Lexikon des Agrarraums

Kurt G. Baldenhofer

Zuckerrohrplantage in Australien

WTO

Englische Abk. für "World Trade Organization", Welthandelsorganisation. Sie ist eine mit eigener Rechtspersönlichkeit ausgestattete Organisation mit ständigem Sitz in Genf. Die WTO hat zurzeit 164 Mitglieder, unter anderem seit 1995 die USA, Japan, Brasilien, Indien, und die Mitgliedstaaten der Europäischen Union; seit 2001 China, seit 2012 Russland. Als 164. Mitgliedstaat ist Afghanistan im Juli 2016 beigetreten. Die WTO-Mitglieder erwirtschaften mehr als 90 % des Welthandelsvolumens. Wesentliche Nicht-Mitglieder sind einige Staaten der ehemaligen Sowjetunion sowie mehrere Staaten Nordafrikas und des Nahen Ostens. Zum Stand 7. Dezember 2016 gibt es 27 Länder mit Beobachterstatus, die (mit Ausnahme des Heiligen Stuhls, der - ein eigenständiges, nichtstaatliches Völkerrechtssubjekt - die Vatikanstadt international vertritt) innerhalb von fünf Jahren Beitrittsverhandlungen beginnen müssen. Jedes Mitgliedsland hat eine Stimme in den Gremien. In der internationalen Handels- und Wirtschaftspolitik ist die WTO die dritte Säule neben Weltbank und Internationalem Währungsfonds.

Das WTO-Abkommen trat am 1. Januar 1995 in Kraft und umfasst drei Bereiche: das 1948 als Provisorium geschaffene Zoll- und Handelsabkommen (GATT), das Allgemeine Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen (GATS - General Agreement on Trade and Service) und das Rahmenabkommen über den Schutz geistiger Eigentumsrechte (TRIPS - Agreement on Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights). Integriert ist auch ein neues umfassend geregeltes Streitschlichtungsverfahren von allerdings demokratisch fragwürdigem und wenig transparentem Charakter. Die WTO besitzt weit mehr Kompetenzen als ihre Vorläuferin, das GATT. Viele GATT-Übereinkommen wurden in das WTO-Abkommen integriert. Hierzu gehören insbesondere die für das Lebensmittelrecht maßgebenden "Übereinkommen über technische Handelshemmnisse" (Agreement on Technical Barriers to Trade, TBT-Übereinkommen) und das "Übereinkommen über die Anwendung gesundheitspolizeilicher und pflanzenschutzrechtlicher Maßnahmen" (Agreement on the Application of Sanitary and Phytosanitary Measures, SPS-Übereinkommen).

Ziel der WTO ist der Abbau von Handelshemmnissen und somit die Liberalisierung des internationalen Handels mit dem weiterführenden Ziel des internationalen Freihandels. Zudem ist sie zuständig für die Streitschlichtung bei Handelskonflikten.

Von Umweltorganisationen wie Greenpeace wird beklagt, dass die WTO keine Rücksicht auf den Umweltschutz nehme. Die häufige Einstufung von Umweltschutzmaßnahmen als Handelshemmnisse reduziere die staatlichen Möglichkeiten aktiven Naturschutz zu betreiben. Beispiele für als Handelshemmnisse eingestufte Umweltschutzmaßnahmen seien unter anderem die Reinhaltung der Luft, der Tierschutz und die Beschränkung der Gentechnik. Dagegen ist wiederum einzuwenden, dass Staaten möglicherweise Umweltschutzbestrebungen lediglich als Vorwand für versteckten Protektionismus benutzen könnten.

In der Präambel der WTO ist das Prinzip der sustainable development als Ziel formuliert, ferner u.a. der Abbau produktionsgebundener Subventionen für die Landwirtschaft.

Wegen der Besonderheiten der Weltagrarmärkte wurden besondere Regeln für den Agrarhandel eingeführt.

WTO-Beschlüsse im Agrarbereich:

Hintergrund der Maßnahmen sind die besonderen Merkmale der Landwirtschaft der Industriestaaten mit ihrem hohen Grenzschutzniveau und dem zunehmenden Einsatz von nichttarifären Handelshemmnissen. Mit der Industrialisierung hatten sich die Einkommensunterschiede zwischen Landwirtschaft und Nichtlandwirtschaft vergrößert. Die einzelnen Länder reagierten auf diese Entwicklung mit Einkommensbeihilfen an die Landwirtschaft, teils über Preisstützungen und Grenzschutzmaßnahmen, teils über direkte Beiträge. In den Entwicklungsländern liegen die Verhältnisse anders. Die Landwirtschaft wird vom Staat nicht unterstützt. Im Gegenteil, der Staat besteuert die Landwirtschaft über Exportabgaben. 1988 lagen die Exportpreise von 19 Entwicklungsländern um fast 30 Prozent unter den Weltmarktpreisen.

Das WTO-Agrarabkommen enthält eine Fortsetzungsklausel mit dem Ziel, "die Anstrengungen für ein faires und marktorientiertes Agrarhandelssystem fortzusetzen".

In der aktuellen Doha-Entwicklungsrunde verhandeln die Mitgliedstaaten seit 2001 insbesondere über die bessere Einbindung der Entwicklungsländer in den Welthandel.

Auf der Bali-Konferenz (2013-2014) haben sich alle damaligen 159 WTO-Länder erstmals auf ein Abkommen zum Abbau von Handelsschranken und Agrarsubventionen sowie auf Hilfen für Entwicklungsländer geeinigt. Für den Agrarmarkt gilt: Die GAP und das Stützungssystem für die EU-Agrarexporte bleiben vorerst unangetastet, EU-Exporterstattungen bleiben bei gravierenden Marktkrisen erlaubt. Die EU-Förderungen im Rahmen der sogenannten Green-Box (Landwirtschaft und ländlicher Raum) bleiben erlaubt, soweit sie nicht handelsverzerrend und WTO-konform sind.

Ziel der Bundesregierung ist es, bei den Doha-Verhandlungen im Agrarbereich, den Entwicklungsländern eine gleichberechtigte Teilnahme am Welthandel zu ermöglichen und zugleich sicherzustellen, dass das europäische Modell einer multifunktionalen Landwirtschaft auch in Zukunft Bestand hat. Ein WTO-Abschluss würde die reformierte Gemeinsame Agrarpolitik der Europäischen Union multilateral absichern und europäischen, also auch deutschen Landwirten, Planungssicherheit geben und Chancen eröffnen.

(s. a. Blue Box, Codex-Alimentarius-Kommission, Green Box)

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