Pflanzenzüchtung
Die genetische Veränderung von Pflanzenpopulationen zur Verbesserung biologischer und ökonomischer Eigenschaften. Sie beruht auf Pflanzenauslese, Saatgutbehandlung oder Kreuzung mit nachfolgender Auslese von Tochterpflanzen für den nächsten Züchtungszyklus oder der anschließenden Vermehrung als Saatgut einer neuen Pflanzensorte (Saatzucht).
Geschichte
Der Beginn des Anbaus von Pflanzen und somit auch der Pflanzenzüchtung begann vor rund 12.000 Jahren in Mesopotamien (heute größtenteils Irak) mit Gerste (Hordeum vulgare) sowie Emmer (Triticum dicoccum) und Einkorn (Triticum monococcum), den Urformen des Weizens (Triticum aestivum), später auch Roggen (Secale cereale). Hier wurden erstmals gezielt Pflanzen der genannten Arten ausgewählt und unter kontrollierten Bedingungen angebaut.
Seit etwa 5.500 vor Chr. ist der Anbau von Getreide auch in Mitteleuropa bekannt. Mittels Auslese (Selektion) der ertragreichsten Individuen und Einkreuzung von weiteren Wildgrasarten entwickelten sich nach und nach die bekannten Getreidesorten. Um den Ertrag weiter zu verbessern, wurden Anbaumaßnahmen wie Düngung, Bewässerung und Beseitigung von Unkraut eingesetzt. Trotzdem gab es immer wieder Ernteausfälle durch Trockenheit, Schädlingsbefall oder Pflanzenkrankheiten und in der Folge schwere Hungersnöte (z. B. die Kartoffelfäule im 19. Jahrhundert in Irland durch den Pilz Phytophtora infestans, in deren Folge bis zu eine Million Menschen verhungerten).
Waren es bis Mitte des 19. Jahrhunderts noch die Landwirt/innen und Gärtner/innen selbst, die den Prozess des Kreuzens und des Selektierens durchführten, das Saatgut ernteten und wieder aussäten, wurden im Zuge der Aufklärung sowie des Beginns der modernen Naturwissenschaften Institute gegründet, die sich der Zucht und dem Anbau von Nutzpflanzen (also Pflanzen, die der Ernährung, der Rohstoffgewinnung, der Gesundheit oder als Zierpflanzen dienen) widmete. Die Pflanzenzüchtung etablierte sich ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Europa und Nordamerika als eine – auch kommerziell betriebene – wissenschaftliche Disziplin.
Im Laufe der Fünfziger Jahre entwickelte sich die sogenannte Grüne Revolution. Mit den modernen Methoden der Pflanzenzüchtung (Bezeichnung seit den 50ern: Pflanzenproduktion) wurden die ersten Hochertragssorten erzeugt (u. a. Reis, Mais, Hirsen, Kartoffeln, Soja), die bei geringerem Düngereinsatz gute Erträge brachten. Ab den Sechzigern wurden diese Sorten in den Entwicklungsländern erfolgreich angebaut, so dass man heute davon ausgeht, dass durch den höheren Ertrag zum einen die Ernährungssituation deutlich verbessert und die Kindersterblichkeit gesenkt werden konnte, zum anderen auch weniger Anbaufläche benötigt wird. Als Nachteile der Grünen Revolution nennen Kritiker eine vermehrte Auslaugung und Versalzung des Bodens sowie eine Absenkung des Grundwassers infolge erhöhten Wassereinsatzes.
Die nächste Revolution in der Pflanzenzüchtung gab es im Laufe der Achtziger Jahre: Die Grüne Biotechnologie verwendet Erkenntnisse und Methoden aus verschiedenen Biowissenschaften, um über Pflanzen Wirkstoffe zu produzieren oder Enzyme zu gewinnen. Der bekannteste Bereich ist die Grüne Gentechnik, bei der mit Labormethoden in das Erbgut von Pflanzen eingegriffen wird, um deren Eigenschaften zu verbessern. Ihr Einsatz ist vor allem in Europa umstritten, weil unkontrollierbare Auswirkungen auf die Umwelt und den Menschen befürchtet werden.
Ziele
Gezüchtet wird generell, um möglichst viele Individuen einer Art mit einem weitgehend einheitlichen Genom zu bekommen, das die gewünschten Eigenschaften enthält.
Diese Eigenschaften sind in der Pflanzenzüchtung klassischerweise ein hoher Ertrag, eine gute Qualität, ein guter Geschmack, eine gewisse Genügsamkeit in Bezug auf Wasser, Nährstoffe und sonstige Standortansprüche sowie Resistenz gegenüber Krankheiten und Schädlingen.
