Lexikon des Agrarraums

Kurt G. Baldenhofer

Zuckerrohrplantage in Australien

Wuhr

Ein Wuhr (pl. Wuhre, Wühre, Wuhren oder Wühren) ist ein künstlicher Wasserlauf im Südschwarzwald, in der Region Hotzenwald. Daneben wird der Begriff im süddeutschen Raum und in der deutschsprachigen Schweiz auch als Synonym für Wehr genutzt. Die Verwendung als Bezeichnung für künstliche Wasserläufe ist auf Regionen im Südschwarzwald begrenzt.

Die drei großen Wuhren, das Heidenwuhr (14 km), das Hänner Wuhr (11,5 km) und das Hochsaler Wuhr (19 km) stehen mit ihren weitläufige Trassenlängen den Wasserzuleitungen mancher Suonen und Waale in den Alpen nicht nach. Sie führen das in wasserreichen Quellgebieten und an Bergbächen auf Höhen zwischen 800-700 m NN gefasste Wasser zum Hochrhein bei Säckingen und Laufenburg, wobei sie eine Höhendifferenz von bis zu 500 m überwinden.

Der Ursprung des Wuhrbaus im Südschwarzwald ist nicht bekannt. Erwähnungen der Wuhren im Spätmittelalter deuten darauf hin, dass diese schon im späten 12. Jahrhundert im Südschwarzwald angelegt wurden. Ursprüngliche Aufgabe der Wuhren war die Antriebskraft für die Blasebälge und Schmiedehämmer der Eisenhütten am Hochrhein (Aufbereitung von aargauischem Eisenerz) und für Säge- und Getreidemühlen bereitzustellen. Dies belegen eine Vielzahl alter Mühlen- und Sägewerksstandorte entlang der Wuhren.

Andere Nutzungen waren zweitrangig und gewannen erst mit dem Rückgang der Mühlen und Hütten an Bedeutung. Dennoch wurden in der Landwirtschaft die Wuhranlagen jahrhundertelang zur Melioration der Böden und Bewässerung der Wiesen auf dem oberen Hotzenwald genutzt. Auf ihrem Weg aus den Hochlagen sammelten die Wasserkanäle kleinere Bäche und Gerinne, durchzogen versumpfte Senken und Hochmoore, die sich nach dem Rückzug von Feldberg- und Murgtal-Gletscher gebildet hatten. Die Wuhrkanäle wirkten hier wie Drainagen und leisteten einen maßgeblichen Beitrag zur Entwässerung von moorig-sumpfigem Gelände.

Aus den teilweise moorigen und staunassen Böden wurden durch rieselnde Wassergaben unter anderem saure Huminstoffe ausgeschwemmt und die Bodenqualität verbessert. Allmählich besiedelten hochwertigere Pflanzengesellschaften die Mähwiesen, Binsen Seggen und Sauergräser wurden zurückgedrängt. Wo möglich, wurden organische Düngemittel wie Gülle und Stallmist mit dem Bewässerungswasser ausgebracht. Karge Böden über dem anstehenden Grundgebirge aus Granit und Gneis konnten so gedüngt und verbessert werden.

Auch bei durchschnittlichen Jahresniederschlägen um 1400 mm war lokal die Befeuchtungswirkung auf den Wiesen willkommen, da die flach zum Hochrhein hin geneigte Gebirgsscholle mit ihren flachwelligen und kuppigen Hochflächen tief durchkerbt ist von Wehra, Murg und Alb. Diese steilen Erosionstäler ziehen die Abflüsse rasch in die Vorfluter ab. Daher half die Ableitung in Wasserkanäle, die in geringem Gefälle durchschlängeln, besonders in trockeneren Jahren, Wassermangel auf den trockeneren Standorten auszugleichen.

Die Bewässerung der Wiesen wurde wie fast überall im Schwarzwald ab der Mitte des 20. Jahrhunderts nach und nach aufgegeben. Die Bewässerungseinrichtungen auf den Matten sind zerfallen, aber Teile der Wuhren existieren noch. Sie beliefern heute kleinere Wasserkraftwerke und erhalten Fischteiche. (Leibundgut/Vonderstrass 2016)

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