Lexikon des Agrarraums

Kurt G. Baldenhofer

Zuckerrohrplantage in Australien

Topinambur

Topinambur (Helianthus tuberosus) ist eine Nutzpflanze, die botanisch zur Familie der Korbblütler (Asteraceae) zählt und zur selben Gattung wie die Sonnenblume (Helianthus annuus) gehört.

Im Unterschied zur Sonnenblume bildet Topinambur an den Wurzeln kartoffelähnliche Knollen aus. Die unterirdischen Sprosstriebe verdicken sich zu braunen, gelben oder roten, unregelmäßig geformten, bewurzelten Stolonen (Sprossknollen), denen die Pflanze auch den Namen „Erdbirne“ verdankt. Der zwei bis drei Meter hohe markgefüllte Stängel sowie die gegenständigen, herzförmigen Blätter sind rau geborstet. Ab September blüht Topinambur dottergelb. Mit 5 - 10 cm Durchmesser sind die Blütenkörbe deutlich kleiner als bei der Sonnenblume. Die Topinamburpflanze vermehrt sich vegetativ aus den Knollen. Der wichtigste Inhaltsstoff der Knolle ist der Fruchtzucker Inulin.

Herkunft

Die Indianer Mittel- und Nordamerikas kultivierten Topinambur als Nahrungsmittel. Nach Europa kam Topinambur Anfang des 17. Jahrhunderts zunächst als Zierpflanze. Die nachfolgende Nutzung als Nahrungsmittel endete größtenteils ab dem 18. Jahrhundert mit der Etablierung der Kartoffel.

Anbau

In Europa wurde die Topinambur zunächst als Nahrungsmittel angebaut. Im 19. Jahrhundert waren die Knollen ein wichtiges Nahrungs- und auch Futtermittel. Vor allem in Frankreich genoss sie nach ihrer Einführung Anfang des 17. Jahrhunderts große Popularität. In Europa wurde die süßlich schmeckende Knolle ab 1750 weitgehend von der ergiebigeren Kartoffel verdrängt. Heute wird Topinambur auf fast allen Kontinenten angebaut, Hauptanbaugebiete befinden sich in Nordamerika, Russland, Australien und Asien. Mit nur noch geringer wirtschaftlicher Bedeutung wird sie zudem in Südfrankreich und den Niederlanden angebaut. In der Schweiz wird sie im Seeland seit 1978 wieder erwerbsmäßig angebaut. In Deutschland findet man nur kleine Anbaugebiete in Niedersachsen, Brandenburg und Baden. In Baden im Landkreis Rastatt fanden sich 1990 noch etwa 200 ha im Anbau, in Dänemark waren es 1990 noch 15 bis 20 ha. Um das Jahr 2000 herum wurden Topinamburknollen fast nur in Bioläden oder auf Wochenmärkten verkauft. In der Schweiz und in Österreich wird sie auch über die Einzelhandelsketten vermarktet.

In Deutschland sind wegen fehlender Neuzüchtungen nur alte Sorten verfügbar. Die Pflanz-, Pflege- und Erntetechnologie kann vom Kartoffelanbau übernommen werden. Vier bis fünf Pflanzen pro Quadratmeter werden im Dammbau angebaut, wobei die Standortansprüche geringer sind als bei der Kartoffel. Besonders die Frostverträglichkeit (bis - 30 °C) ist von Vorteil, allerdings lässt sich Topinambur schlecht lagern. Die Ernte der Knollen findet von November bis März mit Erträgen zwischen 30-50 t Frischmasse/ha statt. Aus den Stängeln lässt sich zusätzlich Zellulose gewinnen.

Die oberirdische Pflanzenmasse kann auch mittels Feldhäcksler im Spätsommer bei einem TS-Gehalt von 25-30 % geerntet werden. Im Versuchsanbau wurden Krauterträge von ca. 10-20 t Trockenmasse/ha erzielt. Da bei der Krautnutzung die Knollen im Boden verbleiben, erfolgt im nächsten Jahr ein Wiederaustrieb.

Topinambur hat eine enorme Wuchskraft und da bereits Bruchstücke von Rhizomen zum Wiederaustrieb ausreichen, kann es zu Durchwuchsproblemen in der Folgekultur und zu Verwilderung kommen.

Im erwerbsmäßigen Anbau wird Topinambur einjährig kultiviert. Er ist anspruchslos und stellt keine großen Anforderungen an seinen Standort, wobei auch nährstoffarme Böden genutzt werden können. Optimal sind Standorte mit pH-Werten zwischen 6,0 und 7,5. Sehr gut folgt er in der Kulturfolge auf Kulturen, die lockeren Boden hinterlassen und er wächst vor allem auf lockerem, leicht sandigem Boden; Staunässe wird gemieden. Klimatisch kann die Pflanze von kühlen Gebieten wie Nordamerika und -europa bis weit in den Süden gedeihen, auch für die Tropen ist er während der „kühleren“ Jahreszeit geeignet. Besonders geschätzt werden vollsonnige Standorte, Topinambur fühlt sich aber auch im Halbschatten wohl.

Verwendung

Der Geschmack der Topinamburknollen ist süßlich, die Konsistenz wässrig und sie erinnert an Artischockenböden, Süßkartoffel und Yacon. Die Knolle kann sowohl roh in Salaten als auch in Salzwasser gekocht verzehrt werden. Auch frittiert wie Kartoffeln sind sie zum Essen geeignet. Ebenso kann ein Saft als Getränk zubereitet werden. Unter saurem Milieu kann dieser eingedickt werden und ergibt einen 90 %igen Fructosesirup von goldgelber bis brauner Farbe. Er wird als alternatives Süßungsmittel verkauft. Besonders hervorzuheben ist der Inhaltsstoff Inulin, ein unverdauliches Polysaccharid. Als wasserlöslicher Ballaststoff ist Inulin ein wichtiges Präbiotikum. Der Gehalt an Inulin ist zum Zeitpunkt der Ernte am höchsten und fällt bei der Lagerung ab. Der Inulingehalt macht die Knollen bei Diabetikern beliebt.

Topinambur wurde schon Ende des 19. Jahrhunderts für das Brennen von Destillaten verwendet. In Baden werden die Topinambur-Knollen zu einem Verdauungsschnaps verarbeitet, der unter den Bezeichnungen „Topinambur-Branntwein“, „Topinambur“, „Topi“, „Erdäpfler“, „Rossler“ (abgeleitet von Ross-Erdäpfel) oder „Borbel“ verkauft wird. Über 90 % der in Deutschland gerodeten Topinamburknollen werden derzeit in Obstbrennereien zu Spirituosen verarbeitet.

In geringem Umfang wird Topinambur auch als Futtermittel eingesetzt.

Aufgrund der guten Anbaueigenschaften und der hohen Biomasseproduktion kann Topinambur auch als Energiepflanze genutzt werden und spielt entsprechend als nachwachsender Rohstoff eine potenzielle Rolle.

Pfeil nach linksTonverlagerungHausIndexTorfPfeil nach rechts