Lexikon des Agrarraums

Kurt G. Baldenhofer

Zuckerrohrplantage in Australien

Standards in Land- und Ernährungswirtschaft

Ein Standard ist ein gefordertes Kriterium, mit dem man das Ergebnis eines Produktionsprozesses oder einer Leistung beschreiben kann, wie das technische oder physische Charakteristikum eines Produktes, oder die Bedingungen oder Methoden, unter denen es erzeugt oder übertragen wurde. (Humphrey 2005)

Ein Standard kann die unterschiedlichsten juristischen Formen annehmen: als technische Anleitung, Norm, Gesetz, Kodex, Vereinbarung, Vertrag, Abkommen, Regulierung, Siegel, Zertifikat usw. Standards sind wie ein Pass, mit dem Produkte in einen bestimmten Markt gelangen. Sie bestimmen die Identität eines Produkts.

Bei der Entwicklung der Welternährungswirtschaft in den vergangenen zwei Dekaden spielt die Debatte um Standards eine zentrale Rolle. Standards sind gewissermaßen der „Kitt“, der die Globalisierung in der Landwirtschaft und im Lebensmittelbereich prägt und zusammenhält.
Differenzierend kann man unterscheiden:

Die Codex-Alimentarius-Kommission (CAC) - 1963 von der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) und der Weltgesundheitsorganisation (WHO) gegründet - sieht sich als die weltweit führende Organisation für die Vereinbarung internationaler Lebensmittel-Standards, die dem Schutz der Gesundheit der Verbraucherinnen und Verbraucher und der Sicherstellung fairer Handelspraktiken im internationalen Handel mit Lebensmitteln dienen. Die Standards des Codex Alimentarius sind nicht rechtlich verbindlich.

Die Standards des Codex Alimentarius erfuhren aber durch die Gründung der Welthandelsorganisation (WTO) bzw. insbesondere durch das Inkrafttreten des Übereinkommens über die Anwendung von gesundheitspolizeilichen und pflanzenschutzrechtlichen Maßnahmen (SPS-Abkommen) eine starke Aufwertung. Das SPS-Abkommen ist eines von 13 multilateralen Übereinkommen der sogenannten Uruguay-Runde im Anhang zum Übereinkommen zur Errichtung der WTO, das am 1. Januar 1995 in Kraft getreten ist.

Das SPS-Übereinkommen setzt die Regeln, denen WTO-Mitglieder folgen müssen, wenn sie Vorschriften im Hinblick auf Lebensmittelsicherheit, Tier- und Pflanzengesundheit erlassen. Dieses für die Landwirtschaft bedeutende Abkommen gibt den Mitgliedern das Recht, zum Schutz des Lebens und der Gesundheit von Menschen, Tieren und Pflanzen, Einfuhrbeschränkungen zu treffen, sofern daraus weder eine ungerechtfertigte Diskriminierung noch ein verstecktes Handelshemmnis entsteht.

Wenn das Exportland nachweist, dass seine Maßnahmen denen des Importlandes entsprechen, ist ihre Gleichwertigkeit vom einführenden Staat anzuerkennen. Jeder Staat kann das ihm geeignet erscheinende Schutzniveau für sich festlegen. Höhere Normen als die der entsprechenden internationalen Organisationen sind nur bei wissenschaftlicher Begründung und nach einer objektiven Risikoanalyse zulässig. Nicht derart begründbare Vorsichtsmaßnahmen sind nur befristet erlaubt.

Gemeinsame internationale Standards im Lebensmittelrecht zu entwickeln, ist schwierig, weil die gesellschaftlichen und kulturellen Unterschiede zwischen den reichen und den armen Ländern gerade in diesem Bereich groß sind. Zusätzlich verfügen die reichen Staaten und ihre Wirtschaft über die Machtstrukturen und die Wissenschaftskapazitäten, um sie durchzusetzen.

