Lexikon des Agrarraums

Kurt G. Baldenhofer

Zuckerrohrplantage in Australien

Landraub

Landraub im Sinne des international üblichen Terminus Land Grabbing bezeichnet Investitionen in Pacht oder Kauf von Landflächen, insbesondere Agrarflächen oder agrarisch nutzbare Flächen, bei dem Investoren die Rechte und Bedürfnisse ländlicher Bevölkerungsgruppen, die das Land bearbeiteten oder davon lebten, ignorieren. Die Definitionen sind sehr uneinheitlich, insbesondere was die Größe der jeweils betroffenen Fläche betrifft.

Zum Teil sollen die Investitionen in (Agrar)land die Nahrungsmittelversorgung sichern helfen, häufig geht es aber auch nur um die profitablere Herstellung von Nahrungsmitteln oder anderen Agrargütern für den Verkauf auf dem Weltmarkt oder um Bodenspekulation.

Dabei bewegen sich die internationalen Investoren ebenso wie die staatlichen, halbstaatlichen oder privaten Verkäufer oft in Grauzonen des Rechts und in einem Niemandsland zwischen traditionellen Landrechten und modernen Eigentumsverhältnissen. Häufig könnte man bei Landgrabbing von einer Landreform von oben sprechen oder der Etablierung neuer, privatwirtschaftlicher Kolonialverhältnisse.

Der afrikanische Kontinent gilt seit den 2000er Jahren als ein Schwerpunkt für land grabbing. Für alle afrikanischen Staaten zusammen wurden bis Mitte 2020 insgesamt 565 Transfers von Landflächen registriert, mit einem Volumen von 14,3 Mio. ha. Für weitere 9 Mio. ha bestehen Absichtserklärungen. (WBGU 2020)

Der Erwerb von Land im großen Umfang kann zwar auch positiv wirken, indem ansonsten brachliegendes Land in Wert gesetzt wird und Beschäftigung für die lokale Bevölkerung bietet. Demgegenüber kann die dominante agroindustrielle Intensivnutzung, die zumeist auf die Exportproduktion von Agrarrohstoffen bzw. Treibstoffen, Futtermitteln, aber selten Nahrungsmitteln ausgerichtet ist, zur Übernutzung und Kontamination der Boden- und Wasserressourcen führen. Treiber sind hohe Düngemittel- und Pestizidgaben sowie bewässerungsintensive Bodennutzung.

Land grabbing wirkt sich häufig negativ auf die lokale Eigenversorgung mit Nahrungsmitteln aus, weil die an ausländische Investoren vergebene Flächen nicht mehr für die Nahrungsmittelproduktion zur Verfügung stehen. Gleiches gilt für die lokalen Wasserressourcen. Ohnehin liegen erhebliche Teile des extern erworbenen Landes oft aus Spekulationsgründen brach. Zudem werden Gesetzeslücken sowie unklare Rechts- und Eigentumsverhältnisse in Bezug auf Landbesitz ausgenutzt, was die Durchsetzung heimischer Nutzungsansprüche erschwert. Weil zudem traditionell vereinbarte Landnutzungsrechte ohne eingetragene Landtitel dominieren, können externe Investoren kaum an Landinvestitionen gehindert werden. Nomadische Viehhirten sind als Allmenden-Nutzer besonders vom Erwerb von Land im großen Umfang negativ betroffen, weil der Verkauf der regelmäßig genutzten Weidegründe oft unvermittelt und von ihnen unbemerkt geschieht.

Die Staaten, von denen die Landkäufe meist ausgehen (z. B. Südkorea, China, Saudi Arabien oder auch Großbritannien) werden zu wenig durch Vorgaben dazu veranlasst, Fairness- und Nachhaltigkeitsbelange zu berücksichtigen.

Weitere Informationen:

Pfeil nach linksLandrasseHausIndexLandrentePfeil nach rechts