Lexikon des Agrarraums

Kurt G. Baldenhofer

Zuckerrohrplantage in Australien

Hazienda

Landwirtschaftlicher Großbetrieb (span. hacienda) in von früherer spanischer Kolonialherrschaft beeinflussten Gebieten. Ihre volle Entfaltung erlangte die Hazienda im 19. und frühen 20. Jahrhundert. Die Hazienda-Wirtschaft war ein System zur Sicherung des Monopols am Boden und der zu seiner Bewirtschaftung erforderlichen Arbeitskräfte. Sie diente vornehmlich dem sozialen Ansehen der Besitzer, dem hacendado, während das Produktionsmotiv und die Absicht, materielle Gewinne zu erwirtschaften, zweitrangig war. Lediglich lokale Märkte wurden beliefert. Die Produktionsziele waren regional recht unterschiedlich, wobei es sich häufig um Betriebe mit Viehhaltung, aber auch um solche mit Ackerbau oder Dauerkulturen handelte. Die Arbeitskräfte erhielten eine kleine Parzelle zur Subsistenzwirtschaft. Sie waren verpflichtet, als Gegenleistung drei bis fünf Tage in der Woche für den Grundherrn zu arbeiten, der sich selbst die besten Böden vorbehielt.

Die Größe einer Hazienda variierte regional stark, konnte aber eine Fläche von mehreren tausend Hektar umfassen. Ein Teil des Grundbesitzes wurde oft verpachtet, andere Stücke wurden der Brache überlassen. Im Regelfall war der Besitzer stadtsässig und übertrug die Betriebsführung einem Verwalter, blieb aber zusammen mit seiner Familie zentrale Autorität (Absentismus). Die Besitzer waren fast ausschließlich Spanier und Kreolen und in selten Fällen Mischlinge.

Der Begriff Hazienda ist ungenau, bezieht sich aber gewöhnlich auf Landgüter von beträchtlicher Größe. Kleinere Besitztümer wurden estancia (Estanzia) oder rancho genannt. Der traditionelle Typus der Hacienda war vor allem in Mexiko und Bolivien vor den Revolutionen anzutreffen, ebenso in Chile und Peru vor 1970. Heute ist er nur noch vereinzelt in besonders wenig entwickelten Gebieten (z.B. in Kolumbien und Ecuador) vorhanden. Die brasilianische Entsprechung der Hacienda ist die Fazenda.

Neben der Landbewirtschaftung gab es auch Haziendas mit Bergwerken oder Fabriken. Viele Haziendas kombinierten diese Produktionszweige.

In den letzten Jahrzehnten benutzt man den Begriff in den USA zur Kennzeichnung eines Architekturstils im Zusammenhang mit den früheren Herrenhäusern.

Das Haziendasystem mit seinem großen Landbesitz bestand in Argentinien, Mexiko, Chile, Kolumbien, Ecuador, Mexiko, Neugranada und Peru. Ein ähnliches System bestand in kleinerem Umfang in Puerto Rico und auf den Philippinen. In dem Archipelstaat hat eine mächtige Klasse von Großgrundbesitzern (Kaziken) bis heute eine dominante Position in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, wenngleich seit 1972 Reformen initiiert wurden, um die extreme Landkonzentration sowie die damit verbundene Ausbeutung der Landbevölkerung zu mildern und so die Gefahr revolutionärer Bauernaufstände zu unterbinden.

Entstehung

Durch die Konquista fiel im 16. Jahrhundert ein Großteil des Landes in Mittel- und Südamerika an die kastilische und portugiesische Krone, die wiederum die Konquistadoren zeitlich beschränkt mit den Tributen (encomienda) indigener Gemeinden belohnten. Zusätzlich wurde im Folgenden durch Schenkungen, illegale Besetzungen und dubiose Geschäfte immer mehr Land an Konquistadoren und Siedler verteilt. Dies wurde durch den drastischen Rückgang der indigenen Bevölkerung im 16. und 17. Jahrhundert begünstigt und gerade encomenderos gründeten daraufhin häufig Haziendas. Durch die Enteignung und Privatisierung kirchlicher Güter vergrößerte sich der Großgrundbesitz in der Mitte des 18. Jahrhunderts ein weiteres Mal. Auch durch technologische Entwicklungen, sowohl durch bessere Marktanbindung als auch durch bessere Produktionstechnologien, wurde die Expansion erleichtert.

Merkmale

Strukturelle Eigenschaften waren die Beherrschung der Märkte, der Böden und Wasservorkommen und der Arbeitskräfte durch die Hazienda und ihre Eigentümer in ihrer Umgebung, wobei andere Merkmale wie die hauptsächlich produzierten Produkte oder die Betriebsorganisation variierten. Während ihre Form vom 18. bis Mitte des 19. Jahrhunderts stabil blieb, näherte sie sich dann wegen besserer Anbindung an die (überregionalen) Märkte der Plantage an. Diese, sowie die Viehzucht-Haziendas im heutigen Argentinien und Uruguay, waren exportorientiert und größtenteils in den Regionen der Atlantikküsten Amerikas gelegen. Die Hochland-Haziendas produzierten Getreide und Vieh für nahegelegene Bergwerkszentren und spanische Kolonialstädte. Aufgrund der hohen Transportkosten in den gebirgigen Gegenden Amerikas blieben sie auf regionale Märkte beschränkt, eine Ausnahme war z. B. der Wollexport nach Europa ab den 1830er Jahren.

Lange war die Hazienda ein relativ abgeschlossenes soziales System, deren Bewohner nur sehr wenig Kontakt zur Außenwelt hatten. Viele Eigentümer der Haziendas zählten aufgrund ihrer Einkünfte zu den regionalen und nationalen Eliten.

(s. a. Estancia, Latifundium, Plantage)

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