Lexikon des Agrarraums

Kurt G. Baldenhofer

Zuckerrohrplantage in Australien

Waal

Bewässerungskanal oder -graben, mit dem Wasser, meist aus einem Bach, selten aus einem See, zu oft weit entfernt gelegenen landwirtschaftlichen Kulturen geleitet wird. Die Bezeichnung ist vornehmlich in Südtirol und Tirol in Gebrauch. Besonders im Südtiroler Vinschgau sind die Niederschlagsmengen wegen der geographischen Lage so gering, dass die Landwirtschaft vor allem am Sonnenberg auf künstliche Bewässerung angewiesen ist. Aus diesem Grund entstand dort eines der ausgedehntesten Bewässerungssysteme in den Alpen, sein Hauptwaalnetz war früher fast 600 km lang.

Die Anlage von Bewässerungskanälen dieser Form ist weltweit und seit dem Beginn der Landwirtschaft verbreitet und findet sich in diesem Sinne für funktional ähnliche Anlagen in lokaler Ausprägung, etwa als Suone, Bissen oder Fuhren im Schweizer Kanton Wallis, Fluder im Österreichischen, Wuhr im Südschwarzwald, Fléizen in den luxemburgischen Ardennen, Levada auf Madeira oder Faladsch in Oman.

Hauptfunktion der Waale ist die Bewässerung. Der Waal 'trägt' das Wasser in die zu bewässernden Wiesen und Felder, daher der manchmal verwendete Name Tragwaal. Waale wurden auch zum Betreiben von Mühlen und Sägen verwendet, da sich steilere Geländeführungen für solche Zwecke geradezu anboten. Sie liefern das Wasser für die Tränken der Tiere und in früheren Zeiten sogar das Trink- und häusliche Gebrauchswasser für ganze Ortschaften.

Die einfachste Form eine Waalkonstruktion ist ein in das Gelände gegrabener Kanal. In steileren Hanglagen oder in erosionsgefährdetem Gelände werden der Boden und die Wände des Waales durch Verbauungen befestigt. Im felsigen Gelände können das in den Fels gehauene Kanäle oder Tunnels sein. Kürzere felsige Hindernisse und quer verlaufende kleine Gräben werden meist mit Hilfe von Holzrinnen überwunden. Auf steinschlag-, muren- oder lawinengefährdeten Strecken werden die Waale in unterirdischen Abschnitten geführt, die mit Steinplatten und Erdreich abgedeckt sind.

Das Wasser wird beim Wassern mit Hilfe von Schwellbrettern aus dem Tragwaal teils in kleinere Nebenkanäle umgeleitet, die ihrerseits schmale Wiesenkanäle (Ilzen) speisen. Die Bewässerung leicht abschüssiger Wiesen und Felder erfolgt in einer Art Rieselverfahren. Der jahrhundertelang mitgeführte Schwemmsand lagert sich neben den Ilzen ab und bildet in den Wiesen häufig niedere, lang gezogene Geländerücken.

Die Ursprünge dieser Bewässerungstechnik liegen mit Sicherheit sehr weit zurück. Die ältesten Dokumente stammen aus dem 12. Jahrhundert und bestätigen zum Teil nur ältere Rechte. Die Anlagen entstanden als Gemeinschaftswerk und hatten als Rechtsgrundlage meist sehr komplizierte und ausgeklügelte Vertragswerke.

Die Bewirtschaftung und Wartung der Waale ist sehr arbeitsintensiv. Das Gleiche gilt für die traditionelle Art der Bewässerung. Die Waale sind sehr störungsanfällig, können bei Gewittern überlaufen und Erosionen im Gelände verursachen. Mit Beginn in der Zwischenkriegszeit und nach dem Zweiten Weltkrieg wurde massiv in moderne Bewässerungsmethoden investiert. Viele Waale wurden aufgelassen und durch Rohrsysteme ersetzt. Die Betten mancher Waale dienen heute nur noch als Unterlage für Rohrleitungen. Trotzdem gibt es noch Waale, die in Betrieb sind und instand gehalten werden.

Auf dem Kamm des talwärts gerichteten Waaldammes wurde in der Regel ein Waalsteig angelegt, der früher nur für das Wartungspersonal gedacht war. Mit zunehmendem Tourismus gehören inzwischen viele dieser restaurierten und sorgfältig mit Geländern versehenen Waalwege zur touristisch propagierten und angepriesenen Südtiroler bzw. Vinschger Kulturlandschaft.

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