Sahel-Syndrom
Bündel von Formen der Bodendegradation und deren Ursachen bei der landwirtschaftlichen Inanspruchnahme marginaler Standorte. Der Begriff ist Teil einer Klassifikation von Syndromen der Bodendegradation.
Das Sahel-Syndrom umfasst die Überweidung und Übernutzung arider und semiarider Grasländer und die Erschließung steiler, strukturschwacher, erosionsanfälliger Böden.
Ein weiterentwickeltes Konzept des Sahel-Syndroms berücksichtigt nicht nur bodenzentrierte Krankheitsbilder, sondern auch alle Elemente von Natur- und Anthroposphäre gleichzeitig.
Die Brennpunkte der Übernutzung solcher Agrarstandorte und damit die Überschreitung ökologischer Tragfähigkeit liegen neben der Sahelzone im Maghreb, in Ostafrika, Westarabien, Teilen Ost- und Zentralasiens, Indien, Mittelamerika, und Teilen Ostbrasiliens.
Unangepaßter Feldbau, Feuer und Überweidung bedingen eine verminderte Produktivität und besondere Anfälligkeit des Naturraums. Zusammen mit den oftmals stark fluktuierenden jährlichen Niederschlägen in ariden Gebieten führt dies zu einer Degradation von Steppen oder Savannen hin zu wüstenähnlichen Landschaften.
Die Symptome dieser Desertifikation sind:
- Degradation der Pflanzendecke, Rückgang der Biomasseproduktion sowohl der Primärvegetation als auch der landwirtschaftlichen Vegetation
- Veränderungen im Wasserhaushalt (Bodenwasser, Grundwasser, Verdunstung, Oberflächenabfluss)
- Veränderte morphologische Prozesse wie verstärkte Wind- und Wassererosion und Reaktivierung von Dünenwanderungen und Dünenneubildung
- Degradation der Böden (Aridifizierung, verminderte Bodenfruchtbarkeit, Bodenverkrustung, Bodenversalzung, und -alkalinisierung, Bodenstrukturzerstörung)
Als eine Hauptursache ist die Landnutzungsänderung, von der Subsistenzwirtschaft hin zu kapitalintensivem Monokulturanbau von cash crops anzusehen. Dadurch ist die ländliche Bevölkerung verstärkt gezwungen, auf marginale Standorte auszuweichen. In Verbindung mit dem Bevölkerungswachstum führt das zu einer Ausdehnung der landwirtschaftlich genutzten Flächen und zur Intensivierung der Nutzung. Hinzu kommt die Brennholznutzung bei immer knapper werdenden Holzvorräten.
Weitere Ursachen und ihre Folgen:
- Der Einfluss westlicher Kulturen (Kolonialisierung, moderne Medien): Konsumbedürfnisse änderten sich, Entfremdung von natürlichen Lebensgrundlagen durch Abkehr von Tauschhandel und gegenseitiger Hilfeleistung, Individualisierung löste traditionelle Formen des Zusammenlebens in Stämmen, Clans und Dörfern (Solidarsysteme) ab, Verlust traditionellen Wissens um angepasste landwirtschaftliche Praktiken
- Innenpolitische Faktoren: Förderung moderner Intensivlandwirtschaften, geringe Partizipationsmöglichkeiten der ländlichen Bevölkerung, Bürokratismus, tendenzielle Geringschätzung der traditionellen Lebensweise, oft verbunden mit Repression (Seßhaftmachung von Nomaden)
- Außenwirtschaftliche Zwänge: verschlechterte terms of trade, hohe internationale Verschuldung, Zwang zum Erwirtschaften von Devisen durch Anbau von cash crops
- Fehlkonzipierte Entwicklungshilfe: überhastete Modernisierung der Landwirtschaft (Sesshaftmachung von Nomaden, Tiefbrunnenbau) statt lokaler, angepaßter, kleinskaliger Projekte, Aufgabe von ursprünglich nachhaltigen Bodenbearbeitungsmethoden, wenig Berücksichtigung der Bedürfnisse und Traditionen der lokalen Bevölkerung
- hohes Bevölkerungswachstum
- Wachsende Verarmung, Landflucht, steigende Anfälligkeit gegenüber Nahrungskrisen, zunehmende Häufigkeit von politischen und sozialen Konflikten um knappe Ressourcen.