerrado großen Anteil am zweit- und am drittgrößten Einzugsgebiet südamerikanischer Flusssysteme, dem Rio Paraná-Paraguai-System und dem der Flüsse Rio Araguaia und Rio Tocantins.

Die Biodiversität der Cerrados ist sehr groß: dort kommen etwa 10.000 verschiedene Arten von Gefäßpflanzen vor, die Hälfte davon ist endemisch. Die Tierwelt umfasst etwa 200 Säugetierarten, 840 Vogelarten, 180 Arten von Reptilien und 110 Amphibienarten.

In der Vergangenheit war der Cerrado nur dünn besiedelt und weit von den Zentren der brasilianischen Wirtschaft entfernt. Erst ab ca. 1970 strebte die Regierung eine stärkere Integration der Regionen in die nationale Ökonomie an. Die Anbindung erfolgte über Straßen und Schienenwege, und symbolträchtig wurde die neue Hauptstadt Brasilia (1960) in der Mitte des Cerrado aufgebaut.

Die Cerrado-Region wird erst seit etwa 50 Jahren im großen Stil landwirtschaftlich genutzt. Davor betrieb die Bevölkerung zumeist Subsistenzlandwirtschaft, deren Grundlage eine extensive Weidewirtschaft war. Hinzu kamen etwas Jagd und Fischfang. Seit den 1980-90er Jahren werden zunehmend ackerbauliche Nutzungen auf ehemaligen Weiden betrieben, und heute wird die natürliche Vegetation direkt in Ackerland umgewandelt. Steuerliche Anreize bei der Erschließung, Preisgarantien und weitere Fördermaßnahmen führten zur Entwicklung einer hochmechanisierten kapitalintensiven Landwirtschaft. Gleichermaßen spielen große Fortschritte in der Pflanzenzüchtung im Verbund mit einem ausgeklügelten Düngungssystem eine große Rolle bei den Anbauerfolgen. Gleichermaßen spielen große Fortschritte in der Pflanzenzüchtung im Verbund mit einem ausgeklügelten Düngungssystem eine große Rolle bei den Anbauerfolgen.

Der Cerrado ist eine leicht zu bearbeitende Gegend mit verbreiteten Hochebenen ohne größere Reliefierung. Der relativ niedrige Baumbestand erleichtert seine Rodung zu Erschließungszwecken. Allerdings muss zum Feldfruchtanbau die Nährstoffarmut der Böden durch Düngung ausgeglichen werden. Voraussetzung für die Nährstoffverfügbarkeit ist zudem eine ph-Wertanhebung des Boden, was durch enorme Kalkmengen (Dolomit) realisiert wird. Er ist reichlich im Süden des Bundesstaates Mato Grosso vorhanden.

In Großbetrieben werden Sojabohnen, Mais, Zuckerrohr, Reis und Baumwolle angebaut. Eine jüngere Entwicklung in der Nutzung der Cerrados ist die Ausweitung der Zuckerrohrplantagen für die Produktion von Bioethanol, unter anderem auch auf Kosten der Nahrungsmittelproduktion. Viehhaltung wird ebenfalls betrieben. Zusätzlich gibt es weite Flächen mit Eukalyptus- und Pinien-Monokulturen zur Zellstoffproduktion und Holzkohlegewinnung für Stahlwerke. Letztere setzen schon seit Längerem Holzkohle ein, die aus dem beim Vorrücken der Agrarfront gefällten Holz produziert wurde.

Mittlerweile sind bereits zwei Drittel der Cerrado-Flächen, möglicherweise sogar 80 % durch menschlichen Einfluss stark verändert worden. Bis heute fiel schon die Hälfte dieses Biodiversitäts-Hotspots der Agrarindustrie zum Opfer. Lediglich 3 % der Gesamtfläche steht unter Naturschutz. Mit der Ausweitung der für Landwirtschaft und Viehwirtschaft genutzten Flächen geht immer mehr der natürlichen Flora und Fauna verloren.

Hydrologisch bedeutet die Beseitigung der einheimischen Vegetation und ihr Ersatz durch flachwurzelnde Wirtschaftspflanzen wie Soja oder Baumwolle, dass die Niederschläge nicht in gleichem Maße in den Boden eindringen können wie bei der Cerrado-Vegetation. Im Laufe der Zeit reduziert sich der Grundwasserspiegel, das wiederum beeinträchtigt die Aquifere, deren Kapazität dann kontinuierlich geringer wird.

Die häufiger gelegten Brände und der Eintrag von Dünger stören die Ökosysteme. Der hohe Pestizideinsatz z.B. im Sojaanbau führt in Verbindung mit der fast fehlenden Rückhaltefähigkeit des Bodens und der Bodenerosion beispielsweise in Mato Grosso und West-Bahia zu einer enormen Belastung des Grund- und Oberflächenwassers. Von den grossen Chemiefirmen werden zudem in Brasilien noch besonders problematische Produkte in grossen Mengen abgesetzt, die in Europa längst verboten sind, beispielsweise das Herbizid Paraquat von Syngenta.

Da im nördlichen Cerrado wichtige Quellgebiete der grossen Flüsse Brasiliens liegen, ist dort der hohe Pestizideinsatz besonders folgenreich. In einigen Regionen soll der Fischrückgang dramatisch sein. Obwohl sie sich schwer beziffern lassen und viele dazu nötige Daten fehlen, dürften die ökologischen und sozialen Kosten des Sojabooms in Brasilien riesig sein.

Die GIZ hilft brasilianischen Behörden mit einem verbesserten Feuermanagement sowie mit der Entwicklung neuer Monitoringsysteme für Feuer und Entwaldungsprozesse, damit betroffene Teile des Cerrado als globalen Kohlenstoffspeicher erhalten und die Biodiversität geschützt werden können.

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