Die Pflanzenzüchtung verfolgt folgende Ziele:
- Ernährung
Vor allem mit Hilfe der Gentechnik wird versucht, Getreide auf bestimmte Inhaltsstoffe oder Ertragreichtum bei gleichzeitiger Unempfindlichkeit gegenüber Nährstoff- und Wassermangel zu züchten, um damit Ernährungsprobleme in der Dritten Welt zu lösen. Beispiel ist der sogenannte Goldene Reis, der durch Einbau zweier Gene einen hohen Provitamin-A-Gehalt aufweist, der den in der Dritten Welt verbreiteten Mangel zumindest teilweise beheben soll. Der Mangel an Provitamin A kann zur Erblindung und einer hohen Sterblichkeitsrate bei Kleinkindern führen. Kritisiert wird unter anderem an diesem Projekt, dass das Saatgut nicht patentfrei ist, dass also eventuell für die Bauern Gebühren anfallen.
Auch die Züchtung auf Salztoleranz soll der Sicherung der Ernährung dienen. Hier wurde bei Raps ein spezielles Gen eingebaut, das ein besonderes Protein für den Ionentransport codiert. Dadurch kann die Pflanze mit hoher Salzfracht besser umgehen als herkömmliche Züchtungen. Versalzung der Böden ist in viele Entwicklungsländern ein großes Problem. - Pflanzeninhaltsstoffe
Hinzu kommt eine Fokussierung auf bestimmte Inhaltsstoffe, die in der Pflanze in hohem Maß produziert werden sollen, wie etwa die transgene Kartoffel ’Amflora’, die sich durch eine besonders hohe Stärkeproduktion auszeichnet. Diese Kartoffel ist nur für den industriellen Bedarf gezüchtet worden, sämtliche anderen Inhaltsstoffe, die bei Speisekartoffeln Nährwert und Geschmack ausmachen, wurden zugunsten der Stärkeproduktion vernachlässigt. - Rohstoff und Energie
Ein weiteres Zuchtziel ist die Erzeugung von sogenannten ’Low-Input-Pflanzen’, die nur wenig Nährstoffe brauchen und geringe Ansprüche an den Boden haben, aber gleichzeitig gute Erträge bringen. Das ist besonders für die Erzeugung von Biosprit interessant. Mais als eine der wichtigen Pflanzen für die Bioethanolerzeugung ist ein sogenannter Starkzehrer, d. h er braucht viele Nährstoffe und belastet somit die Umwelt sehr stark. Auch wird an einer besseren Verfügbarkeit der Maisstärke geforscht, um eine höhere Effektivität bei der Herstellung von Bioethanol zu erreichen. - Umwelt- und Klimaschutz
Neben den Energiepflanzen, die in Zukunft zumindest einen Teil des herkömmlichen Kraftstoffbedarfs ersetzen könnten, werden mit gentechnischen Methoden vermehrt transgene Pflanzen entwickelt, die eine ’eingebaute Schädlingsresistenz’ besitzen. Das bekannteste Beispiel ist hier der transgene BT-Mais MON810. Transgene Pflanzen können je nach Wunsch mit Herbizidresistenz oder mit Insektenresistenz ausgestattet werden.
Herbizidresistenz: Die Pflanze ist durch ein spezielles Gen resistent gegen Herbizide wie etwa Glyphosat, so dass Totalherbizide mit diesem Wirkstoff ausgebracht werden können, ohne dass die Pflanze davon beeinträchtigt wird
Insektenresistenz: Die Pflanze produziert selbständig Gifte gegen bestimmte Schädlinge. Am bekanntesten ist hier der sogenannte BT-Mais, benannt nach dem Bakterium Bacillus thuringiensis. Durch B. thuringiensis werden bestimmte Gene übertragen, die das Gift codieren. BT-Toxine werden auch in der ökologischen Landwirtschaft zur Schädlingsbekämpfung eingesetzt. Neben dem BT-Mais gibt es auch BT-Baumwolle, die in vielen Ländern (USA, China, Indien) angebaut wird. Durch den Einsatz von BT-Pflanzen soll der Einsatz von Insektiziden gesenkt werden.
Züchtungsmethoden
Dabei geht es nicht um eine evolutive Anpassung, sondern darum, die Eigenschaften der Pflanze den Wünschen der Menschen anzupassen.
Um dieses Ziel zu erreichen, gibt es verschiedene Vorgehensweisen:
- Selektive Züchtung
- Kombinationszüchtung
- Klonzüchtung
- Hybridzüchtung
- Mutationszüchtung
- Präzisionszucht (smart breeding)
- Genomische Selektion
Weitere Informationen:
- Pflanzenforschung.de - Startseite
- Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter - Startseite
- Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter - Glossar
- Pflanzenzüchtung (JKI)
- Die Entstehung der Pflanzenwelt (Pflanzenforschung.de)
- Aufgaben und Herausforderungen einer vielfältigen und vielfaltsfördernden Pflanzenzüchtung (TAB / KIT)