Bei der Herstellung von Lebensmitteln geht es oft um sehr sensible Sachverhalte, verbunden mit einem gewissen Gefahrenpotenzial für die menschliche (tierische oder pflanzliche) Gesundheit. Dabei ergibt sich die Frage, wer mit welchen wissenschaftlichen Nachweismethoden das Gefahrenpotenzial bestimmt.

Dass selbst über vermeintlich gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse zwischen Gesellschaften große Divergenzen hinsichtlich der Bewertung bestehen können, zeigen die Streitthemen zwischen den USA und der EU über gentechnisch veränderte Nahrungsmittel, die Anwendung von Hormonen in der Tierhaltung, Klonfleisch oder auch Behandlungsmethoden von Lebensmitteln wie Bestrahlung oder die Chlorbehandlung von Fleisch. Diese Technologien sind in der EU wegen Gesundheitsbedenken nicht zugelassen, in den USA hingegen gängige Praxis.

Auch das Gütesiegel zur regionalen Herkunftsbezeichnung ist wiederholt ein Streitanlass. Die in einem staatlich geführten Register haben eine gesetzlich geschützte Herkunftsbezeichnung. Sie dienen dazu, die Identität von traditionellen Lebensmitteln mit einer spezifischen Qualitätseigenschaft und einer klaren regionalen Herkunft (z. B. Parmaschinken) zu bewahren. Damit schafft diese Gütesiegel einen besonderen Nischenmarkt.

Alle Standards schützen gesellschaftliche Anliegen, sind jedoch zugleich auch Handelsbarrieren, denn sie gehen mit strikten Auflagen einher, die kostenintensiv sind und weltweit nicht von allen Erzeugern gleichermaßen erfüllt werden können.

Zu den staatlich gesetzten Standards kam im Hinblick auf die Lebensmittelsicherheit eine große Zahl privater Standardinitiativen unterschiedlichster Art hinzu. Diese verfolgen zumeist singuläre ethische Anliegen. Hier ist zum einen zu unterscheiden zwischen Standards, die auf dem Endprodukt ausgewiesen werden, damit sie bei den Verbrauchern Vertrauen erzeugen. Solche Standards werden unter dem Begriff Business to Consumers (B2C) geführt. Das ist z. B. der Fall bei der Kennzeichnung von Produkten des organischen Landbaus (div. Biosiegel) oder des Fairen Handels (z.B. Transfair in Dtld.). Auch die weniger strikten Nachhaltigkeitsstandards wie Rainforest Alliance/Sustainable Agriculture Initiative (RFA/SAI), Marine Stewardship Council (MST) oder UTZ-Kapah (für Kaffee, Tee, Kakao) werden am Produkt ausgewiesen. Weitere globale B2C-Standards sind die 4C-Association (Common Code for the Coffee Community), Fair Flowers Fair Plants (FFP), Better Cotton Initiative (CI), Bonsucro, Ethical Tea Partnership (ETP), Fair for Life. Mit ihrer deutlichen Etikettierung zielen sie darauf ab, dass die Verbraucher zu den gekennzeichneten ‚höherwertigen‘ Waren greifen und bereit sind, dafür auch mehr zu zahlen.

Hiervon zu unterscheiden sind Standards, die nur unter Firmen gelten und reine Busines-to-Business-(B2B-)Standards sind. Für den Verbraucher unsichtbar, sichern sie die einzelnen Stufen der Wertschöpfungskette bei Frischeprodukten und weiterverarbeiteten Lebensmittel gegenüber Qualitäts- und Sicherheitsrisiken und anderen rufschädigen Praktiken von Zulieferern ab. Die B2B-Standards bewegen sich im Bereich der konventionellen Landwirtschaft und orientieren sich an den Bedürfnissen der Verbraucher, die in den Supermarktketten der Industrieländer einkaufen. Sie konzentrieren sich auf die gute fachliche Praxis, bzw. auf die globale Nachhaltigkeit, wie das UN Forum on Sustainability Standards (UNFSS) es nennt.

Die privaten Standards sind nicht an die Verfahren der WTO-Verträge gebunden. (Buntzel/Marí 2016)

(s. a. TBT-Übereinkommen)

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