Lexikon des Agrarraums

Kurt G. Baldenhofer

Zuckerrohrplantage in Australien

Latifundium

Von lat. latus = weit, ausgedehnt und fundus = Grund, Boden, Grundstück; landwirtschaftlicher Großgrundbesitz, der aufgrund seiner oft als unzweckmäßig geltenden Betriebsgröße (i.a. über 1.000 ha) meist nicht als Einheit bewirtschaftet wird. Das Wirtschaftsverhalten des Eigentümers ist gewöhnlich durch sein Desinteresse an eigener Landbewirtschaftung gekennzeichnet. Er verteilt seinen Besitz entweder auf Kleinpächter oder auf einen mit Tagelöhnern arbeitenden Großpächter und lebt von den Pachtzinsen (rentenkapitalistisches Element). So geht er kein Risiko ein und investiert nur, wenn es unbedingt nötig ist. Seinen Wohnsitz hat er meistens in einer Großstadt (Absentismus), wo er einem außerlandwirtschaftlichen Erwerb nachgeht.

Einem äußerst sparsam verfügbaren Kapital stehen ausgiebig bemessene Landvorräte gegenüber. Infolgedessen sind die feste und bewegliche Hofausstattung dürftig.

Die Latifundienwirtschaft führt zu einer extensiven Nutzung des Großgrundbesitzes, die mit einer total verarmten, sozial und wirtschaftlich abhängigen ländlichen Bevölkerung verbunden ist. Das Latifundium ist so nicht nur eine Betriebsform, sondern auch Ausdruck einer sozialen und politischen Herrschaftsorganisation mit teilweise noch vorkapitalistischen Arbeits- und Abhängigkeitsverhältnissen.

Auf Sizilien gab es oft eine ganze Abhängigkeitskette von Großpächtern, Zwischenpächtern und Unterpächtern (sog. Gabelottisystem). Der Großpächter ("gabelotto") betrieb dabei die Weidewirtschaft in eigener Regie, während er die Weizenfelder parzellenweise unterverpachtete. Die Aufsplitterung kam im äußeren Bild der Agrarlandschaft nicht zum Ausdruck, weil alle Flächen einheitlich bewirtschaftet wurden.

Wurde das Latifundium nicht aufgeteilt und verpachtet, sondern als Großbetrieb für den Eigentümer bewirtschaftet, so sprach man in Italien vom "latifondo capitalistico". Bei dieser vorwiegend im südlichen Festland-Italien verbreiteten Organisationsform kamen neben einem kleinen Stamm fest angestellter Arbeitskräfte zahlreiche Tagelöhner zum Einsatz. Diesem Typus entsprachen in Spanien die Latifundien der Extremadura in ihrer traditionellen Form.

Unter Produktivitätsgesichtspunkten stellen Latifundien meist eine unbefriedigende Form der Bodennutzung dar. Bei geringer Bodenfruchtbarkeit kann diese Wirtschaftsform allerdings die einzige angemessene Betriebsorganisation sein. Beispiele sind die Schafzuchtgebiete des Hochlandes in Bolivien und Peru, die Strauchsteppen Patagoniens, der Gran Chaco in Argentinien und die trockenen Grasländer Nordmexikos.

Die Ursachen der Entstehung und die Formen von Latifundien sind unterschiedlich. So führt man z.B. die Latifundien Italiens auf die Sklavenwirtschaft römischer Latifundien, im Falle Süditaliens aber auch auf das Lehenswesen der Normannenzeit zurück. In Südspanien und der Extremadura hat der Latifundienbesitz seine Wurzeln in der Reconquista. In England und im östlichen Mitteleuropa ist die Latifundienwirtschaft eine Folgeform mittelalterlicher Grundherrschaft. Die Estancien in den Viehzuchtgebieten Argentiniens sind aus den kolonialzeitlichen Encomiendas, auf denen Indianer zur Arbeit verpflichtet wurden, entstanden. Weitere Verbreitungsgebiete sind die Maghreb-Länder.

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